wissen.de Artikel
Emigration nach Amerika – zwischen Bangen und Hoffen
Halb zwang sie das Elend von zu Hause weg in die Ferne, halb lockte sie das gelobte Land Amerika: 33 Millionen Europäer wanderten zwischen 1815 und 1914 in die Vereinigten Staaten aus.
Erlebnisgeschichte am Hafen
Viele von ihnen bestiegen ihr Schiff in Bremerhaven, dem größten Auswanderungshafen Deutschlands und einem der wichtigsten überhaupt. Für 7,2 Millionen Menschen war die Stadt an der Wesermündung zwischen 1830 und 1974 Ausgangspunkt für die Emigration mit Ziel USA. Neben 3,7 Millionen Deutschen wählten fast ebensoviele Ost- und Südosteuropäer diese Durchgangsstation für ihren Weg in die neue Welt.
Errichtet an authentischem Ort direkt am Hafen hat am 8. August das Deutsche Auswandererhaus Bremerhaven (DAH) seine Tore geöffnet. Es führt den Besucher durch die Stationen der Auswanderung: Vom Abschied und Aufbruch im Morgengrauen und der oftmals elenden Atlantiküberquerung im Zwischendeck bis hin zur Ankunft auf Ellis Island, der “Insel der Tränen“ im Hafen von New York, wo zwischen 1892 und 1954 jeder Immigrant von den US-Behörden überprüft wurde, bevor er Amerika betreten durfte. Das DAH nimmt für sich in Anspruch, Europas größtes Erlebnismuseum zu den Themen historische Auswanderung und aktuelle Migration zu sein und das europäische Gegenstück zum weltweit bekannten Einwanderungsmuseum auf Ellis Island.
Als “Public-Private-Partnership“ realisiert, wurde das Museum zwar von der öffentlichen Hand finanziert, wird aber privatwirtschaftlich betrieben. Inhaltlich sollen drei Säulen den Betrieb tragen: die Dauerausstellung zur historischen Auswanderung, das Forum Migration, in dem man selbst recherchieren kann und schließlich Sonderausstellungen und Veranstaltungen.
Abschied an der Kaje
Im prägnanten Museumsbau, der selbst an ein großes Schiff erinnert, können die Besucher durch aufwändige Inszenierungen hautnah erleben, was es bedeutet, auszuwandern. Man kann man durch die Jahrhunderte streifen, die Lebensgeschichten von Auswanderern und ihren heutigen Nachkommen in den USA erfahren und sich in die Gefühle der Emigranten hineinversetzen etwa wenn man eine in Originalgröße nachgebaute Abschiedsszene an der Kaje betrachtet, einschließlich lebensgroßer Figuren und einem alten Dampfer. Ausgewählte historische Figuren begleiten durch die Ausstellung und veranschaulichen Motive, Bedingungen und Auswirkungen der Emigration.
Persönliche Spurensuche
Einen besonderen Service bietet das Forum Migration: Neben der Darstellung aktueller Aspekte globaler Migration lädt es nämlich zur persönlichen Spurensuche nach ausgewanderten Vorfahren und der Herkunft des eigenen Namens ein. Sinnlich fassbar wird das in der “Galerie der 7 Millionen“, wo alle Auswanderer aus Bremerhaven verzeichnet sind. Recherchieren kann man über Datenbanken und Archive. Dieser Service richtet sich naturgemäß auch und gerade an US-Bürger, denn immerhin haben gut 43 Millionen Amerikaner deutsche Vorfahren. Um das Museum auch jenseits des großen Teichs bekannt zu machen, hat das DAH denn auch schon vor seiner Eröffnung mit einer Ausstellung im Ellis Island Immigration Museum auf sich aufmerksam gemacht.
Schicksale
Dass Auswanderung letztlich immer persönliche Schicksale über mehrere Generationen prägt, zeigt das Beispiel eines Amerikaners aus Missouri, der bei einem Preisausschreiben des DAH seine Familiengeschichte einschickte und eine Reise nach Deutschland gewonnen hat. Im Museum kann man jetzt seine Ur-Ur-Großmutter kennenlernen: 1836 geboren, wird sie nur 37 Jahre alt. Sie ist 4, als ihre Familie nach Amerika auswandert und sich in Missouri niederläßt. Mit 17 Jahren heiratet sie ihren ersten Mann, der in den Wirren des Amerikanischen Bürgerkriegs erschossen wird. Insgesamt hatte sie in zwei Ehen zehn Kinder - neun Töchter und einen Sohn geboren, von denen fünf im Kindesalter sterben. Ihre Tochter, die Urgroßmutter des Gewinners dagegen wird 88 und stirbt 1951.
Zielgruppe Schüler
Eine der Hauptzielgruppen des Museums sind Schulklassen, Kinder- und Jugendgruppen, für deren Bedürfnisse ein besonderes Programm konzipiert worden ist. Ausgehend von den Themen “historische Auswanderung“ und “aktuelle Migration“ umfasst das museumspädagogische Angebot inhaltliche Schwerpunkte für den Zeitraum 19.- 21. Jahrhundert. Alle wichtigen historischen Aspekte der Auswanderung, wie die Emigration aus wirtschaftlichen und politischen Gründen im 19. Jahrhundert, die Verfolgung im Nationalsozialismus und auch die Auswanderung nach 1950 werden ausführlich dargestellt.
Letztlich wird die Zukunft zeigen, ob das Deutsche Auswandererhaus ein Raum für eher nostalgische “Erlebnisgeschichte“ wird oder ob es auch seinen Anspruch einlösen kann, neben der Dokumentation der historischen Emigration die aktuellen globalen Wanderungsbewegungen und das Zusammenleben der Kulturen zu beleuchten.