Lexikon

Leben

das gesamte leibliche und geistige Wirken eines Lebewesens, beim Menschen die individuelle Selbsterfahrung von Handeln, Denken und Fühlen als bestimmende Eigenschaft des Daseins. Bei Platon wird Leben zum philosophischen Begriff und meint die Fähigkeit der inneren Bewegungskraft, wobei das bestimmende Prinzip hierbei die Seele ist, die sich im Körper verwirklicht. Aus naturwissenschaftlicher Sicht entzieht sich Leben bislang einer präzisen Definition. Möglich ist stattdessen, eine Reihe von Merkmalen zu beschreiben, die allem Lebendigen eigen sind.

Merkmale des Lebens

1. Zelluläre Organisation: Die kleinste Einheit des Lebens ist die Zelle. Alle Lebewesen bestehen aus einer (Einzeller) oder vielen Zellen (Vielzeller). Zwei Grundformen von Zellen lassen sich unterscheiden: die ursprüngliche Protocyte ohne Zellkern der Prokaryoten und die Eucyte mit Zellkern der Eukaryoten.
2. Stoffliche Zusammensetzung: Es gibt keinen ausschließlich den Lebewesen vorbehaltenen Baustoff. Kennzeichnend sind dagegen das Mengenverhältnis und die Struktur der am Aufbau der Lebewesen beteiligten chemischen Elemente. Für das Leben charakteristische chemische Verbindungen sind die Nucleinsäuren und Proteine, letztere vielfach auch als Enzyme, ferner Lipide, Polysaccharide als Struktur- und Speichersubstanzen und Phosphate als Energieüberträger.
3. Stoffwechsel und Homöostase: Leben ist durch einen hohen Ordnungsgrad gekennzeichnet, wie er nur in thermodynamisch offenen Systemen möglich ist. Lebende Systeme stehen daher mit ihrer Umwelt in einem ständigen Stoff- und Energieaustausch. Die Stoff- und Energieumwandlungen erfolgen im Stoffwechsel. Trotz Schwankungen in der Umwelt wird das innere Milieu eines Organismus durch Regulationsmechanismen innerhalb bestimmter Grenzen konstant gehalten (Homöostase). Lebende Systeme befinden sich also in einem dynamischen Gleichgewicht (Fließgleichgewicht).
4. Reizbarkeit (Reaktionsfähigkeit): Lebende Systeme haben die Fähigkeit, Vorgänge in ihrer Umwelt wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Die Mittler dieser Eindrücke (Reize) sind im einfachen Fall reizempfindliche Zellen, die bei höheren Lebewesen zu komplizierten Sinnesorganen umgebildet werden.
5. Beweglichkeit: Die Fähigkeit zur Bewegung ist ein Charakteristikum alles Lebendigen, auch wenn die Bewegung u. U. nur innerhalb der Zelle erfolgt (z. B. Plasmaströmung). Bei Vielzellern sind Muskelzellen für diese Funktion spezialisiert. Ihr Wirkmechanismus ist jedoch für alle Eukaryoten gültig und beruht auf dem Zusammenspiel der Proteine Actin und Myosin.
6. Zusammenspiel von Nucleinsäuren und Proteinen: In allen lebenden Systemen enthalten Nucleinsäuren (DNA) die Information für ihre eigene Synthese sowie für die Synthese von Proteinen. Diese sind in Form von Enzymen für den Stoffwechsel notwendig wie auch für die Synthese der Nucleinsäuren und anderer Biomoleküle.
7. Fortpflanzung: Leben geht nur aus Leben hervor. Dank ihrer Fähigkeit zur Fortpflanzung existieren Lebewesen auf der Erde. Diese basiert auf der Teilungsfähigkeit der Zellen sowie der Fähigkeit der Nucleinsäure DNA zur identischen Verdopplung.
8. Wachstum und Differenzierung: Um aus einer befruchteten Eizelle einen Organismus entstehen zu lassen, der ein typischer Vertreter seiner Art ist, sind gezielt gesteuerte Wachstums- und Differenzierungsprozesse notwendig. Die genetische Information für diese Prozesse sind in der Nucleinsäure DNA enthalten.
9. Individualität: Die Lebewesen einer Art sind nicht identisch in ihren Merkmalen. Durch Abweichungen bei der Verdopplung der DNA (Mutationen) sowie ständige Neuverteilung der Erbanlagen bei der sexuellen Fortpflanzung entstehen variable Lebewesen, die jeweils einzigartig sind.
10. Evolution und Anpassung: Ständige Veränderungen des Erbguts in Form von Mutationen und anschließende Selektion führen zu einer Entwicklung der Lebensformen, die funktionale Anpassungen an die Umwelt darstellen.

Entstehung des Lebens

Nach heutigen naturwissenschaftlichen Auffassungen ist das Leben auf der Erde unter besonderen Bedingungen, wie sie in vorbiologischer Zeit herrschten, in einem langsamen Entwicklungsprozess aus unbelebter Materie entstanden. Die ältesten Spuren des Lebens auf der Erde sind etwa 3,8 Mrd. Jahre alt. Die damalige sog. Uratmosphäre enthielt keinen (oder nur wenig) Sauerstoff, aber u. a. Wasserdampf, Kohlendioxid, Ammoniak und niedere Kohlenwasserstoffe (wie Methan). Sie wirkte also reduzierend im Gegensatz zur heutigen Atmosphäre, die oxidierend ist. Aus verschiedenen Gasmischungen, die der hypothetischen Uratmosphäre entsprechen, ist es mit Hilfe von elektrischen Entladungen, Ultraviolettbestrahlung und Hitzeeinwirkung im Labor gelungen, eine Anzahl Aminosäuren herzustellen, also einfache organische Stoffe, die Bausteine der Proteine sind (S. Lloyd Miller, A. I. Oparin, M. Calvin u. a.). Daher wird angenommen, dass die Urmeere, in denen sich das erste Leben entwickelte, zahlreiche Aminosäuren und Fettsäuren enthielten.
Von den Aminosäuren ist es ein weiter Weg zu den Proteinen, den eigentlichen Lebensträgern. Immerhin ist es im Labor gelungen, unter großer Hitzeeinwirkung aus Aminosäuren proteinähnliche Substanzen herzustellen. Ebenfalls durch Hitzeeinwirkung lassen sich einfache organische Verbindungen in andere überführen. Auf diese Weise konnte man auch eine Vorstufe der Nucleinsäuren herstellen. Diese Experimente führten zu der Annahme, dass die einfachsten Formen biologischer Makromoleküle schrittweise und im Verlauf von chemischen Umlagerungsprozessen bei Hitzeeinwirkung (Sonnenstrahlung) entstanden sind. Die im Urmeer vorkommenden ersten hochmolekularen organischen Stoffe sollen sich dann zu abgegrenzten Stoffwechselbezirken formiert haben. Der Weg von diesen Urstadien der chemischen Evolution bis hin zu Zellen und höher organisierten Lebensformen ist weit. Er beruht auf einer ständigen Veränderung und Neukombination der Erbinformation, der entscheidend durch natürliche Auslesemechanismen begleitet wurde, und als biologische Evolution bezeichnet wird.
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