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Wie hoch ist die Corona-Ansteckungsgefahr im Kino?
Nach bald zwei Jahren Corona-Pandemie sehnen sich die meisten Menschen wohl einfach nur nach etwas Normalität. Inmitten der vierten Infektionswelle und mit der neuen Omikron-Variante vor der Tür scheint das allerdings noch in der Ferne zu liegen. Stattdessen kann man aber zumindest versuchen, sich vom Corona-Alltag abzulenken – beispielsweise mit einem Kinobesuch. Denn anders als im letzten Winter müssen die Kinos bislang nicht schließen.
Doch ist es wirklich so eine gute Idee, fast zwei Stunden in einem Raum mit vielen anderen Menschen zu sitzen? Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik sagen: Ja! Sie haben im Rahmen des Projektes „CineCov“ die Luft in verschiedenen Kinos analysiert. Dafür untersuchten sie die Luftströmungen und Aerosolausbreitung in Kinosälen und ersetzten dafür die Kinobesucher durch spezielle Dummies. Diese Puppen waren beheizt und erzeugten so den gleichen wärmebedingten Aufstrom wie menschliche Besucher.
Was ist das Besondere an der Kino-Lüftung?
Bei der Untersuchung hat das Forschungsteam herausgefunden, dass die schon vor der Pandemie in den Kinos installierten Lüftungen gute Arbeit zur Aerosol-Bekämpfung leisten. Dafür ist wohl die Bauweise der Kino-Lüfter verantwortlich. „Durch Menschen erwärmte Luft steigt nach oben. Speziell die für Kinosäle typische sogenannte Quelllüftung macht sich diesen Effekt zunutze“, erklärt Gunnar Grün, Projektleiter von CineCov. Bei einer Quelllüftung wird bodennah etwas kühlere Luft ganz langsam in den Raum gelassen. Dadurch entsteht eine Art Frischluft-See.
An warmen Flächen, wie beispielsweise Menschen, steigt die kühle Luft dann nach oben. „Das hat den entscheidenden Vorteil, dass Aerosole und darin enthaltene Viren effektiv abgeführt werden“, so Grün. Die warme, „dreckige“ Luft wird letztlich an der Kino-Decke abgesogen und ins Freie gepustet.
Luca-Zahlen bestätigen das Ergebnis
Die Wissenschaftler fühlen sich durch kürzlich veröffentlichte Zahlen aus der Luca-App zusätzlich bestätigt. Die Betreiber der Warn-App hatten im November eine Statistik dazu erstellt, welche Art von Einrichtung ihre Nutzer besucht haben und wo wahrscheinlich infektiöse Kontakte stattgefunden haben. Nur in 1,7 Prozent der Fälle fand der Kontakt demnach während eines Kinobesuchs statt, während Restaurantbesuche immerhin fast elf Prozent ausmachen. Den Löwenanteil liefern übrigens Clubs, die gut die Hälfte der nach der Luca-App möglicherweise infektiösen Kontakte zu verantworten haben.
„Die aktuellen wissenschaftlichen Analysen belegen, dass Kinoräume für Menschen sicher und nur mit geringem Infektionsrisiko betrieben werden können“, sagt CineCov-Initiator Thomas Negele. Für ihn ist aber auch der Ausblick wichtig: „Unser aller Anliegen muss es sein, bereits heute bestmögliche Sicherheitsmaßnahmen für die Zukunft zu standardisieren.“
Weitere Analysen mit Luftfiltern
In weiterführenden Untersuchungen schaut sich das Team vom Fraunhofer IBP nun die Effektivität von zusätzlichen Luftfiltern an. Dafür setzen sie sogenannte Surrogat-Viren ein. Das sind speziell Modellviren, mit denen der Aerosol-Transport echter Viren untersucht werden kann. In der neuen Studie wollen sie herausfinden, wie sich die Virenkonzentration in einem Raum, in dem sich eine infizierte Person befindet, mit und ohne Luftfilter entwickelt.
Die neuen Erkenntnisse sollen dann schnellstmöglich in die Praxis umgesetzt werden. So wollen die Kinobetreiber, deren Dachverband mit an den Forschungen beteiligt ist, für eine weiterhin möglichst geringe Corona-Gefahr während des Kinobesuchs sorgen. Auch die Laufwege von der Kasse in den Kinosaal und zum Popcornstand sollen infektionstechnisch optimiert werden.
Quelle: Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP