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Kernkraftwerke: Hochkomplex und umstritten

Wie lässt sich aus der Uranspaltung Energie gewinnen?

Indem man die Spaltung im Rahmen einer Kettenreaktion ablaufen lässt. Natürliches Uran enthält drei Isotope. Isotope besitzen dieselbe Anzahl elektrisch positiver Kernteilchen (Protonen), aber unterschiedlich viele elektrisch neutrale Partikel (Neutronen). Über 99 Prozent des natürlichen Urans besteht aus Atomen mit der Massenzahl 238, also aus 238U (92 Protonen und 146 Neutronen), 0,7 Prozent aus 235U (mit 143 Neutronen), der Rest aus 234U. Die Isotope zerfallen spontan: Man spricht von radioaktivem Zerfall. Dabei werden einzelne Neutronen frei, die beim Zusammenprall mit anderen Urankernen wiederum Spaltungen auslösen könnten, aber solche »induzierten« Spaltungen kommen in der Natur kaum vor, weil die Konzentration des Urans in Gesteinen zu gering ist.

Eine wichtige Voraussetzung zur technischen Nutzung der Kernspaltung ist somit eine Anreicherung des Urans. 238U ist aber nicht für eine Kettenreaktion geeignet, weil es sich durch die Aufnahme von Neutronen in Plutonium umwandelt. Man benötigt 235U, in dem aber nur langsame, sog. thermische Neutronen eine Spaltung auslösen können. Die bei Spaltungen frei werdenden Neutronen besitzen eine zu hohe Geschwindigkeit und müssen daher abgebremst werden. Treffen thermische Neutronen auf einen 235U-Kern, bildet sich 236U, das sofort in zwei kleinere Kerne und zwei bis drei Neutronen zerplatzt. Dringen diese – nach Abbremsung – in andere 235U-Atome ein, werden bereits vier bis sechs weitere Neutronen frei, die ihrerseits Spaltprozesse anregen können: Die Kettenreaktion ist ausgelöst. Und bei jeder Spaltung wird Energie frei.

Wie wird die Kettenreaktion aufrechterhalten?

Durch sog. Moderatoren, mit denen Zahl und Geschwindigkeit der im Reaktorkern umherschwirrenden Neutronen gesteuert werden können. Ziel ist es, die für die Spaltung von 235U benötigten thermischen Neutronen in genügend großer Zahl bereitzustellen. Geeignete Moderatorstoffe sind beispielsweise Wasser und Graphit. In diesen Stoffen werden schnelle Neutronen durch Stöße abgebremst, langsame dagegen werden kaum beeinflusst.

Was sind Brennstäbe?

In ihnen findet die Kettenreaktion statt. Sie sind aus mehreren Scheiben (auch Tabletten oder Pellets genannt) aufgebaut, die aus Urandioxid bestehen und eine lange Säule bilden. Damit genügend 235U für die Kettenreaktion zur Verfügung steht, wird es bei der Brennstabherstellung angereichert, so dass sein Anteil am Pelletmaterial mindestens drei Prozent beträgt. 50 bis einige Hundert Brennstäbe bilden ein Brennelement, mehrere Brennelemente den Reaktorkern. Zwischen den Brennstäben befinden sich neben dem Moderator die sog. Steuerstäbe. Diese bestehen aus einem Material, das Neutronen abfängt, wie beispielsweise Bor, Cadmium oder Hafnium. Werden die Steuerstäbe in den Reaktorkern eingefahren, verringert sich die Kettenreaktion, sind sie ganz hineingeschoben, kommt die Kettenreaktion zum Stillstand, beim Herausziehen wird sie wieder in Gang gesetzt.

Übrigens: Jährlich muss etwa ein Drittel der Brennelemente ausgetauscht werden. Ausgediente Brennelemente lässt man zunächst für einige Jahre in einem Abklingbecken abkühlen. Wird – wie in Deutschland – auf die Wiederaufbereitung verzichtet, kommen die Brennelemente anschließend in ein Zwischenlager. Transportiert werden sie in den sog. CASTOR-Behältern, in denen sie auch im Lager verbleiben. Von dort müssten sie eigentlich nach etwa 40 Jahren in ein Endlager gebracht werden – ein solches Lager gibt es aber bis heute nicht.

Setzen Kernkraftwerke Radioaktivität frei?

Ja, allerdings im Normalbetrieb nur zwischen einem Tausendstel und einem Zehntausendstel der natürlichen Radioaktivität.

Fürchterliche Folgen kann ein Ausfall der Kühlung haben – wie beim Unfall in Tschernobyl 1986: Das dort verwendete Druckröhrenkraftwerk setzte Graphit zur Moderation ein, das, neben den Wasserrohren für das Kühlwasser, in Stäben durch die Brennelemente geführt wurde. Nach dem Ausfall der Wasserkühlung klemmten die Stäbe fest. Die Moderation fachte die Kettenreaktion weiter an, bis das schmelzende Uran mit Restwasser eine Dampfexplosion auslöste. Anders bei Wassermoderation: Hier steigt beim Ausfall der Kühlung die Temperatur an, das Wasser verdampft und die Moderation fällt aus. Die nun schnellen Neutronen können das Uran nicht mehr spalten, die Kettenreaktion bricht ab.

Was ist Kernfusion?

Bei der Kernfusion werden leichte Atomkerne miteinander verschmolzen, und es wird Energie frei. Nach diesem Prinzip erzeugt auch die Sonne ihre Energie. Dort werden jeweils vier Wasserstoffkerne zu einem Heliumkern verschmolzen, und zwar ergeben 1000 Gramm Wasserstoffkerne 993 Gramm Heliumkerne, die Differenz von sieben Gramm wird als Energie abgestrahlt. Dieser Fusionsprozess lässt sich nicht so einfach in Laboratorien oder Reaktoren auf der Erde nachbilden. Hier verwendet man – bisher aber nur in Experimenten – nicht gewöhnlichen Wasserstoff, sondern Deuterium (D) und Tritium (T), zwei Isotope des Wasserstoffs mit einem bzw. zwei Neutronen. Die Fusion von Deuterium und Tritium (»D-T-Reaktion«) könnte eine Energie von 100 Millionen Kilowattstunden pro Kilogramm D-T-Gemisch liefern!

Was brütet ein Brutreaktor aus?

Spaltbare Isotope, die das nur begrenzt vorhandene 235Uran ersetzen könnten. Speziell konstruierte Reaktoren können aus dem häufig vorkommenden 238Uran oder 232Thorium spaltbare Isotope durch Kernreaktionen »erbrüten«. Der einzige deutsche Versuchsreaktor dieser Art stand in Kalkar. Aus technischen Gründen und angesichts der anhaltenden öffentlichen Proteste wurde der »schnelle Brüter« jedoch nie in Betrieb genommen. Denn die Brütertechnologie erfordert den Umgang mit großen Mengen Plutoniums, das sowohl waffenfähig als auch außerordentlich giftig ist.

Wussten Sie, dass …

die Sonne schon seit mindestens fünf Milliarden Jahren Kernfusion »betreibt«? Alle Forschungslaboratorien der Welt kommen zusammen auf nur wenige Sekunden.

die Verbrennung von einem Kilogramm Steinkohle acht Kilowattstunden Energie liefert, die Spaltung von einem Kilogramm Uran 23 Millionen Kilowattstunden?

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