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Was machte die Terrorvögel so tödlich?
Nach dem Aussterben der Dinosaurier vor rund 66 Millionen Jahren waren die Ökosysteme Südamerikas zunächst nahezu leergefegt. Die einst dominierende Tiergruppe fehlte nun. Auf den nördlichen Kontinenten übernahmen damals rasch Säugetiere die Rolle der Spitzenprädatoren, in Südamerika schlug die Evolution jedoch einen anderen Weg ein. Auf der von Nordamerika und Afrika durch Meere getrennten Landmasse entwickelten sich aus unscheinbaren Laufvögeln erstaunliche Räuber: die Phorusrhacidae, auch bekannt als Terrorvögel.
Ohne große Raubsäuger als Konkurrenz eroberten die flugunfähigen Raubvögel schnell die Spitze der Nahrungskette. Manche Arten wuchsen dabei zu drei Meter hohen und 150 Kilogramm schweren Giganten heran. Sie waren damit größer als ein aufgerichteter Grizzly und wogen so viel wie ein ausgewachsener Jaguar. Doch wie gingen diese riesigen Terrorvögel auf Beutefang?
Tödliche Tritte
Die Terrorvögel verfügten über ein ganzes Arsenal an tödlichen Waffen, darunter ihre langen, muskulösen Beine. Diese ermöglichten ihnen nicht nur Sprints von geschätzten 50 Kilometern pro Stunde, sondern auch blitzschnelle, kraftvolle Angriffe. Ein gezielter Tritt eines Terrorvogels konnte vermutlich Knochen brechen.
Ähnlich geht heutzutage auch der afrikanische Sekretärvogel (Sagittarius serpentarius) vor. Er nutzt seine langen Beine, um Schlangen und andere kleine Tiere mit schnellen Tritten zu töten. Dabei bringt der Sekretär pro Tritt eine Kraft auf, die dem Fünffachen seines eigenen Körpergewichts entspricht. Nicht auszumalen also, was ein 150 Kilogramm schwerer Raubvogel mit einem einzigen Tritt anrichten konnte. Vor allem, wenn man bedenkt, dass viele Terrorvögel scharfe, gebogene Krallen trugen.
Mit massivem Schnabel und scharfen Sinnen
Doch nicht nur ihre kräftigen Beine machten die Terrorvögel zu tödlichen Jägern. Ihr markantestes Werkzeug war der gewaltige Schnabel. Er war massiv gebaut und ähnlich wie bei modernen Adlern mit einer scharfen Spitze versehen – eine perfekte Kombination, um Fleisch zu zerreißen. Paläontologen vermuten, dass manche Arten ihren Schnabel wie eine Axt einsetzten und wiederholt in den Körper ihrer Beute rammten.
Neben ihrer enormen körperlichen Stärke konnten sich die Terrorvögel auch auf ihre Sinne verlassen. Scans des Innenohrs der Art Llallawavis zeigen, dass dieser Vogel seinen Kopf extrem schnell drehen konnte – ideal, um Beute zu orten und blitzartig zuzuschlagen. Zudem war sein Gehör auf tiefe Frequenzen im Bereich zwischen 380 und 4.230 Hertz spezialisiert. Damit konnte er Geräusche über große Distanzen wahrnehmen und seine Beute lokalisieren, bevor diese ihn überhaupt gesehen hatte.
Das Ende der gefiederten Herrschaft
So furchteinflößend sie auch gewesen sein mögen: Vor etwa 1,8 Millionen Jahren verschwanden die größten Vertreter der Terrorvögel plötzlich aus den südamerikanischen Ökosystemen. Lange galt die Ankunft großer Raubsäugetiere aus Nordamerika als Hauptursache. Denn mit der Entstehung der Panama-Landbrücke konnten vor drei Millionen Jahren erstmals Bären, Wölfe und Säbelzahnkatzen als neue Konkurrenz in den Süden vordringen – und die Terrorvögel von der Spitze der Nahrungsketten verdrängen. Doch Fossilfunde zeigen inzwischen ein differenzierteres Bild: In vielen Regionen lebten Raubvögel und Raubsäuger über lange Zeit nebeneinander, ohne dass die Vögel verdrängt wurden.
Stattdessen könnte das Klima den Phorusrhacidae den entscheidenden Todesstoß versetzt haben. Mit Beginn des Pleistozäns vor rund 2,6 Millionen Jahren trat die Erde in eine Phase regelmäßiger Eiszeiten ein, die auch in Südamerika ihre Spuren hinterließen. Zwar blieb der Kontinent weitgehend eisfrei, doch die klimatischen Umbrüche führten zu trockenerem Wetter, dem Rückzug dichter Wälder und der Ausbreitung offener Graslandschaften. Ein Wandel, dem offenbar selbst die mächtigen Terrorvögel nicht gewachsen waren.