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Küsten: Berührung von Meer und Land

Gibt es eine klare Grenze zwischen Meer und Land?

Jeder würde denken, dass Meer und Land natürlich deutlich voneinander abgegrenzt werden können. Aber das ist nicht der Fall.

Den Grenzbereich zwischen Land und Meer bezeichnet man als Küste; doch ist es schwierig, hier eine eindeutige Berührungslinie festzulegen. Augenscheinlich ist es die Wasserstandslinie, die aber durch Wellenbewegungen und die Gezeiten ständigen Schwankungen unterworfen ist. So wurde eine theoretische Grenze, die Ufer- oder Strandlinie, definiert, die z. B. an Gezeitenküsten mit der Linie des mittleren Hochwasserstandes zusammenfällt. Die Uferlinie trennt die beiden Hauptzonen der Küste, die landeinwärts bis zur obersten Meereseinwirkung und seewärts bis zur Brandungseinwirkung am Meeresboden reicht. Dementsprechend ergeben sich große Unterschiede zwischen einer Flachküste mit ihren weiten Übergängen und den Steilküsten, wo das Festland an einer steilen Kliffwand direkt ins Meer übergeht.

Auf welche Weise verändert sich eine Küste?

Einige Küsten verlieren ständig Material an das Meer: Das heißt also, sie erodieren. An anderen Stellen wird dieses Material wieder angelagert. Augenfällig sind die täglichen und lokalen Veränderungen, die von Gezeiten, Wind und Wellen verursacht werden. Die zerstörerischen Kräfte des Meeres, Verwitterung und Abtragung, küstennahe Meeresströmungen, von Flüssen transportierte Sedimente oder Meeresspiegelschwankungen verändern ebenfalls den Küstenverlauf. Auch Korallenriffe können von der Küste aus ins Meer vordringen und somit die Küstenlinie umformen.

Welche Rolle spielen Klimaveränderungen?

Eine maßgebliche: In der Erdgeschichte kam es durch Klimaveränderungen immer wieder zu solchen sog. eustatischen Schwankungen des Meeresspiegels.

In Eiszeiten wurde Wasser in Form von Schnee, Firn oder Eis gebunden, was zur Senkung des Meeresspiegels und damit zum Rückzug des Meeres (Regression) führte. In Warmzeiten kommt es durch Eisschmelze und Wasserabfluss zu einem weltweiten Anstieg des Meeresspiegels und zur Überflutung von Küsten (Transgression). Das Meer dringt in Tallandschaften ein und schafft Riasküsten – »ertrunkene« Flusstäler alter Gebirgslandschaften wie in Nordwestspanien – oder überflutet von Gletschern geprägte Täler wie an den Fjordküsten Norwegens.

Was geschah am Ende der Eiszeit?

An den Stellen, wo das Festland stärker gehoben wurde als der Meeresspiegel durch die schmelzenden Eismassen anstieg, entstanden Regressionsküsten. Das ist z. B. in den ehemals von mächtigen Eispanzern bedeckten Gebieten wie Kanada oder Skandinavien der Fall. Abschmelzendes Eis und die damit einhergehende Druckminderung haben das Land örtlich sich mehrere hundert Meter heben lassen. Bis heute ist dieser isostatische Ausgleichsbewegung genannte Vorgang nicht abgeschlossen, und immer noch werden Strände und Kliffs langsam landeinwärts verlagert. Vom alten Küstenverlauf zeugen dann diese Strandwälle oder Kliffs, die sich schon lange nicht mehr an der Küste befinden.

Welche Kräfte formen eine Steilküste?

In erster Linie nagt das Meer an den Steilküsten. Brandungswellen prallen mit solcher Wucht auf das Hindernis, dass nicht einmal starker Fels diesen enormen Kräften auf Dauer standhalten kann. Die Wellen türmen sich auf, entreißen dem Kliff tonnenschwere Blöcke und schleudern ihm Brandungsgeröll entgegen. Hinzu kommt die zersetzende chemische Wirkung des Salzwassers, die Gesteine verwittern lässt. Den Fuß des Kliffs trifft es jedoch am härtesten. Hier bilden die Wellen im Lauf der Zeit eine sog. Hohlkehle, bis die überhängenden Schichten abstürzen. So wird die Steilküste mit der Zeit immer weiter landeinwärts verlagert. Vor dem Kliff bleibt eine leicht gegen das Meer geneigte, von Gesteinstrümmern übersäte Fläche zurück, die Abrasionsplatte oder Schorre.

