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Ab wann wird Hitze für Mensch, Tier und Pflanze gefährlich?
Klar ist: Wir Menschen und auch alle Säugetiere sind an einen bestimmten Temperaturbereich angepasst. Solange das Wetter den einhält, schafft es unser Körper, seine Solltemperatur zu halten. Bei Kälte verringert er beispielsweise den Wärmeverlust, indem er die Durchblutung der Haut und Gliedmaßen einschränkt, damit der Körperkern warm bleibt. Zusätzlich hilft Muskelzittern dabei, Wärme zu erzeugen.
Was macht unser Körper gegen Hitze?
Ist es dagegen zu warm, schaltet unser Körper seine "Klimaanlage" ein: Er weitet die Blutgefäße, um möglichst viel von der inneren Hitze nach außen abzuleiten. Parallel dazu kurbelt er die Schweißproduktion an, um die Haut durch die Verdunstung des Schweißes zu kühlen. Dadurch schafft der Mensch es normalerweise, selbst an heißen Tagen, seine Solltemperatur auf knapp 37 zu halten. Allerdings bedeutet Hitze immer auch Stress und vor allem bei hoher Luftfeuchtigkeit stößt irgendwann selbst unsere "Klimaanlage" an ihre Grenzen.
Was aber passiert dann? Und bei welchen Temperaturen stoßen Mensch, Tiere und Pflanzen an ihre Grenzen? Einen Überblick über Schwellenwerte und Anpassungsstrategien gibt uns Senthold Asseng von der Technischen Universität München. "Wir haben bevorzugte und schädliche Temperaturen bei Menschen, Rindern, Schweinen, Geflügel und landwirtschaftlichen Nutzpflanzen untersucht und herausgefunden, dass diese erstaunlich ähnlich sind", berichtet der Experte. Die Wohlfühltemperaturen für uns Menschen und unsere Nutztiere liegen demnach zwischen 17 und 24 Grad Celsius.
Wann wird es für den Menschen zu heiß?
Bei hoher Luftfeuchtigkeit beginnt eine leichte Hitzebelastung für den Menschen bei etwa 23 Grad und bei niedriger Luftfeuchtigkeit bei 27 Grad. „Wenn Menschen längere Zeit Temperaturen über 32 Grad bei extrem hoher Luftfeuchtigkeit oder über 45 Grad bei extrem niedriger Luftfeuchtigkeit ausgesetzt sind, kann das tödlich sein“, sagt Asseng. „Extremhitzeereignisse mit Temperaturen weit über 40 Grad, wie sie gerade an der amerikanischen Westküste zu beobachten sind, erfordern daher technische Unterstützung etwa in Form von klimatisierten Räumen.“
Zur Abschwächung der zunehmenden Hitzebelastung nennt Asseng weitere Strategien, etwa eine verstärkte natürliche Beschattung durch Bäume oder eine bauliche Beschattung. Auch Städte und Gebäude so umzugestalten, dass sie temperaturpassiver sind, beispielsweise durch hellere, reflektierende Dach- und Wandfarben oder eine verbesserte Wand- und Dachisolierung, kann die Hitzebelastung reduzieren.
Wie wirken sich hohe Temperaturen auf Nutztiere aus?
Ähnlich wie wir Menschen leiden auch unser Nutztiere unter zu großer Hitze. Das führt zu einem verringerten Wachstum von Rindern und Milchkühen, Schweinen, Hühnern und anderen Nutztieren, damit verbunden sinken die Erträge und Reproduktionsleistungen. Bei Rindern und Schweinen beispielsweise treten Hitzebelastungen ab 24 Grad bei hoher Luftfeuchtigkeit und ab 29 Grad bei niedriger Luftfeuchtigkeit auf. Als Folge kann die Milchleistung bei Kühen um 10 bis 20 Prozent sinken, und Mastschweine nehmen nicht mehr weiter zu.
Auch Hühner, Puten und anderes Geflügel spüren die Hitze und leiden darunter. Der für sie angenehme Temperaturbereich liegt bei 15 bis 20 Grad Celsius. Eine leichte Hitzebelastung erfahren Hühner bei 30 Grad Celsius, ab 37 Grad empfinden sie eine starke Hitzebelastung, und die Legerate geht zurück. Allerdings gibt es auch Geflügelrassen, die die Hitze deutlich besser abkönnen: „Die Siebenbürger Nackthühner sind wegen einer komplexen genetischen Mutation, die das Federwachstum unterdrückt, hitzetoleranter als andere Hühner. Sie sind von Natur aus klimatisiert, weil ihnen die Federn am Hals fehlen“, erklärt Asseng.
Wie erlebt die Pflanzenwelt große Hitze?
„Bei Nutzpflanzen scheinen die optimale Temperaturzone und die Temperaturschwellenwerte aufgrund von Unterschieden zwischen Arten und Sorten, vielfältiger zu sein“, sagt Asseng. Kaltzeitige Pflanzen wie Weizen gedeihen beispielsweise besser bei kühleren Temperaturen. Warmzeitige Pflanzen wie Mais sind zwar frostempfindlich, vertragen aber wärmere Temperaturen.
Anpassungsstrategien für Hitzestress beim Pflanzenbau sind Änderungen des Pflanzdatums, um Hitzestress später in der Saison zu vermeiden. Außerdem versuchen beispielsweise Obstbauern bereits, auf hitzetolerantere Sorten umzusteigen. Auch bei anderen wichtigen Nutzpflanzen wie dem Weizen oder Mais arbeiten Wissenschaftler daran, neue, besser angepasste Sorten zu entwickeln. Beim Wald wird zudem erforscht, welche Baumarten mit den für die Zukunft vorhergesagten höheren Temperaturen und der Trockenheit klarkommen.
Wie beeinflusst der Klimawandel das Leben auf der Erde?
Wenn der Klimawandel ungebremst so weiter geht, müssen wir damit rechnen, dass Hitzewellen und extreme Temperaturen in Zukunft immer häufiger werden. Das hat auch Folgen für die menschlichen Gesellschaften. „Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten 45 bis 70 Prozent der globalen Landfläche von Klimabedingungen betroffen sein, bei denen der Mensch ohne technische Hilfen, wie etwa Klimaanlagen, nicht mehr überleben kann. Derzeit sind es zwölf Prozent“, sagt Asseng. Das bedeutet, dass in Zukunft 44 bis 75 Prozent der menschlichen Bevölkerung chronisch durch Hitze gestresst sein werden.
Eine ähnliche Zunahme der Hitzebelastung ist für Vieh, Geflügel, Nutzpflanzen und andere lebende Organismen zu erwarten. „Eine genetische Anpassung an das geänderte Klima benötigt oft viele Generationen und die verfügbare Zeit ist für viele höhere Lebensformen zu kurz. Wenn die derzeitigen Klimaentwicklungen so weitergehen, könnten viele Lebewesen vom Temperaturwandel schwer betroffen sein oder sogar ganz von der Erde verschwinden“, resümiert der Experte.