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Tierische Strategien gegen die Kälte
Wenn uns Menschen zu kalt wird, beginnen wir schnell zu zittern. Die schnelle Bewegung der Muskeln erzeugt Wärme und hält unsere Körpertemperatur stabil. Normalerweise können uns zudem gut gegen Kälte schützen, indem wir uns etwas Warmes anziehen oder die Heizung hochdrehen. Gefährlich wird es allerdings dann, wenn wir dazu keine Chance haben, weil wir beispielsweise beim Bergsteigen verunglückt sind, uns in der Winternacht verirrt haben oder im Eis eines Sees eingebrochen sind. Kommt dann nicht schnell Hilfe, kann es kritisch werden.
Sinkt unsere Körpertemperatur auf unter 30 bis 32 Grad Celsius ab, hört das Zittern der Muskeln wieder auf, da der Körper seine Energiereserven verbraucht hat. Die Muskeln werden stattdessen steif und die Nerven betäubt. In diesem Unterkühlungszustand arbeitet auch das Gehirn langsamer und wichtige Stoffwechselprozesse im Körper werden gestoppt. Sinkt unsere Körpertemperatur schließlich bis auf 29,5 Grad Celsius, verlieren die meisten Unterkühlten das Bewusstsein und können ohne Hilfe sterben.
Wie gehen Tiere mit der Kälte um?
Während wir Menschen ohne Kleidung und Heizung im Winter schnell erfrieren würden, haben Tiere Strategien entwickelt, um den Winter auch ohne diese Hilfsmittel zu überstehen. So wandern Zugvögel bekanntlich in wärmere Gefilde ab. Andere Tiere, wie das Eichhörnchen, verfallen in Winterruhe und wachen nur bei Gefahren auf oder um sich an den angelegten Essensvorräten zu bedienen. Zudem gibt es auch einzelne Arten wie beispielsweise Hamster, die den gesamten Winter in einer geschützten Höhle verschlafen und dabei alle Körperfunktionen herunterfahren.
Doch für viele Insekten, Amphibien und Reptilien beginnt mit dem Winter ein besonders harter Kampf ums Überleben: Diese wechselwarmen Tiere können ihre Körpertemperatur im Gegensatz zu Säugern und Vögeln nicht auf einem bestimmten Wert halten, sondern sind mehr oder weniger von der Umgebungstemperatur abhängig. Fängt es also im Herbst und Winter an zu frieren, können diese Tiere nur dann überleben, wenn sie ihren Körper vor dem tödlichen Gefrieren schützen.
Vor Kälte erstarrt
Die meisten wechselwarme Tiere verfallen im Winter in die Winterstarre, in der keine Bewegungen möglich sind. Dabei ist ihre Körpertemperatur sehr niedrig und Herzschlag, Atmung und Stoffwechsel werden auf ein Minimum reduziert. Aus diesem fast todesähnlichen Zustand erwachen die Tiere nur, wenn sich die Umgebungstemperaturen wieder erhöhen.
Für diese Winterstarre suchen sich Eidechsen, Frösche und Co. geeignete, frostgeschützte Plätze. So zum Beispiel in feuchten Erdlöcher, in Höhlen unter Baumwurzeln, Hölzern oder Steinen oder auch in Spalten zwischen Steinen und Felsen. Einmal in die Starre gefallen, können die Tiere ihren Unterschlupf nicht mehr wechseln. Erstarren sie dabei an Orten, an denen die Umgebungstemperatur auf unter null Grad Celsius absinkt, erfrieren sie.
Einfrieren, aber nicht erfrieren
Das gilt aber nicht für alle wechselwarmen Tiere: Eine besondere Strategie haben beispielsweise die in Mississippi heimische Alligatoren aus der Gattung der Echten Alligatoren entwickelt. Sie lassen sich bei extremer Kälte vorübergehend in eisigen Gewässer einfrieren, wobei ihr Maul aus dem Eis ragt und sogar vereist. Mithilfe dieser skurrilen Anpassung können sie bis zu zwei oder gar drei Monate im Frost überleben.
