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Masern: Warum der Impfschutz so wichtig ist
Über 600 Kranke, fast 70 neue Fälle seit Beginn der vergangenen Woche: so lautet die Zwischenbilanz der aktuellen Masernwelle in Berlin. In den ersten zwei Monaten dieses Jahres haben die Masern laut Robert Koch-Institut schon mehr Menschen erwischt als in ganz 2014. Und die Zahl der Ansteckungen steigt weiter an. Der größte Ausbruch seit Beginn der Meldepflicht 2001 bedeutet für viele den Ausnahmezustand. Eine Schule musste kurzzeitig komplett schließen, Kinderärzte raten dazu, Säuglinge zuhause zu betreuen, Eltern sind ängstlich – nicht zuletzt auch, weil die Epidemie bereits einem Menschen das Leben gekostet hat: ein eineinhalb-jähriger Junge ist an den Masern gestorben. Wie rund 90 Prozent der Erkrankten war das Kind nicht gegen die Masern geimpft.
Und ohne Impfschutz besteht kaum eine Chance, dem Virus zu entgehen. Denn Masernviren gehören zu den ansteckendsten Erregern überhaupt. Der Kontakt zu einem Erkrankten bedeutet meist die Ansteckung, sofern man nicht geimpft oder durch eine durchgemachte Masernerkrankung geschützt ist. Nur weil nach wie vor viele Menschen überhaupt nicht oder nicht ausreichend gegen die Masern geimpft sind, konnte sich das Virus also so schnell in der Berliner Bevölkerung verbreiten.
Gefährliche Impflücken
Gründe für diese Impflücken gibt es verschiedene. Teilweise haben Erwachsene schlicht versäumt, ihre Impfung im Alter auffrischen zu lassen. Manche Menschen dürfen sich hingegen gar nicht impfen lassen – zum Beispiel weil sie an einer Erkrankung des Immunsystems leiden. Und manche Eltern entscheiden sich ganz bewusst dagegen, ihre Kinder impfen zu lassen. Prozentual gesehen mag die Gruppe der strikten Impfgegner zwar klein sein. Nur circa ein Prozent der befragten Eltern einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung lehnen es ab, ihre Kinder impfen zu lassen. Doch zusammen mit den aus anderen Gründen Ungeschützten ergibt sich ein kleines, aber bedenkliches Defizit. Denn damit das Virus vollends gestoppt werden kann und die sogenannte Herdenimmunität erreicht ist, müssen mindestens 95 Prozent der Bevölkerung über einen ausreichenden Schutz gegen die Masern verfügen. Dann findet das Virus nicht mehr genügend Wirte um sich weiter zu vermehren und auszubreiten. Dieses Ziel ist hierzulande noch nicht geschafft, es fehlen wenige Prozente.
Viele Bedenken fußen auf Mythen
Wer sein Kind nicht immunisieren lässt, hat oft Bedenken, dass die Impfung eher schadet als nützt. Viele dieser Befürchtungen sind jedoch unbegründet. So stimmt es beispielsweise nicht, dass es gut ist, die Krankheit einfach durchzumachen. Masern sind nämlich alles andere als eine harmlose Kinderkrankheit. Die Virusinfektion kann gefährliche Folgen haben – im Extremfall bis hin zu Komplikationen, die schwere geistige Behinderungen verursachen oder wie im Fall des kleinen Berliner Jungens zum Tod führen.
Mit der Impfung kommen hingegen schon die Immunsysteme von Kindern gut zurecht, wie Studien des Paul-Ehrlich-Instituts belegen. Gleichwohl kann es nach der Immunisierung mit den abgeschwächten lebenden Masernviren zu Impfreaktionen oder Nebenwirkungen kommen. Weil der Impfstoff das Abwehrsystem anregt, reagiert der Körper zum Beispiel vorübergehend mit Fieber oder einer leichten Hautrötung. Diese Symptome ähneln zwar unter Umständen jenen einer Masernerkrankung, die Impfung kann aber nicht die Masern selbst auslösen! Impfreaktionen sind nicht ansteckend und klingen in der Regel ohne Folgen ab. Schwere Nebenwirkungen, die bleibende Impfschäden verursachen, sind dagegen äußerst selten.
Immer wieder wird unter Impfskeptikern auch darüber diskutiert, ob Impfungen Diabetes, Multiple Sklerose oder gar Autismus auslösen können. Einen haltbaren Nachweis für diese Spekulationen gibt es allerdings bis heute nicht. So basiert etwa die Annahme, Vakzine könnten zu Autismus führen, auf den manipulierten Daten eines einzigen Wissenschaftlers. Dieser musste seine Studie inzwischen zurückziehen. Er hatte versucht, mithilfe der gefälschten Untersuchung einen Test auf die von ihm erfundene impfspezifische Autismus-Erkrankung zu vermarkten.
Impfzwang zum Wohle aller?
Auch wenn Impfungen nicht restlos risikolos sind, so ist die Alternative nicht zu impfen um ein Vielfaches gefährlicher. Laut Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ist es deshalb eine Frage der Verantwortung, sich und andere durch eine Impfung zu schützen. Wer eine Impfung ablehne, gefährde schließlich nicht nur sich selbst, sondern auch die, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können. Im Kampf gegen die Masern schließt Gröhe als letztmögliches Mittel auch eine Impfplicht nicht aus.
Bei einer anderen schweren Infektionskrankheit hat ein Impfzwang dabei geholfen, den Erreger auszurotten: beim Pockenvirus. Bis vor vierzig Jahren mussten in Deutschland alle Kinder gegen Pocken geimpft werden. So konnte die Krankheit, an denen bis vor wenigen Jahrzehnten jedes Jahr zwei Millionen Menschen weltweit gestorben sind, eliminiert werden.