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Ostaglie pur: Diese vier Ostblock-Marken sind nach wie vor stark

Viele Zeitgenossen glauben, die Wendejahre Ende der 1980er, Anfang der 1990er hätten nicht nur in der DDR, sondern im gesamten damaligen „Ostblock“ die bestehenden Marken im „Wind of Change“ weggeweht. Stimmt so aber nur teilweise. Denn auch wenn vieles ähnlich schnell unterging wie die damaligen Regierungen, gibt es doch Marken von damals, die nach wie vor bestehen – sowohl solche, die schon vor dem Sozialismus bestanden wie solche, die erst währenddessen gegründet wurden. Vier große stellt der folgende Artikel genauer vor

In den frühen 1990ern verschwanden viele Ostblock-Marken ähnlich schnell wie die Lehren von Marx und Engels aus Regierungszimmern. Einige konnten sich jedoch halten.

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A. Lange & Söhne

Das sächsische Glashütte war seit Mitte der 1800er eines der wichtigsten Uhrmacherkunst-Zentren nördlich der Schweiz. Der erste, der sich hier niederließ, war Ferdinand Adolph Lange1845.

Doch exakt 100 Jahre später kam das Ende für die auf eine Handvoll renommierter Hersteller angewachsene Uhrenindustrie: Erst wurde die Stadt am allerletzten Kriegstag durch Luftangriffe stark beschädigt, 1948 wurden Lange und andere Uhrmacher verstaatlicht, schließlich wurden alle Firmen 1951 zum VEB Glashütter Uhrenbetriebe (VEB = Volkseigener Betrieb) zusammengelegt. Und auch wenn in den DDR-Jahren hier weiterhin hochwertige Zeitmesser gefertigt wurden, war der vorherige Glanz jedoch vorbei.

A. Lange & Söhne mit seiner wechselhaften Geschichte steht sinnbildlich für mehrere Marken aus der Region. Die Urenkel von Ferdinand Adolph Lange, Walter und Ferdinand Adolph II., waren 1948 in den Westen geflohen, hatten 1952 die Uhrenfirma A. Lange Pforzheim gegründet.

Doch die Wende änderte alles: Noch 1990 gründete Walter die Lange Uhren GmbH, wendete sich an die Treuhand, die die alten Markenrechte besaß und erwarb sie. Als der schweizerische Luxus-Uhrenhersteller IWC Schützenhilfe gab, gelang der Neuaufstieg – heute ist die Marke abermals ein Aushängeschild deutscher Uhrmacherkunst und fertig wie ehedem in Glashütte – dass sie seit 2001 zum Luxus-Mischkonzern Richemond gehört, tut dem Prestige keinen Abbruch, viele Stücke wechseln für fünfstelligen Summen den Besitzer.

Ural-Trucks sind nicht nur im ehemaligen Ostblock allgegenwärtig. Ihr Ruf für Geländegängigkeit und Unzerstörbarkeit gilt auf der ganzen Welt.

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Uralski Awtomobilny Sawod

Hinter diesem für deutsche Zungen schwer aussprechbaren Namen verbirgt sich der, vor allem unter Truck-Fans, klangvolle Kurzname Ural – und gleichsam eine Marke, die sowjetischer nicht sein könnte.

1941 mussten die Sowjets den Lastwagenhersteller ZIS, der selbst erst kurz vor der Oktoberrevolution gegründet worden war, vor dem deutschen Vormarsch hinter den Ural in Sicherheit bringen. Der neue Name UralZIS nahm direkten Bezug auf diese geographische Notlösung.

In der Folge begann das in der rauen Landschaft buchstäblich aus dem Boden gestampfte Unternehmen, kriegsmäßig vereinfachte ZIS-Laster für das Militär zu bauen. Als ZIS nach dem Krieg wieder nach Moskau zurückkehrte, wurde staatlicherseits aufgeteilt.

Durch die 1950ern hindurch fertigte Ural vornehmlich ZIS- (zwischenzeitlich in ZIL umbenannt) Kopien. Dann aber kam 1961 der Ural-375 und damit der Sowjet-Laster schlechthin: Extrem geländegängig und unglaublich robust wurde er zum wichtigsten Militärtransporter des Ostblocks. Und er sorgte dafür, dass sich Ural vor allem zum Hersteller von Gelände-LKW wandelte.

Das rettete der Firma in den Wendejahren das Leben: Mitte der 1990er entstand eine Zusammenarbeit mit Iveco, wo man ebenfalls derartige Spezial-Laster fertigte. 2005 wurde Ural Mitglied von Russlands größtem Autohersteller, der GAZ-Gruppe und fertigt weiterhin in seiner Paradedisziplin – und die findet weltweit Abnehmerschaft.

