Lexikon
Tschetschẹnien
russisch ČečnjaRepublik innerhalb Russlands, an der Nordseite des Kaukasus, 15 000 km2, 1,1 Mio. Einwohner, Hauptstadt Grosnyj; in den Tälern Mais-, Melonen-, Obst- und Weinanbau, im Gebirge Viehwirtschaft; die trockene Nogaiersteppe nördlich des Terek dient als Winterweide; um Grosnyj Erdöl- und Erdgasgewinnung und -verarbeitung.
Geschichte
In dem von alters her besiedelten Gebiet breitete sich im 16. Jahrhundert von Dagestan kommend der Islam aus. Die unter dem Einfluss des Sufismus stehenden Stämme erhoben sich 1785/86 erfolglos gegen die in den Kaukasus vordringenden russischen Truppen. 1834–1859 unterstützten die Tschetschenen den dagestanischen Awaren Schamil im Kampf gegen die russischen Herrschaft. Nach dessen Niederlage flohen viele Tschetschenen ins Osmanische Reich.
Innerhalb der UdSSR erhielt Tschetschenien eine neue staatliche Organisation. 1934 wurden das Tschetschenische und das Inguschische Autonome Gebiet vereinigt. 1936 erfolgte die Umwandlung in eine ASSR. Die Unterdrückung des Islams sowie die Kollektivierung der Landwirtschaft riefen erheblichen Widerstand hervor. 1944 ließ Stalin die ASSR wegen angeblicher Kollaboration der Bevölkerung mit den Deutschen auflösen und die Bevölkerung deportieren. Nach Rehabilitierung und Rückführung der Bewohner wurde die ASSR 1957 mit vermindertem Gebietsumfang neu errichtet.
Der Islam, der stets ein gewichtiger Faktor der tschetschenischen Identität geblieben war, gewann mit dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft Anfang der 1990er Jahre noch mehr Einfluss auf das soziale und politische Leben. 1991 erklärte Tschetschenien unter der Führung Dschochar Dudajews, der zum Präsidenten der Republik gewählt worden war, einseitig seine Unabhängigkeit. 1992 beschloss das russische Parlament, aus dem inguschischen Teil Tschetscheniens, der sich der Unabhängigkeitserklärung nicht angeschlossen hatte, die Republik Inguschien zu bilden. 1994 marschierten russische Truppen in Tschetschenien ein, um das Unabhängigkeitsstreben zu unterbinden. Nach erbitterten Kämpfen mit tschetschenischen Verbänden (rund 80 000 Tote) konnte 1996 ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet werden. Die russischen Truppen zogen sich zurück.
Im Januar 1997 wählte die Bevölkerung Aslan Maschadow zum tschetschenischen Präsidenten. Er unterzeichnete im Mai 1997 einen Friedensvertrag mit Russland, der aber noch keine Festlegung über den zukünftigen politischen Status Tschetscheniens enthielt. Die politische Lage blieb instabil, da Maschadow sich nicht gegen die traditionellen Clanführer durchsetzen konnte. Im August 1999 drangen islamische Rebellen unter Führung von Schamil Basajew aus Tschetschenien in die Nachbarrepublik Dagestan ein und lieferten sich dort erbitterte Gefechte mit russischen Truppen. Diese Auseinandersetzungen führten wiederum zu einer Intervention der russischen Armee in Tschetschenien. Gleichzeitig erklärte Moskau die Region zur Zone antiterroristischer Operationen, wodurch die Bürgerrechte erheblich eingeschränkt wurden und die Sicherheitskräfte faktisch ohne Kontrolle agieren konnten. Über 250 000 Menschen flohen aus den umkämpften Gebieten. Präsident Maschadow ging in den Untergrund. Nach inoffiziellen Schätzungen fielen dem neuerlichen Konflikt weit über 30 000 Menschen zum Opfer.
2003 wurde in Tschetschenien per Referendum eine neue Verfassung verabschiedet. Die Präsidentenwahl im Oktober 2003 gewann A. Kadyrow, der Chef der prorussischen Verwaltung. Er fiel 2004 einem Bombenanschlag zum Opfer (Nachfolger A. Alchanow). Der frühere Präsident Maschadow wurde 2005 bei einem russischen Militäreinsatz getötet. 2007 übernahm R. Kadyrow, ein Sohn A. Kadyrows, das Präsidentenamt. Mit finanzieller Hilfe Moskaus bemühte sich die neue Führung um die Überwindung der Kriegsfolgen. 2009 hob die russische Anti-Terror-Behörde den Sonderstatus Tschetscheniens als Zone antiterroristischer Operationen auf.
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