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Impfpflicht: Wie kann sie aussehen?

Die Impfung gegen Covid-19: Kaum ein anderes Thema löst so viele Diskussionen aus. Und kaum eine andere Maßnahme kann den Verlauf der Corona-Pandemie so nachhaltig beeinflussen. Doch sollte man die Impfung deswegen zur Pflicht machen? Wie könnte eine solche Impfpflicht konkret aussehen? Und ist das überhaupt rechtens? Was geht und wie, macht nun als erstes Österreich vor.
JFR, 02.02.2022

Muss sich in Zukunft jeder und jede gegen SARS-CoV-2 impfen lassen?

GettyImages, kovop58

Am 04. Februar 2022 tritt in Österreich eine Impfpflicht gegen Corona in Kraft. Sie wurde  zwei Wochen zuvor vom österreichischen Parlament beschlossen. Sie gilt für alle über 18-Jährigen, wobei Schwangere oder Personen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, ausgenommen sind.

Damit ist Österreich in Europa ein Vorreiter, denn so weit ist bisher noch kein Land gegangen. Nur in Griechenland und Italien gilt bisher eine Covid-19-Impfpflicht für Über-60-Jährige. Aber wie genau setzt Österreich die Pflicht zum Impfen um?

Österreich macht es vor

In Österreich wird natürlich niemand von Ordnern festgehalten und bekommt den Pieks gegen seinen Willen. Es ist immer noch eine Impfpflicht und kein Impfzwang. Stattdessen regelt der österreichische Staat die Impfpflicht über Geldstrafen und Melderegister in drei Phasen:

Von Anfang Februar bis zum 15. März 2022 haben alle Personen die Möglichkeit, sich mit den für sie vorgesehenen Impfungen gegen das Coronavirus schützen zu lassen. Ab dem 15. März kontrolliert dann die Polizei in der zweiten Phase die Impfzertifikate stichprobenartig. Wer keine gültige Impfung nachweisen kann, bekommt eine Anzeige. Wird dann innerhalb von zwei Wochen kein gültiges Zertifikat nachgereicht, werden Geldstrafen von 600 Euro fällig. Wird dieser Geldstrafe ebenfalls nicht nachgekommen, liegen die Strafen bei bis zu 3.600 Euro.

Zu einer dritten Phase soll es laut dem österreichischen Kanzler Karl Nehammer nur kommen, wenn das Land die angestrebte Herdenimmunität von 90 Prozent gegen Covid-19 Geimpften nicht erreicht. Dann soll für immer noch nicht-geimpfte Personen per Verordnung ein Termin für die Impfung festgelegt werden, den die Betroffenen per Brief erhalten. Wer diesen nicht wahrnimmt, dem drohen weitere Strafen.

Am kommenden Freitag, dem 4. Februar 2022, tritt in Österreich eine Impfpflicht gegen Corona in Kraft, die erste derartige Rgelung in Europa.

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Anstatt zu zahlen, lieber was gewinnen

Eine zusätzliche Motivation zum Impfen soll in Österreich durch eine Impflotterie geschaffen werden. Insgesamt eine Milliarde Euro will die österreichische Regierung dafür zur Verfügung stellen. Teilnehmen können nur Personen, die bereits geimpft sind. Dabei kann jede Teilimpfung als Los verstanden werden, so dass Geboosterte schon drei Gewinnchancen haben. Zum Beispiel eine fünfköpfige Familie, die jeweils drei Impfungen erhalten hat, besitzt nach einer Anmeldung zur Impflotterie 15 Lose. Die Wahrscheinlichkeit einen Gutschein zu gewinnen, ist damit ziemlich hoch, denn etwa jede zehnte Impfung wird vom Staat belohnt. Im Fall eines Gewinns werden die Geimpften mit Gutscheinen im Wert von 500 Euro belohnt, die in der Gastronomie oder im Handel eingelöst werden können.

Neben der Impflotterie soll es Prämien für jede Gemeinde geben, die umso höher ausfallen, je mehr Menschen geimpft sind. Eine österreichische Gemeinde mit 3.000 Einwohnern erhält zum Beispiel 30.000 Euro bei einer Impfquote von 80 Prozent, während bei einer Impfquote von 90 Prozent schon 120.000 Euro ausgeschüttet werden. Das Geld soll zum einen eingesetzt werden, um Werbung für die Impfung zu machen, aber kann auch in eigene Projekte wie Sport- oder Spielplätze investiert werden.

Wie sieht es rechtlich aus?

Um zu verstehen, wie eine Impfpflicht rechtlich begründet werden kann, kann ein Blick ins Grundgesetz helfen: Artikel 2 des deutschen Grundgesetzes besagt: "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich." Das lässt sich zum einen so verstehen, dass niemand in die körperliche Selbstbestimmung reinreden darf.

Allerdings steht in diesem Artikel auch: "In diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden". Und genau so ein Gesetz kann wieder mit Artikel 2 begründet werden. Denn die Menschen haben auch ein Recht darauf, körperlich unversehrt zu bleiben, indem sie sich nicht anstecken und ein funktionierendes Gesundheitssystem haben. Der Staat dürfe daher in Grundrechte eingreifen, um die Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsgütern zu schützen, sagte Ulrich Becker vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München gegenüber dem MDR.

Impfpflicht in Deutschland

Am 10. Dezember 2021 hat der deutsche Bundestag und Bundesrat das "Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19" beschlossen und damit eine Impfpflicht für bestimmte Einrichtungen wie Kliniken, Pflegeheime, Arztpraxen und Rettungsdienste. Ab dem 16. März 2022 können demnach Menschen ohne den Nachweis einer Impfung oder dem Nachweis, dass sie nicht geimpft werden können, in diesen Bereichen nicht mehr arbeiten.

Eine generelle Pflicht zur Impfung gegen das Coronavirus gibt es dagegen bei uns nicht - und ob es sie künftig geben sollte, ist stark umstritten. Noch Mitte 2021 schlossen viele Politiker eine Impfpflicht grundsätzlich aus. Angesichts steigender Infektionszahlen und einer noch immer zu geringen

freiwilligen Impfbereitschaft, wechselte die Stimmung jedoch. Ende November 2021 versprach dann Bundeskanzler Olaf Scholz eine allgemeine Impfpflicht spätestens ab Anfang März.

Einen ersten Schritt Richtung Impfpflicht macht der Bundestag aktuell mit einer Orientierungsdebatte. Ob sich allerdings eine Impfpflicht hierzulande durchsetzen wird und ob diese Maßnahme dann überhaupt noch etwas gegen die Pandemie bringt, bleibt abzusehen. Schnell gehen wird es jedenfalls nicht: Eine Bundestagssitzung zu diesem Thema findet erst wieder am 8. April 2022 statt – und ob dann eine Abstimmung erfolgt und worüber, ist offen.

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