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Was verrät die Blutgruppe?
Blut ist nicht gleich Blut: Das wissen wir spätestens, seitdem der Wiener Arzt Karl Landsteiner die Blutgruppen entdeckt hat. Bereits im Jahr 1900 bemerkte der Serologe, dass das Blut zweier Menschen bei Kontakt manchmal verklumpt und manchmal nicht. Nur bestimmte Blutproben vertragen sich demnach miteinander. Doch warum?
Landsteiner fand heraus, dass unsere roten Blutkörperchen unterschiedliche Oberflächenmerkmale aufweisen: Die Zellen enthalten auf ihrer Oberfläche die Antigene A und/ oder B oder sie enthalten gar keine Antigene. Diese Merkmale bestimmen die Blutgruppe. Im Blutserum wiederum schwimmen Abwehrstoffe, die gegen die Antigene fremder Blutgruppen gerichtet sind - sie greifen diese an. Diese Erkenntnis machte erstmals sichere Bluttransfusionen möglich.
Anderes Durchfallrisiko
Heute kennen wir weitere Faktoren, die die Verträglichkeit von Transfusionen beeinflussen - zum Beispiel den sogenannten Rhesusfaktor. Doch die Beschaffenheit unseres Blutes bestimmt nicht nur, welche Blutkonserven wir im Notfall verabreicht bekommen können. Die Blutgruppen wirken sich auch auf das Risiko für Krankheiten aus, wie sich zunehmend zeigt.
So kann ein Blick auf die Blutgruppe zum Beispiel die Anfälligkeit für bestimmte Durchfallerkrankungen verraten. Der Grund: Einige durchfallauslösende Viren gelangen in die Zellen des Magendarmtrakts, indem sie an Zuckermoleküle binden, die für Menschen mit der Blutgruppe A typisch sind. Diese Personen erkranken daher unter anderem schneller und schwerer an Reisedurchfall.
Einflussreiche Merkmale
Auch das Risiko für Herzinfarkt und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen hängt offenbar mit von der Blutgruppe ab, ebenso wie die Anfälligkeit für Magenbeschwerden oder Malaria-Infektionen. "Die Ursachen dafür sind aktuell nicht bekannt", erklärt Hermann Eichler von der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie.
Vermutlich steckt jedoch ein ähnlicher Mechanismus wie beim Reisedurchfall dahinter. Denn wie der Mediziner betont, sind die Blutgruppeneigenschaften nicht nur auf den Blutkörperchen, sondern auf den meisten Zellen des Körpers vorhanden. Sie beeinflussen damit möglicherweise die Bindung von Krankheitserregern und den Stoffwechsel. Auch eine Auswirkung auf das Krebswachstum ließe sich so erklären. "Die Krankheitsrisiken sind jedoch gering und Unterschiede in der Lebenserwartung deshalb kaum zu erwarten", sagt Eichler.
"Blutgruppendiät" ist unwissenschaftlich
Andere vermeintliche Zusammenhänge zwischen der Blutgruppe und der Gesundheit entpuppen sich dagegen als reine Mythen. Dazu gehört zum Beispiel die Behauptung, dass die Merkmale des Blutes den Erfolg bestimmter Ernährungsweisen beeinflussen. Verfechter der sogenannten Blutgruppendiät glauben etwa, dass Menschen mit Blutgruppe Null als Höhlenbewohner-Typ mehr Fleisch benötigen als andere Menschen.
"Diese Aussage ist wissenschaftlich nicht belegt. Es gibt auch keinen Grund, warum Menschen mit Blutgruppe A sich vegetarisch ernähren und Menschen mit Blutgruppe B Milchprodukte bevorzugen sollten", betont Eichler. "Die Blutgruppe hat auf den Diäterfolg keinerlei Einfluss."
Als Charaktertest nicht geeignet
Noch abwegiger scheint wohl die Vorstellung, dass die Blutgruppe etwas über den Charakter aussagt - doch genau davon gehen manche Menschen aus. So ist die Blutgruppendeutung beispielsweise in Japan genauso verbreitet wie hierzulande Horoskope. Personen mit Blutgruppe Null gelten dort gemeinhin als neugierig und großzügig, aber auch als hartnäckig. Menschen mit Blutgruppe AB wird dagegen eine künstlerische Ader nachgesagt. Sie sollen mysteriös und unberechenbar sein.
Könnte da tatsächlich etwas dran sein? "Solche Aussagen entbehren natürlich jeder wissenschaftlichen Grundlage: Blutgruppen sagen nichts über den Charakter aus", sagt Eichler. Aussagen über die Persönlichkeit lassen sich mithilfe eines Bluttests demnach nicht treffen. Wer seine Blutgruppe trotzdem erfahren möchte, kann dies im Rahmen einer Blutspende ganz einfach tun.