Wissensbibliothek
Erstes Schwangerschaftsdrittel: Zeit der Entwicklung
Was geschieht im ersten Schwangerschaftsdrittel?
Im ersten Trimenon, wie das erste Drittel der etwa 40 Wochen dauernden Schwangerschaft genannt wird, verwandelt sich eine einzige Zelle – die durch die Befruchtung entstandene Zygote – in einen Embryo. Der Embryo macht in diesen ersten zwölf Schwangerschaftswochen einen so riesigen Entwicklungssprung wie zu keiner anderen Zeit mehr in seinem weiteren Leben. Auch der Körper der werdenden Mutter durchläuft dramatische Veränderungen, da er sich vollständig auf die Erfordernisse der Schwangerschaft und des ungeborenen Kindes einstellt. Die Berechnung der Schwangerschaftsdauer beginnt ab der letzten Regelblutung, obwohl die Befruchtung tatsächlich zwei Wochen danach stattgefunden hat.
Wann wird der Embryo zum Fetus?
In einigen Ländern werden nur die ersten acht, in anderen Staaten – so auch in Deutschland – die ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft als Embryonalstadium bezeichnet. Die darauffolgenden Entwicklungsperioden der Leibesfrucht gehören dann zum Fetalstadium. Mit dem Ablauf des zweiten Monats sind alle wichtigen menschlichen Organe und Körpersysteme angelegt. Am Ende des dritten Monats trägt der Fetus menschliche Züge.
Was passiert in den ersten Wochen?
Etwa zwei Wochen nach der Befruchtung hat sich die Keimblase vollständig in der Gebärmutter eingenistet. Etwa in der vierten Schwangerschaftswoche setzt die Entwicklung der Keimblase zu dem mit bloßem Auge gerade erkennbaren Embryo ein. Die äußere Zellschicht, der Trophoblast, entwickelt sich zum Chorion, einer den Keim umgebenden Membran, die sich schließlich zum Mutterkuchen, der Plazenta umformt. Etwa zur selben Zeit bildet der innere Zellverband eine flache Scheibe aus, die Keimscheibe, aus der sich später der Embryo entwickelt.
In der fünften Schwangerschaftswoche bildet die Keimscheibe drei unterschiedliche Zellschichten, aus denen in den folgenden Wochen alle Körperorgane hervorgehen. Am Ende dieser Woche ist der Embryo zwei Millimeter lang. Er verfügt bereits über ein ausgeklügeltes System paarig angelegter Blutgefäße.
Wie sieht der Embryo in der sechsten Woche aus?
Zu Beginn dieses Zeitabschnitts ist der Embryo etwa fünf Millimeter lang, besitzt Kopf und Hals sowie primitiv ausgebildete Augen und Ohren. Das Herz schlägt und kann über Ultraschall sichtbar gemacht werden, der embryonale Kreislauf sowie Verdauungsorgane, Leber und Nieren entwickeln sich. In der siebten Woche bilden sich die Anlagen für Nasenlöcher, Lippen, Zunge, Zähne und Kiefer sowie die Arm- und Beinknospen.
Wie groß ist der Embryo in der achten Woche?
Der Embryo misst mittlerweile drei Zentimeter und wiegt etwa 2,7 Gramm. Er trägt nun erkennbar menschliche Züge. Sein Kopf ist etwa so groß wie sein Körper. Alle wichtigen Gehirnabschnitte sind vorhanden. Die Leber beginnt mit der Bildung von Blutzellen. Die Augen sind durch Pigmenteinlagerungen sichtbar, sind aber noch von einer Hautschicht überzogen, die sich später zu den Augenlidern entwickelt. Die Ohranlagen sind gebildet.
Arme und Beine sind vorhanden, Hände und Füße jedoch noch nicht ausdifferenziert. Finger und Zehen beginnen sich zu entwickeln. Auch Knie- und Ellenbogengelenke haben sich gebildet, so dass Arme und Beine angewinkelt werden können. Der Verknöcherungsprozess hat eingesetzt, die Muskeln beginnen mit spontanen Kontraktionen und werden dadurch immer kräftiger.
Was ereignet sich zwischen der neunten und zwölften Woche?
Alle wesentlichen Organe sind angelegt. Nun setzt das Längenwachstum des Körpers ein. Die Beine wachsen weiter und es kommt zur Trennung der bisher miteinander verschmolzenen Finger. Die Ohrmuschel entwickelt sich weiter, die Augen bleiben jedoch fest geschlossen. Oberhaut und Lederhaut sind erkennbar und das Knochenmark hat mit der Produktion von Blutzellen begonnen. Der Gaumen schließt sich und in den inneren Organen kommt es zur Ausbildung der glatten Muskulatur. Die Geschlechtsorgane bilden sich. Das Herz pumpt das Blut durch das Kreislaufsystem und durch die Nabelschnur zur Plazenta. Der Fetus ist jetzt bis zu neun Zentimeter lang und wiegt etwa 30 Gramm.
Wie bildet sich die Plazenta aus?
Sobald es zur Einnistung der Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut kommt, bilden sich aus Blutgefäßen im Chorion, der die Keimzelle umgebenden Membran, so genannten Chorionzotten. Diese werden von mütterlichem Blut aus Blutgefäßen der tiefsten Schicht der Gebärmutterschleimhaut umspült. Mütterlicher und kindlicher Kreislauf sind zwar immer getrennt, dennoch können Nährstoffe und Sauerstoff aus dem mütterlichen Organismus und Abfallprodukte aus dem kindlichen Organismus die Plazentaschranke überwinden. Die Passage des Bluts führt dabei über die Nabelschnur, deren eine Vene das nährstoffreiche Blut von der Mutter zum Fetus und deren zwei Arterien das nähr- und sauerstoffarme Blut des Fetus zur Mutter bringen.
Welche zusätzlichen Aufgaben übernimmt die Plazenta?
Sie dient auch als Nährstoffspeicher für Proteine, Eisen und Kalzium und gibt diese Stoffe bei Bedarf an den Fetus ab. Die Plazenta schützt das Ungeborene auch vor Mikroorganismen. Einige Viren jedoch, beispielsweise die Erreger von Windpocken oder Röteln, können mit dem mütterlichen Blut die Plazentaschranke überwinden und das Ungeborene schädigen. Ebenso wenig bietet die Plazenta Schutz vor bestimmten Drogen wie Alkohol und Nikotin, die auf den fetalen Kreislauf übergehen und die Entwicklung des Ungeborenen beeinträchtigen können.
Wie stellt sich der Körper der Schwangeren um?
In dieser frühen Phase der Schwangerschaft wird der weibliche Körper auf die Versorgung des ungeborenen Kindes und die bevorstehende Geburt eingestimmt. Die Veränderungen betreffen fast alle Körpersysteme.
Aufgrund der allgemeinen Stoffwechselbeschleunigung wachsen auch Haare und Nägel schneller. Das von der Plazenta ausgeschüttete Hormon Relaxin führt zu einer Erweichung und Dehnung der Bänder, das Becken kann sich ausdehnen und wird beweglicher.
Auch die willkürliche Muskulatur dehnt sich aus. Gleichzeitig verringert sich der Muskeltonus der glatten Muskulatur im Magen-Darm-Trakt, in der Gebärmutter und den Harnleitern unter der Wirkung von Progesteron, das durch die Plazenta ausgeschüttet wird.
Die Erhöhung des Blutvolumens führt zu einer Verbesserung des Blutflusses durch Gebärmutter und Plazenta, aber auch durch Nieren und Lungen.
Wie entwickelt sich die Gebärmutter?
Im Lauf des ersten Trimenons vergrößert sich die ursprünglich faustgroße Gebärmutter allmählich in die Beckenhöhle hinein und verändert ihre ursprünglich birnenähnliche Form zu der einer Kugel. Die Gebärmutterschleimhaut wird dicker. Durch die vermehrte Blutzufuhr und die Wirkung des Östrogens erweitert sich der Gebärmutterhals und wird geschmeidiger. In der 13. Woche ragt die Gebärmutter über den Beckeneingang hinaus und kann am oberen Rand der Schambeinfuge ertastet werden.
Wie verändern sich die Brüste?
Durch die erhöhte Blutzufuhr vergrößern sich die Brüste und werden berührungsempfindlich. Ihre Struktur wird ungleichmäßig und oberflächliche Venen treten stärker hervor. Zwischen der zehnten und zwölften Schwangerschaftswoche erweitern sich die Öffnungen der Talgdrüsen der Warzenhöfe (Montgomery-Drüsen). Ihre Talgabsonderungen machen die Brustwarzen geschmeidig. Außerdem wird das Fettgewebe der Brüste kontinuierlich durch ein System von Milchgängen ersetzt.
Warum beschleunigen sich die Stoffwechselprozesse?
