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Nachwuchsgarde in der Bundesliga: Wird die neue Trainergeneration immer jünger?
Seit der Profifußball in den meisten europäischen Ländern seinen Anfang vor weit mehr als einem Jahrhundert nahm, hat sich eine Ansicht eingebürgert, die von vielen Teams geradezu stoisch verfolgt wurde und der noch mehr „Couch-Experten“ anhängen: Um ein erfolgreiches Profiteam zu trainieren, muss man selbst ein Fußballerleben in dieser Welt absolviert haben. Und man muss nicht einmal auf die Trainerbank des FC-Bayern blicken, wo aktuell mit dem 1945 geborenen Jupp Heynckes ein echtes Urgestein, nämlich der dritt-älteste Trainer der Bundesligageschichte, sitzt, um zu erkennen: das stimmt auch heute oftmals noch. Doch muss auch die Frage erlaubt sein: Macht das noch Sinn? Ihr geht der folgende Artikel nach.
Woher kommt die Idee?
Sehr viele Menschen vertreten die Ansicht, dass sportliche Jugendlichkeit, wie sie für einen Profifußballer ja nun unerlässlich ist und die nötige Erfahrung (und auch Besonnenheit), um aus über einem Dutzend Feld- und Ersatzspielern eine gegen jeden Gegner funktionierende Mannschaft zu formen, sich gegenseitig ausschließen.
Und zumindest auf einer logischen Basis scheint dieser Glaube auch verständlich: Ein Fußballer ist jung und voller Energie, selbst die ältesten Spieler der Bundesligageschichte beendeten allesamt schon mit Anfang 40 die Karriere – der überwiegende Teil jedoch bedeutend früher, wie etwa Hamburgs Marcell Jansen, der 2015 mit nur 29 die Stollen an den Nagel hing. Nimmt man nun an, dass ein solcher Spieler vielleicht 15, 20 Jahre Profierfahrung und wahrscheinlich noch einen Großteil vorher in den Jugendmannschaften mitbringen kann, erscheint es schon logisch, dass dieser allein aufgrund seiner langjährigen Erfahrung als zumindest theoretisch trainertauglich ist.
Warum das Konzept Lücken hat
Verfechter dieser Vorgehensweise haben allerdings eine weitere Tatsache nicht auf dem Schirm: Je älter man wird, desto verfestigter sind die eigenen Ansichten, desto schwieriger wird es, Neues zu erlernen und umzusetzen. Genau hier wird es richtig problematisch für einen Trainer, der auf eine lange Profikarriere zurückblicken kann. Der wird sich nämlich dank seines Erfahrungsschatzes schwertun, Neues zu probieren und anzuwenden.
Natürlich, bei Henyckes funktioniert es momentan blendend, aber schaut man sich die anderen Bundesliga-Methusalems an, zeigt sich schnell, dass man auch als Trainer ein „Ablaufdatum“ hat, das sich nicht wirklich vom Renteneinstiegsalter jedes „normalen“ Arbeitnehmers unterscheidet.
Es ist einfach eine Tatsache: Je älter man wird, desto unvermeidlicher wird man weniger „geschmeidig“ im Gehirn – eine Katastrophe, wenn es um ein Milliardenbusiness wie den Fußball geht, wo Entscheidungen binnen Sekundenbruchteilen gefällt werden müssen und alles davon abhängt, den Gegner immer wieder zu überraschen.
Warum Jung nicht gleich unerfahren sein muss
Es war eine weitere Fußballlegende, Mehmet Scholl, der sich zu der Behauptung hinreißen ließ, dass die Tendenz der Bundesliga, auf immer jüngere Trainer zu setzen, die teilweise selbst niemals Profispieler waren, dem deutschen Fußball noch „…ein blaues Wunder…“ bescheren werde.
Doch blicken wir mal auf die aktuelle Saison:
- Schalkes Demenico Tedesco, geboren 1985, spielte nur als Jugendlicher für den ASV Aichwald und war schon 2013 als Co-Trainer für Stuttgarts U17 im Dienst – nachdem er einen DFB-Trainerlehrgang als Jahrgangsbester bestanden hatte. Unter seiner Ägide stand Schalke am Ende der 2017er Hinrunde auf Platz zwei.
- Julian Nagelsmann, geboren 1987, wurde schon im zarten Alter von 25 Interims-Co-Trainer von Hoffenheim. Seine Fußballerkarriere dauerte nur von 2006 bis -08 – je bei der zweiten Mannschaft von 1860 München und Augsburg. Als er Cheftrainer wurde, bewahrte er Hoffenheim vor dem Abstieg.
- Hannes Wolf, geboren immerhin 1981, hatte keine wirklich berauschende Fußballerkarriere. Als er jedoch 2016 den VfB Stuttgart übernahm, der zu dem Zeitpunkt in der zweiten Liga spielte, gelang ihm gleich in der ersten Saison die Zweitlinga-Meisterschaft und somit der Aufstieg.
Diese drei Beispiele zeigen etwas, das von der Fraktion „alt ist immer besser“ vernachlässigt wird. Nämlich, dass gute Fußballer nicht zwingend gute Trainer werden, aber umgekehrt ein unauffälliger Fußballer kein schlechter, blutjunger Trainer sein muss.
Warum jung nicht aufzuhalten ist
An diesem Punkt muss man sich einmal mehr das „Business“ vor Augen rufen. Im Profifußball geht es um unvorstellbare Summen und um das allerletzte Quäntchen Talent. Und so hart es klingt: Jemand, der erst nach dem 40. Geburtstag zum Trainer wurde, kann für die heutigen Anforderungen schon zu alt sein. Das „Geschäft Bundesliga“ ist buchstäblich knüppelhart – so hart, dass man u.a. bei wett24.com schon darauf wetten kann, welcher Trainer als nächstes geschasst wird. Und zweite Chancen gibt es nicht.
Hier können nur noch Trainer brillieren, die, salopp gesagt, ohne störende, jahrelange „Platz-Verkopfung“ von klein auf nur gelernt haben, wie man drillt, wie man trainiert und wie man erfolgreiche Spielkonzepte erarbeitet. Dabei muss man auch immer bedenken: Christoph Daum, Robin Dutt, Peter Neuruer kamen zu ihrer Zeit sehr jung in das Traineramt hinein. Und auch „Weltmeistermacher“ Jogi Löw war, obwohl er nach wie vor Rekordschütze des Freiburger FC ist, schon mit 34 auf dem Weg zum Trainer – einem sehr guten.
Man wird sich also daran gewöhnen können, auf den Trainerbänken der ersten und zweiten Bundesliga immer jüngere Gesichter zu sehen und Namen zu hören, die einem selbst als langjähriger Fan unbekannt sind. Der Profifußball braucht auch in der Coaching Zone junge, frische Talente, die Fußball von morgen spielen und nicht ihre eigene Profikarriere nochmal von der Bank aus durchspielen.
Frischer Wind
Überdies dürfen sich Kritiker auch eines vor Augen führen: Die Youngsters, die nun die Leitung der Vereine übernehmen, sind frei von Vereinsmeierei, von Klüngel und eingefahrenen Ideen. Vielleicht ist das der entscheidende Stoß an Leidenschaft, durchgesetzt mit jugendlichem Mut und der Frechheit, auch unkonventionell an Situationen heranzugehen. Das war schon immer ein Erfolgsrezept und wird es auch immer bleiben – nur eben jetzt nicht von alten Herren, die versuchen, sich anzupassen, sondern jungen „Burschen“, die mit der gleichen Heißblütigkeit ans Spielbrett gehen, wie ihre Altersgenossen an den Ball.