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Nachrichtenvermittler schwarz auf weiß
“Die Deutschen haben das Pulver erfunden - alle Achtung! Aber sie haben es wieder gutgemacht: Sie erfanden die Presse”, schrieb der Philosoph Friedrich Nietzsche. Tatsächlich war es der Straßburger Drucker Johann Carolus, der vor 400 Jahre die erste deutsche Wochenzeitung zur Verbreitung von Nachrichten druckte. Titel: “Relation”. Heute erscheinen in Deutschland täglich 347 Tageszeitungen mit einer Auflage von gut 22 Millionen Exemplaren. 400 Jahre Zeitung: Wir laden Sie ein, zu einer kleinen Zeitreise zu wichtigen historischen Etappen.
17. Jahrhundert: “gedenckwürdige Historien“
Obwohl der Buchdruck bereits Mitte des 15. Jahrhunderts von Johannes Gutenberg erfunden wurde, braucht es noch über 150 Jahre, bis der Straßburger Verleger und Buchhändler Johann Carolus 1605 seine erste Wochezeitung - die “Relation Aller Fürnemen vnd gedenckwürdigen Historien - druckt. Seine Informationen bekommt der erste Nachrichtenhändler von Korrespondenten aus ganz Europa. Seine Abonnenten sind die deutsche Höfe, der Klerus, Kaufleute und Wissenschaftler. Während des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) wächst der Nachrichtenbedarf schnell und innerhalb weniger Jahrzehnte verbreiten Wochenblätter in 70 deutschen Städten ihre Nachrichten. Hamburg hat in der Mitte des Jahrhunderts bereits acht Wochenzeitungen. 1650 erscheint in Leipzig die erste Tageszeitung der Welt: die “Einkommende Zeitungen .
18. Jahrhundert: No comment ...
Um 1700 infomieren bereits fast 60 periodisch erscheinende deutsche Nachrichtenblätter ihre Leser. 1705 wird erstmals die älteste noch erscheindende Zeitung gedruckt: die Hildesheimer Allgemeine Zeitung (ursprünglich als “Hildesheimer RelationsCourier). Die meisten Zeitungen sind allerdings kurzlebiger und haben selten eine Auflage, die höher als 300 Exemplare ist. Zudem stecken die Landesfürsten den Zeitungsunternehmen bald enge inhaltliche und wirtschaftliche Grenzen. Die Zeitungen haben sich auf die unkommentierte Informationsvermittlung zu beschränken und dürfen Anzeigen erst dann drucken, wenn diese zuvor in den staats- oder stadteigenen “Intelligenzblättern (seit 1727) erschienen sind. Anders ist das in Schweden. Dort wird bereits 1766 ein Gesetz verabschiedet, dass die Freiheit der Presse schützt. Nach der Französischen Revolution (1789) werden allerdings auch in Deutschland Forderungen nach Pressefreiheit immer lauter.
19. Jahrhundert: Tempo und Masse
Obwohl in den Freiheitskriegen von 1813 bis 1815 bereits vereinzelt die Pressefreiheit proklamiert wird, dauert es noch bis zur Paulskirchen-Verfassung von 1848, bis die Pressefreiheit in Deutschland erstmals gesetzlich verankert wird. Dennoch gibt es in der zweiten Jahrhunderthälfte immer wieder Versuche, diese Freiheit zu beschneiden - unter anderem in Hunderten Prozessen gegen Zeitungsverlage. Neben der Pressefreiheit sind es vor allem technische Innovationen, die den Zeitungen im 19. Jahrhundert eine immer größere Verbreitung ermöglichen. Auf der dampfbetriebenen “Doppelzylinderdruckpresse des Erfinders Friedrich Koenig bringt es die Londoner “Times bereits 1814 zu einer Auflage von stattlichen 4.000 Exemplaren. Dank der Erfindung des Telegrafen im Jahr 1844 können Nachrichten innerhalb weniger Minuten weltweit verbreitet werden. 1872/73 wird in Augsburg die erste Rotationsdruckmaschine (Rollendruck) gebaut und Ottmar Mergenthaler entwickelt die Schriftsetzmaschine “Linotype.
20. Jahrhundert: Kein Ende in Sicht
Anfang des Jahrhunderts boomt der Zeitungsmarkt. Allein in Deutschland erscheinen rund 3.000 Zeitungen. Gegen Ende der Weimarer Republik sind es 4.275 - trotz des sich immer schneller verbeitenden neuen Mediums Rundfunk. Die Nationalsozialisten beenden 1933 die Zeitungs- und Meinungsfreiheit. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt der Westen Deutschlands erneut einen Gründungsboom bei den Printmedien. Am 24. Juni 1952 erscheint die erste überregionale deutsche Kaufzeitung nach dem Zweiten Weltkrieg: die BILD-Zeitung des Axel Springer Verlags. Auflage: 250.000. Preis: 10 Pfennig. Im Osten - unter sowjetischer Besatzung und später in der DDR - ist die Presse staatlich kontrolliert. Das ändert sich erst mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten im Jahr 1990. Trotz Fernsehen, Internet und vieler gegenteiliger Prognosen: Ein Ende der gedruckten Zeitungen ist nicht in Sicht. Im Jahr 2005 erscheinen in Deutschland 347 Tageszeitungen mit 1.550 lokalen Ausgaben und einer Gesamtauflage von gut 22 Millionen. Mehr als drei Viertel der Deutschen über 14 Jahren lesen regelmäßig eine Tageszeitung.