Die Beschleunigung sämtlicher Stoffwechselvorgänge dient der optimalen Versorgung von kindlichem und mütterlichem Gewebe während der ganzen Schwangerschaft. Der erhöhte Stoffwechsel bewirkt in der Frühschwangerschaft einen kontinuierlichen Anstieg des Körpergewichts um durchschnittlich zwei bis drei Kilogramm im ersten Trimenon. Ab den ersten Wochen der Schwangerschaft bildet die Plazenta das Hormon HCS (Humanchorionsomatotropin). Zusammen mit Östrogen und Progesteron stimuliert HCS Wachstum und Entwicklung der Brustdrüsen. HCT (Humanchorionthyreotropin), ein weiteres in der Plazenta gebildetes Hormon, erhöht den Energieumsatz um etwa 20 bis 25 Prozent. Aus diesem Grund schwitzen Schwangere stärker als normal. Die vermehrte Konzentration des Parathormons aus den Nebenschilddrüsen erhöht auch die Blutkonzentration von Vitamin D und Kalzium, so dass beide Substanzen zur Knochenbildung des Fetus zur Verfügung stehen.
Wussten Sie, dass …
der Mensch größer wäre als der höchste Berg der Erde, würde er nach der Geburt in der Geschwindigkeit weiterwachsen wie im Mutterleib?
zu Beginn der embryonalen Entwicklung die Arme länger sind als die Beine? Dazu passt, dass wir erst greifen und dann laufen lernen.
mehr als die Hälfte der in der Gebärmutterschleimhaut eingenisteten Keimblasen nicht zu einer Schwangerschaft führen? Meist sind Chromosomenanomalien die Ursache, dass sie zugrunde gehen.
Warum bleibt die Regelblutung aus?
Nach der Einnistung der befruchteten Eizelle verändert sich die Gebärmutterschleimhaut und entwickelt sich unter der Wirkung der jetzt aktiven Hormone zur idealen Umgebung für den Embryo. Die Menstruation wird unterdrückt. Zu Beginn der Schwangerschaft leiden manche Frauen an leichten Unterleibsschmerzen oder an Symptomen, die denen des prämenstruellen Syndroms ähneln. Manchmal kommt es trotz bestehender Schwangerschaft in den ersten zwei bis drei Monaten weiterhin zu periodenähnlichen Blutungen. Sie werden durch die ungenügende Ausschüttung von Progesteron ausgelöst, dessen Konzentration für die vollständige Unterbrechung des Menstruationszyklus noch nicht ausreicht. Die Blutungen sind jedoch schwächer und kürzer als die normale Menstruation.
Worauf sind Schwangerschaftsbeschwerden zurückzuführen?
Müdigkeit, Schwindel und Erschöpfung resultieren aus Veränderungen des Hormonstatus und aus dem niedrigen Blutdruck in den ersten Schwangerschaftsmonaten. Die Müdigkeit lässt normalerweise im zweiten Trimenon nach, kann aber im letzten Schwangerschaftsdrittel wieder verstärkt auftreten.
Auch Übelkeit und Erbrechen, Ekelgefühle bei bestimmten Gerüchen und Nahrungsmitteln haben ihre Ursache in den hormonellen Veränderungen. Bis zu 50 Prozent aller Schwangeren leiden im ersten Drittel der Schwangerschaft an diesen unangenehmen Begleiterscheinungen. Dabei kann die Übelkeit auch mit Völlegefühl einhergehen und durch bestimmte Gerüche noch verstärkt werden. Auch wenn man oft von »Morgenübelkeit« spricht, ist diese keinesfalls auf die Zeit nach dem Aufstehen beschränkt, sondern kann während des ganzen Tages auftreten. Erbrechen kommt häufiger bei Mehrlingsschwangerschaften vor. Die Symptome klingen nach der zwölften Woche jedoch meist ab; nur in seltenen Fällen halten sie während der gesamten Schwangerschaft an.
Wodurch kommt es zum häufigeren Harndrang?
Der verstärkte Drang zur Blasenentleerung wird wahrscheinlich durch den Druck der wachsenden Gebärmutter auf die Blase sowie durch die verstärkte Blasendurchblutung verursacht. Im Lauf des vierten Schwangerschaftsmonats lässt die Häufigkeit des Harndrangs etwas nach, kann sich aber in der Spätschwangerschaft wieder verstärken, wenn der Kopf des Kindes vor der Geburt auf die Blase drückt.
Wie verändert sich die Haut?
