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Kritischer Konsum: So geht nachhaltiges Ausmisten

Weniger ist mehr – dieses Motto könnte gleichermaßen von Aufräum-Experten oder Nachhaltigkeits-Gurus stammen. Denn unnötige Gegenstände zu entsorgen, macht die Wohnung übersichtlicher und kann gleichzeitig den individuellen Ressourcenverbrauch reduzieren. Doch wie nachhaltig ist der Minimalismus-Trend wirklich? Wie viel Besitztümer bleiben ungenutzt? Und ist ein nachhaltiger Lebensstil überhaupt möglich?
THE, 09.09.2024
Symbolbild Aufräumen

© AndreyPopov, iStock

Wir leben im Überfluss: Unsere Haushalte sind vollgestopft mit Dingen, die oft nur aufbewahrt, aber kaum genutzt werden. Doch diese Fülle an Kleidung, Geschirr und Schreibwarenartikeln löst bei uns oft eher Stress und Unruhe aus als Besitzerstolz. Denn alles Zeug liegt in der Wohnung herum und führt so zu Chaos im Außen und im Innen. Dieses Problem haben auch Minimalismus-Gurus wie Marie Kondo schon erkannt. In ihrer Netflix-Serie „Aufräumen mit Marie Kondo“ erklärt die US-Amerikanerin, wie man durch die gezielte Reduktion von Eigentum Ballast loswird.

Hinzu kommt, dass es auch aus Umweltsicht problematisch ist, mehr Dinge zu kaufen als wirklich gebraucht werden, da für die Produktion, den Transport und die Lagerung von materiellen Gütern Ressourcen verbraucht werden. Das hundertste Spielzeug, der dritte Tennisschläger oder das fünfte Nudelsieb im eigenen Besitz beispielsweise wurden energieaufwendig produziert und sind aus Plastik gefertigt – einem Material, das nicht abbaubar ist und hochgiftig für die Natur sein kann.

Was bringt Ausmisten?

Wenn die Menschen ihr Haus „decluttern“ scheinen sie also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen – die Wohnung ist übersichtlich und gleichzeitig hat man seine Ressourcen und seinen Umwelt- Fußabdruck minimiert. Doch ganz so einfach ist es leider nicht. Denn viele Minimalismus-Experten werben für und verkaufen zusätzlich noch zahlreiche Lifestyle-Produkte, wie Organisationsboxen, Aufbewahrungsgläser oder sogar Meditationskissen. Diese sind zwar ästhetisch, aber häufig auch entbehrlich und haben mit Nachhaltigkeit wenig zu tun.

Einige Minimalismus-Konzepte basieren zudem auf der „Eins rein, eins raus“-Regel – die Idee: Wer eine neue Sache kaufen will, muss dafür eine andere wegwerfen. „Das Befolgen dieser Regel könnte bedeuten, dass Güter unabhängig von ihrem Zustand, Alter oder ihrer Qualität entsorgt werden, einfach weil sie "zu viel" sind“, erklärt Münsch. „Da viele Verbraucher den Versuchungen des Konsums möglicherweise nicht widerstehen können, bietet die "Eins rein, eins raus"-Regel ein einfaches Entlastungsprinzip, das das Potenzial hat, den Überkonsum aufrechtzuerhalten und sogar zu fördern.“

Entrümpeln einer vollgestellten Garage
Entrümpeln kann überwältigend sein, weil man so viele Entscheidungen treffen muss.

© Constantinis, iStock

Konkrete Übungen helfen

Doch kann gezieltes Ausmisten dann überhaupt langfristig zu weniger materiellem Besitz, mehr Wohlbefinden und einer nachhaltigen Entwicklung beitragen? Diese Frage haben sich Forscher der TU Berlin gestellt und haben Übungen für einen dauerhaft ressourcensparenden Lebensstil entwickelt und getestet. „Dabei konnten wir feststellen, dass die Übungen den Teilnehmenden dabei halfen, während des Ausmistens die Beziehung zu den eigenen Konsumgütern besser zu verstehen und das eigene Konsumverhalten zu reflektieren“, bemerkt der Psychologe Maximilian Wloch.

„Bei einer Übung mussten wir Dinge zählen, die wir besitzen. Ich bin auf 40 Hosen gekommen. Das hat mir wirklich die Augen geöffnet und mir war klar, jetzt muss ich was ändern“, berichtet Christine B., eine der Teilnehmenden. Sie ist mit ihrer Erfahrung nicht allein – im Durchschnitt besaßen die Teilnehmenden etwa 1.500 Kleidungsstücke, Lese- und Schreibwaren, Elektronikgeräte und Küchenutensilien. Je nach Kategorie wurden 30 bis 60 Prozent dieser Dinge nicht aktiv genutzt.

So mistet man nachhaltig aus

Da die Auseinandersetzung mit dem Überfluss und das Loswerden von Dingen uns aber auch schnell überfordern können, haben die Wissenschaftler der TU Berlin einen Leitfaden zum nachhaltigen Ausmisten erstellt: Wie auch beim klassisch-minimalistischen Decluttern soll man laut den Forschenden zuerst eine Bestandsaufnahme des eigenen Besitzes machen und reflektieren, welche Gegenstände man regelmäßig benutzt – und welche in der Abstellkammer verstauben. Letztere gilt es dann, auszumisten.

Doch um den Prozess nachhaltig zu gestalten, sind laut den Forschenden zwei weitere Schritte notwendig: Zum einen müssen grundsätzlich brauchbare Gegenstände, wie alte Bücher, Kinderspielzeug oder intakte Kleidung weitergegeben statt weggeschmissen werden. So spendete eine Teilnehmerin beispielsweise viele ihrer ungenutzten und ungeliebten Dinge an Organisationen, brachte Lebensmittel zur Tafel und schenkte einige Kleider ihrer Friseurin.

Der zweite Schritt zum nachhaltigen Ausmisten: Man muss stetig dranbleiben und immer wieder den vorherigen Konsummustern widerstehen – egal wie praktisch der Hightech-Schraubenzieher auch erscheint. „Ich hoffe, dieser Ratgeber kann Konsumenten dabei unterstützen, jedes zukünftige Ausmisten als Gelegenheit zu nutzen, ihre Konsumgewohnheiten erneut zu hinterfragen“, sagt Samira Iran von der TU Berlin. Ein weiterer hilfreicher Trick: Die Teilnehmerin Christine B. lässt sich für ihre Kaufentscheidungen mittlerweile immer 14 Tage Zeit. Spontankäufe macht sie gar nicht mehr.

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