Übrigens: Besonders schnell frisst sich das Meer ins weiche Kreidegestein hinein wie an der britischen Kanalküste oder auf Rügen – hier schwinden im Durchschnitt 25 cm im Jahr. An Küsten jedoch, wo der Fels besonders widerstandsfähig ist, bleiben einzelne Klippen als Wellenbrecher in der Brandungszone stehen.

Wo bilden sich Strände?

Bei besonders geringem Gefälle in der Küstenzone bildet sich eine Flachküste. Die Wellen laufen am Ufer aus und hinterlassen beim Rückfluss das aus dem Meer mitgeführte Material – Sand, Kies oder Geröll –, das den Strand bildet. Da sich die Wellen meist schräg auf die Küste zubewegen, das Wasser dem Gefälle folgend aber senkrecht ins Meer zurückfließt, werden die Gerölle abhängig von Windrichtung und Strömungsverhältnissen an der Küste entlang verlagert (sog. Strandversetzung).

Durch den so im Zickzack verlaufenden Materialtransport werden Meeresbuchten abgeschnürt, Nehrungen und Ausgleichsküsten gebildet. Treffen die Wellen senkrecht auf die Küste, staut sich das Meerwasser. Dadurch entstehen starke Unterströmungen, die erhebliche Sandmengen ins tiefere Meer zurückspülen können. Im äußersten Auslaufbereich der Brandungswellen bildet sich allmählich ein Strandwall, stark auflandiger Wind kann feinen Sand zu meterhohen Dünen auftürmen.

Woher kommt der Sand am Strand?

Flüsse sind die größten Sandtransporteure an den Meeresküsten. Bevor der Sand aus den Flussmündungen an die umliegenden Strände gespült wird, bildet sich an manchen Flachküsten ein Delta. Mündet das (fließende) Süßwasser in das (stehende) Meerwasser, endet die Transportkraft, und die Flussfracht lagert sich ab. Sand entsteht aber auch dort, wo Kliffe erodieren oder Korallenriffe und Muschelbänke von der Kraft des Wassers zerschmettert und zermahlen werden.

Unter welchen Bedingungen entsteht Watt?

Ein Watt kann sich nur unter bestimmten Konstellationen im Wirkungsbereich der Gezeiten an seichten Küstenregionen bilden. Die Gezeiten und ihre Strömungen sorgen dafür, dass zweimal innerhalb von 24 Stunden große Flächen überflutet werden und wieder trockenfallen. Diese speziellen Bedingungen finden sich nur entlang eines kleinen Teils der weltweit hunderttausende von Küstenkilometern.

Die mit einer Ausdehnung von über 9000 km² größte zusammenhängende Wattenlandschaft der Erde ist das Gebiet entlang der nordwesteuropäischen Festlandsküste. Als 500 km langer und 10 bis 30 km breiter Streifen zieht sie sich von Den Helder in den Niederlanden entlang der deutschen Küste bis nach Esbjerg in Dänemark. Vergleichbare Bedingungen finden sich aber auch in anderen Regionen, beispielsweise an der nordamerikanischen Ost- und Westküste oder der englischen und französischen Nordseeküste. Ein echtes Wattenmeer von knapp 3000 km² Ausdehnung gibt es an der Westküste Südkoreas.

Wo wachsen Mangroven?

In den Gezeitenbereichen tropischer Küsten findet man regelrechte Wälder von Mangroven, salztoleranten Pflanzen, mit ihrem dichten Geflecht von hohen Stelzwurzeln. Das Hochwasser erreicht normalerweise zumindest den unteren Kronenbereich, während bei Niedrigwasser der Boden unter den Mangroven und meist auch die vorgelagerten Bereiche trockenfallen. Weitere Voraussetzung für das Gedeihen der Mangroven ist der Schutz vor starken und kalten Strömungen, weshalb sie vorwiegend in Buchten, hinter vorgelagerten Korallenriffen und im Bereich von Flussmündungen wachsen.

