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60 Jahre Supermarkt
Den Einkaufswagen durch Gänge mit prall gefüllten Regalen schieben, nach Lust und Laune zugreifen und am Ende der Tour an einer Kasse bezahlen: Diese Art des Einkaufens ist für uns heute selbstverständlich. Doch das war nicht immer so. Bis in die 1930er Jahre hinein ist das Prinzip der Supermärkte weltweit weitestgehend unbekannt.
Das ändert sich erst, als im Oktober 1929 an der Wall Street in New York die Börse kollabiert. Der Schwarze Donnerstag, wie ihn die US-Amerikaner von nun an nennen, reißt die Weltwirtschaft in eine Krise: Unternehmen kämpfen ums Überleben und sind gezwungen, Mitarbeiter zu entlassen. Vor diesem Hintergrund tüftelt der Amerikaner Michael Cullen an einem Selbstbedienungskonzept für die Lebensmittelbranche.
Hochgestapelt und günstig
Seine Idee: Wenn die Ware in größeren Geschäften angeboten wird, in denen die Kunden die Produkte selbst aus den Regalen nehmen, spart das Personal und drückt die Preise. Und das wiederum kommt nicht nur den Ladenbetreibern, sondern auch den Kunden zugute. 1930 eröffnet Cullen gemeinsam mit einem Geschäftspartner in einer ehemaligen Autowerkstatt in Queens die erste Filiale der King-Kullen-Kette – den ersten Supermarkt im heutigen Sinne.
Das Geschäftsmotto "Waren hoch stapeln und zum Niedrigpreis verkaufen" macht Schlagzeilen. Von nun an entstehen in den USA immer mehr Geschäfte, die von Fleisch bis Gemüse alles an Lebensmitteln bieten, was das Herz begehrt – zur Selbstbedienung und zum guten Preis. Sogar Parkplätze vor der Tür gibt es schon. Der Großeinkauf soll den Kunden so bequem wie möglich gemacht werden.
Einkaufen bei Tante Emma
In Deutschland ist dieses Konzept damals undenkbar. Bei uns ist der Lebensmitteleinkauf noch immer eine umständliche und langwierige Angelegenheit. Denn für jedes Produkt muss der Kunde in ein anderes Geschäft gehen: Fleisch gibt es beim Metzger, Brot beim Bäcker und für andere Dinge des täglichen Bedarfs geht man zum Tante Emma-Laden.
Hier gibt es Kaffee, Käse, Konserven und Waschmittel - für jeden Kunden individuell von Hand abgewogen, verpackt und abgerechnet. Und wenn das Geld knapp ist, dürfen Stammkunden bei "Tante Emma" auch schon einmal anschreiben lassen. Entsprechend lange dauert der Einkauf: Meist ist in der Schlange vor der Theke genügend Zeit für einen ausgiebigen Plausch mit dem Ladenbesitzer und den Nachbarn.