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Depressiv durch Facebook und Co?

Toller Urlaub, süße Kinder, leckeres Essen: In den sozialen Netzwerken zeigen die meisten Nutzer ihr Leben nur von der Sonnenseite. Wer sich hier umschaut, dem kann der eigene Alltag leicht langweilig und trostlos erscheinen. Welche Folgen aber hat das? Eine Studie bestätigt nun, dass der ständige Vergleich über Facebook und Co das Selbstwertgefühl schwächt. Unter bestimmten Bedingungen scheint dadurch sogar das Risiko für Depressionen zu steigen - vor allem passive Nutzer sind den Forschern zufolge gefährdet.
Ruhr-Universität Bochum / DAL, 25.07.2019

Die Nutzung von Social Media nimmt weiterhin rasant zu. Und nahezu die Hälfte aller Deutschen ist dort täglich aktiv.

thinkstock.com, Michael Blann

Soziale Netzwerke bestimmen den Online-Alltag von Millionen Menschen weltweit. Dass der Austausch über Facebook, Instagram und Co dabei nicht nur positive Auswirkungen hat, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Längst diskutieren Öffentlichkeit und Wissenschaft darüber, wie beispielsweise Filterblasen- und Echokammer-Effekte die Weltsicht der Nutzer verändern. Und auch der Einfluss sozialer Medien auf das seelische Wohlbefinden ist immer wieder Thema.

Denn Studien deuten unter anderem darauf hin, dass zu viele Facebook-Freunde vor allem bei Jugendlichen Stress verursachen. Außerdem scheint die intensive Nutzung der Plattformen unglücklich machen zu können und Gefühle von Einsamkeit zu fördern. Manche Forscher vermuten sogar, dass der ständige Vergleich mit den vermeintlich perfekten anderen Usern depressive Tendenzen hervorrufen kann. Ob dies wirklich stimmt, ist allerdings strittig.

Einfluss auf das Selbstwertgefühl

Weitere Belege für diese Annahme liefert nun ein Wissenschaftlerteam um Philip Ozimek von der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Um das Gefährdungspotenzial durch Facebook und Co abzuschätzen, haben die Forscher mehrere Untersuchungen durchgeführt. Zunächst erfassten sie mithilfe eines Experiments die kurzfristigen Effekte von sozialen Medien auf das Selbstwertgefühl.

Im Versuch sollten zwei Gruppen von Studienteilnehmern fünf Minuten lang entweder auf ihrer Facebook-Pinnwand oder auf der Mitarbeiterwebseite einer Fakultät der RUB Informationen über die ersten fünf Personen herausschreiben, die sie sahen. Eine dritte Gruppe übersprang diese Aufgabe. Alle drei Gruppen füllten danach einen Fragebogen aus, der über ihr Selbstwertgefühl Auskunft gab.

Die in vielen sozialen Netzwerken übliche Konfrontation mit gefilterten, ausschließlich positiven Informationen führt zumindest zeitweise zu einem geringeren Selbstwertgefühl.

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Langfristiger Effekt?

Das Ergebnis: "Es hat sich gezeigt, dass die Konfrontation mit sozialen Informationen im Internet – die sowohl auf Facebook als auch auf Mitarbeiterseiten selektiv und nur vorteilhaft sind – zu einem geringeren Selbstwertgefühl führt", erklärt Ozimek. Da ein niedriges Selbstwertgefühl eng mit depressiven Symptomen zusammenhängt, sehen er und seine Kollegen schon in diesem kurzfristigen Effekt eine mögliche Gefahrenquelle.

Doch wie wirkt sich die Nutzung sozialer Netzwerke langfristig aus? Dieser Frage gingen die Forscher mithilfe von Fragebogenstudien nach. Dabei befragten sie 800 Personen zur ihrer Facebook-Nutzung und ihrer Neigung, sich mit anderen zu vergleichen. Außerdem versuchten sie Informationen über das Selbstwertgefühl und das Auftreten depressiver Symptome zu ermitteln. Würde sich ein Zusammenhang zwischen dem Nutzungsverhalten und dem seelischen Zustand der Probanden offenbaren?

Wer sein Alltagsleben mit ausgewählten Schnappschüssen aus dem Leben anderer Menschen vergleicht, hat auf Dauer ein Problem.

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Art der Nutzung ist entscheidend

Die Auswertungen zeigten, dass es tatsächlich eine Verbindung zwischen der Facebook-Nutzung und dem Hang zu Depressionen zu geben scheint. Dies galt allerdings in erster Linie bei Personen, die das Netzwerk hauptsächlich passiv nutzten, also nicht selbst posteten, und die ein verstärktes Bedürfnis nach sozialen Vergleichen hatten.

"Wenn ich ein starkes Bedürfnis nach Vergleichen habe und im Internet immer wieder auf meiner Startseite sehe, dass andere tolle Urlaube haben, tolle Abschlüsse machen, sich teure und tolle Dinge kaufen, während ich aus meinem Büro das trübe Wetter draußen sehe, senkt das meinen Selbstwert", konstatiert Ozimek. "Und wenn ich dies Tag für Tag und immer wieder erlebe, kann das langfristig höhere depressive Tendenzen begünstigen." Wie die Wissenschaftler herausfanden, gilt dieser Zusammenhang nicht nur für private Netzwerke. Auch professionelle Netze wie Xing können demnach ganz ähnliche Effekte auf das Selbstwertgefühl haben wie Facebook und Co.

"Absoluter Trugschluss"

"Insgesamt konnten wir zeigen, dass nicht die Nutzung sozialer Netzwerke generell zu Depressionen führt, sondern dass gewisse Voraussetzungen und eine bestimmte Art der Nutzung das Risiko für depressive Tendenzen erhöhen", resümiert Ozimek. "Wichtig ist, dass dieser Eindruck, dass es alle besser haben, ein absoluter Trugschluss sein kann", so der Psychologe. "Tatsächlich posten nur die wenigsten Menschen auch negative Erlebnisse und Erfahrungen in sozialen Medien."

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