In den Mündungsbereichen sedimenthaltiger Flüsse, die sich durch das mitgeführte Material immer weiter ins Meer vorschieben, kann die Mangrove große Ausmaße erreichen. Ins öffentliche Bewusstsein gerückt sind die Mangrovenwälder nach den großen Tsunami-Katastrophen der vergangenen Jahre im Indischen Ozean; einmal mehr haben sie ihre Bedeutung für den Küstenschutz herausgestellt. Denn der oft kilometerbreite Verhau von Baumkronen und Luftwurzeln zersiebt den zerstörerischen Schub der Riesenwelle.

Wie kann man Küsten sichern?

An Steilküsten sind die Schutzmaßnahmen schwierig, weil die Brandung unmittelbar auf das Kliff trifft. Deshalb versucht man, die Kraft der Brandung schon vorzeitig zu brechen. Schutzmauern und senkrecht zur Küstenlinie ins Meer geführte Steindämme, sog. Buhnen, stellen sich den Küstenströmungen in den Weg und verhindern den Abtransport der vom Kliff herabgestürzten Trümmer.

Am Strand, der nur gelegentlich vom Meer überflutet wird, haben sich vierfüßige Betonklötze, sog. Tetrapoden, mehr oder weniger bewährt. Durch ihr Gewicht und ihre Form bleiben sie an Ort und Stelle liegen und begünstigen Sandanlagerungen. Allerdings hat sich gezeigt, dass dann an anderen Stellen der Küste wegen der Strömungsveränderungen ein verstärkter Abbruch erfolgt. Eine andere Methode zum Schutz sandiger Küsten sind lockere Sandanhäufungen. Zwar werden sie innerhalb weniger Jahre wieder weggespült, lassen sich dann aber vom Seegrund erneut ergänzen.

Was schützt vor den Fluten des Meeres?

Um das Hinterland vor Hochwasser und Sturmfluten zu schützen, errichtet der Mensch bereits seit Jahrhunderten an besonders gefährdeten Küstenabschnitten Deiche und Schutzwälle. In den Niederlanden, wo immerhin 40 % des Landes unter dem Meeresspiegel liegen, wurden darüber hinaus durch Sperrwerke einige Mündungsarme von Flüssen vollkommen vom Meer abgeriegelt. In der Oosterschelde regelt z. B. ein Flutwehr mit über 60 Toren die Hochwasserstände. Ähnliche Bauwerke finden sich aber auch an der Themse, an der Eider oder an der Ems.

Was ist eigentlich ...

eine Schärenküste? Schären sind in den Eiszeiten entstandene Rundhöckerlandschaften, die heute als kleine Inseln aus dem Meer herausragen.

eine Boddenküste? Bodden sind seichte Buchten, die durch Eindringen des Meeres in junge Grundmoränenlandschaften kurz nach dem Ende der letzten Eiszeit entstanden.

eine Fördenküste? Eine Förde ist eine tief in das Festland einschneidende Meeresbucht, entstanden durch die Überflutung nacheiszeitlicher Schmelzwasserrinnen.

eine Cala- oder Canaleküste? Dabei handelt es sich um abgetauchte Flussmündungen und Täler in Kettengebirgen.

Wussten Sie, dass …

die Küstenlinie weltweit etwa 440 000 km misst? Mit den Ufern der zahlreichen Inseln sind es mehr als 1 Mio. km.

der Meeresspiegel in den letzten 18 000 Jahren um etwa 130 cm gestiegen ist? Die meisten Küsten der Erde sind deshalb noch sehr jung.

sich das Meeresniveau um jeweils 1 mm ändert, wenn die Lufttemperatur auf der Erde um 1 °C steigt oder fällt? Verändert sich dagegen die Wassertemperatur der Meere um nur 1 °C, steigt oder fällt der Meeresspiegel um 60 cm. Zurzeit steigt der Meeresspiegel um 2–3 mm pro Jahr.

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