Aber wie überleben sie das Einfrieren? Laut Experten wissen die Alligatoren instinktiv, wann das Wasser im Sumpf oder See gefriert und lassen sich bewusst in dieser Pose einfrieren. Mithilfe ihres Mauls bekommen sie während des Frosts weiterhin Sauerstoff. So können sie in ihren typischen Zustand - einer Art Winterruhe - fallen, bei der sie auf Nahrung verzichten, sich kaum bewegen und ihren Stoffwechsel herunterfahren, um Energie zu sparen und dadurch nicht zu unterkühlen.
Keine Chance für Eiskristalle
Einige Insekten wie die Marienkäfer haben noch eine weitere Strategie zum Frostschutz. Sie leeren ihren Darm im Winter aus und verringern so die Gefahr, dass sich Eiskristalle in ihren Körperflüssigkeiten bilden, wenn sie Frost ausgesetzt sind. Denn um zu gefrieren, benötigt Wasser Kristallisationskeime - winzige feste Partikel, an denen sich die Wassermoleküle anlagern und die die Ordnung für das Kristallgitter des Eises vorgeben. Fehlen solche Partikel, kann pures Wasser selbst Dutzende Grad unter Null noch flüssig bleiben.
Einen ähnlichen Trick verfolgen beispielsweise auch bestimmte Blattläuse. Sie ernähren sich von Pflanzensäften, die verhindern, dass die Kristalle bei eisiger Kälte im Körper der Tiere entstehen.
Eigene Frostschutzmittel
Für größere Tierarten reicht diese Strategie nicht aus, um ein Gefrieren zu verhindern. Sie ahben daher andere Anpassungen gegen Frost entwickelt. Beispielsweise produzieren manche Insekten und auch nordamerikanische Waldfrösche ein körpereigenes Frostschutzmittel - Traubenzucker. Schon im Spätherbst beginnt die Leber des Frosches mit der Produktion der Glukose. Als Folge steigt der Blutzuckerspiegel bis zum Winter auf das bis zu 250-fache des natürlichen Wertes an. Der Gefrierpunkt des Blutes sinkt dadurch auf unter minus vier Grad ab.
Einige Schildkrötenarten verbringen den Winter in Winterstarre und sind dabei durch eine erhöhte Glukosekonzentration in der Körperflüssigkeit vor dem Erfrieren bei frostigen Temperaturen geschützt. Zusätzlich können sie selbst am Grund des Gewässers Sauerstoff über ihre von vielen Blutgefäßen durchzogenen Papillen aufnehmen, welche sich im Mund und Rachenraum und sogar auf der Analblase befinden.
Eine weiteres natürliches Frostschutzmittel ist der Alkohol Glycerin. Wie anderen mehrwertige Alkohole auch verdickt Glycerin die Körperflüssigkeiten und erschwert damit die Eiskristallbildung. Eine in Alaska heimische Laufkäferart kann - dank extrem viel Glycerin im Blut - sogar Temperaturen von bis zu minus 80 Grad Celsius überstehen. Ebenfalls mit Hilfe von Glycerin überlebt auch die Larve eines arktischen Schmetterlings den Winter.
Anti-Eis-Eiweiße
Besonders angepasst sind auch arktische Fische oder der norwegische Borkenkäfer: Sie besitzen zwar kein eigenes Frostschutzmittel, aber stattdessen bestimmte Eiweiße im Blut - die sogenannten „Anti-Freeze-Proteins“ (AP). Wird es im Winter kalt, gefrieren zwar bis zu zwei Drittel der Körperflüssigkeit der Tiere zu kleinen Eiskristallen. Diese Eiweißmoleküle verhindern zwar nicht die Bildung von Eiskristallen. Mit ihrer speziellen korkenzieherartigen Struktur verhindern sie aber, dass die kleinen Kristalle weiterwachsen oder sich zu größeren Komplexen zusammenlagern. Dadurch werden Zell- und Gewebeschäden durch die Eiskristalle verhindert und derart angepasste Tiere überstehen das Einfrieren bei Minustemperaturen von unter zwanzig Grad Celsius.