Die erhöhte Ausschüttung von MSH (Melanozyten-stimulierendes-Hormon) durch die Hirnanhangsdrüse beeinflusst die Hautpigmentierung. Dadurch werden bestehende Muttermale und Sommersprossen dunkler. In der zehnten bis zwölften Woche verändern Brustwarzen und Warzenhöfe ihre Farbe von rosa zu braun. Talg- und Schweißdrüsen erhöhen ebenfalls ihre Aktivität; eine latente oder bestehende Akne kann sich verschlimmern.
Wie vermeiden Sie Risiken für das ungeborene Kind?
Kaum eine Frau lebt in einer perfekt an die Bedürfnisse des Ungeborenen angepassten Umgebung. Aber mit der Befolgung einiger Vorsichtsmaßnahmen können die bestehenden Risiken reduziert werden.
- Vermeiden Sie während der Schwangerschaft jeden Kontakt mit gefährlichen Substanzen sowie mit Tieren; ebenso körperliche Anstrengungen wie schweres Heben oder Klettern.
- Besonders im ersten Schwangerschaftsdrittel sollten beim Baden zu hohe Wassertemperaturen vermieden werden.
- Ernähren Sie sich gesund. Verzichten Sie auf Pasteten, nicht pasteurisierte Milchprodukte, nicht durchgegartes Fleisch sowie auf rohen Fisch und rohe Eier.
- Freiverkäufliche Arzneimittel, einschließlich Schmerzmittel, Antazida (Magensäure bindende Medikamente), Antihistaminika (antiallergisch wirkende Mittel) und Antitussiva (Hustenmittel) sollten nur bei strenger Indikationsstellung und in Absprache mit dem Arzt eingenommen werden.
- Informieren Sie Ihren Arzt, Zahnarzt sowie Röntgenologen über die Schwangerschaft, damit Sie nur im äußersten Notfall und unter Verwendung einer geringeren Strahlendosis geröntgt werden.
- Vermeiden Sie besonders im ersten Schwangerschaftsdrittel Kontakte mit Menschen, die an fiebrigen oder infektiösen Erkrankungen leiden. Vermeiden Sie den Aufenthalt in einer Umgebung, in der viel geraucht wird.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff …
Tubargravidität? Bei der »Eileiterschwangerschaft« findet die Einnistung der befruchteten Eizelle im Eileiter statt; in den ersten vier Wochen treten dann periodisch einseitige Unterbauchschmerzen auf. Es kommt bei zunehmendem Wachstum zu gefährlichen Komplikationen: Entweder wird die Frucht in die freie Bauchhöhle ausgestoßen oder es kommt zu einem Riss des Eileiters mit heftigen Schmerzen und starken, z. T. lebensbedrohlichen Blutungen.
Gestose? Dies ist eine hormonell bedingte Erkrankung, die bei etwa zehn Prozent aller Schwangerschaften auftritt. Sie äußert sich im ersten Drittel der Schwangerschaft mit verstärktem Erbrechen oder später als so genannte Spätgestose mit Wassereinlagerungen, Eiweiß im Urin, Bluthochdruck und Gerinnungsstörungen. Treten zusätzlich Krämpfe auf, spricht man von Eklampsie.
Rötelnembryopathie? Aufgrund einer Infektion des ungeborenen Kindes mit dem Rötelnvirus während der ersten drei Schwangerschaftsmonate können schwere Missbildungen entstehen. Bei Infektion im ersten Schwangerschaftsmonat sterben 60 Prozent der Embryonen ab. Hat die Mutter schon vor der Schwangerschaft Röteln durchgemacht bzw. ist sie gegen Röteln geimpft, ist diese Gefahr ausgeschlossen.

Die Kraft der Wellen
Rund 70 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Ingenieure wollen jetzt die Energie des Meeres nutzen, um auf schwimmenden Inseln elektrischen Strom zu erzeugen. von RAINER KURLEMANN Wer schon einmal in einem Boot oder am Strand gegen die Wellen gekämpft hat, der ahnt, wie viel Energie im Meer steckt. Tag für Tag...

Die scheuen Giganten
Planeten ferner Sterne werden wahrscheinlich von riesigen Monden umkreist, die alle Trabanten im Sonnensystem weit in den Schatten stellen. von THORSTEN DAMBECK Entdeckungen sind das tägliche Geschäft der Astronomen. Größtenteils liegt das an immer leistungsfähigeren Instrumenten und ausgefeilteren Methoden, mit denen der Himmel...