Skoda

Skoda dürfte diejenige Marke dieses Texts sein, die Normalverbrauchern am geläufigsten ist. Kein Wunder, sie ist eines der wichtigsten Standbeine von Volkswagen, hat eine große, aufregende Modellpalette und findet reißenden Absatz.

Dabei reichen Skodas Wurzeln zurück bis ins Jahr 1859, als in Pilsen eine Firma gegründet wurde, die Industrietechnik und Dampfmaschinen produzierte, später auch Dampfloks. Bis zur Jahrhundertwende wurde daraus ein erfolgreicher Mischkonzern, der von Schleusenteilen des Suez-Kanals bis zu Rüstungstechnik Hardware fertigte.

Doch in der Folge richtete sich Skoda immer mehr in Richtung Rüstung aus. Das hielt man durch, bis der Erste Weltkrieg zu Ende ging. 1925 kaufte der Konzern den Auto- und Motorradhersteller Laurin & Klement. Damit begann die eigentliche Skoda-Autogeschichte.

Doch sie endete abrupt, als Deutschland das Land zerschlug, Skoda in den Staatskonzern „Reichswerke Hermann Göring“ eingliederte und in die Rüstungsfertigung einspannte.

Der wirkliche Durchbruch kam 1945 mit der Befreiung, die gleichsam auch eine Verstaatlichung bedeutete. Unter den trägen, weil staatlichen Autoherstellern des Ostblocks blieb Skoda lebendig und lancierte mehrere Modelle, die auch im Westen Anerkennung bekamen – so sehr, dass die sozialistische Führung des Landes in den 1970ern die moderne Limousine Typ 720 verhinderte; der Wagen war „zu westlich“.

Angesichts dieser Tatsachen verwundet es nicht, dass Skoda nach der Wende beste Chancen für ein Überleben hatte – es wurde bereits Ende 1990 gesichert, als Volkswagen die Marke dem tschechoslowakischen Staat abkaufte.

Korn hat seinen Beliebtheits-Tiefpunkt längst überschritten und befindet sich auf dem Weg zu einem Trend-Getränk ähnlich wie Gin. Gute Zeiten für die Nordhäuser Kornbrenner.

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Nordhäuser Korn

Im Thüringischen Nordhausen wurde schon in den 1500ern Hochprozentiges gebrannt. Aber kurz vor dem Ersten Weltkrieg begann eine lange „Durststrecke“. Denn Korn zu Schnaps zu machen, wurde wegen der kriegsbedingten Ernährungsprobleme kritisch gesehen. Da half es auch nicht, dass viele Brenn-Apparate beschlagnahmt wurden – sie bestanden aus dem kriegswichtigen Kupfer.

Ein kurzes Aufkeimen wurde durch die Weltwirtschaftskrise 1929 jäh beendet. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, durften die geschröpften Brennereien nur technischen Alkohol produzieren. Nachdem auch noch der Bombenkrieg über die Stadt gekommen war, standen 1945 noch neun Brennereien von ehemals 68 Stück vor dem Ersten Weltkrieg.

Diese wurden verstaatlicht und zum VEB Nordbrand Nordhausen zusammengefasst. Erst das brachte mehrere ruhige Jahrzehnte, in denen viel hergestellt und sogar exportiert wurde.

Doch mit der Wende kamen gleich zwei Probleme:

  • Nordhausen stand nun der Konkurrenz aus dem Westen entgegen.
  • Das wichtigste Produkt, Kornbrand, befand sich wegen gewandeltem Konsumentengeschmack auf dem absteigenden Ast.

Was den Brennereien das Leben rettete, war der westdeutsche Spirituosenhersteller Eckes. Er kaufte Nordbrand Nordhausen, verlagerte sogar einen Teil seiner Produktion dorthin. Das ermöglichte es, nicht nur zu überleben, sondern zu wachsen – Nordhausen ist heute mit der größte Kornbrenner der Republik.

2006 schloss sich der DDR-Kreis auf amüsante Weise: Die Marke wurde von der Rotkäppchen-Mumm-Sektkellerei übernommen. Rotkäppchen war der Sekthersteller der DDR und nach der Wende die Privatisierungs-Erfolgsstory – der ehemalige Ost-Betrieb schluckte nämlich die Mumm-Kellerei, die im Westen einen starken Stand gehabt hatte.

Zusammengefasst

Diese vier Marken gehören zu den größten Ost-Firmen, deren Geschichte nicht mit der Wende oder in den Jahren danach endete. Zwar gibt es auch heute noch, vor allem unter den DDR-Namen, viele Hersteller, die noch existieren. Allerdings sind diese a) meist nur einer kleineren Klientel bekannt und b) häufig auch nur noch ein ostalgisch genutzter Name, ohne dass die dahintersteckende Firma einen Bezug zum Ursprung hat.

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