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Ozean und Klima: Warum der Meeresspiegel steigt
Auf den ersten Blick hat der Meeresspiegel nur wenig mit dem Klima zu tun. Denn wie hoch die Pegel stehen, scheinen vor allem Gezeiten, aber auch der Einfluss von Stürmen zu beeinflussen. Doch neben diesem beispielsweise an der Nordseeküste deutlich spürbaren Wechsel von Ebbe und oder den Sturmfluten verändert sich der Meeresspiegel auch auf stetige, deutlich subtilere Weise.
Die Pegel steigen
Vergleicht man beispielsweise historische Pegelstandsmessungen mit den heute gemessenen Werten, zeigen sich deutliche Unterschiede, die unabhängig von den Gezeiten oder der Wetterlage sind. Demnach ist der Meeresspiegel allein innerhalb des letzten Jahrhunderts im Schnitt um rund 14 Zentimeter angestiegen. Pro Jahr kommen momentan 3,7 Millimeter dazu – Tendenz steigend. Denn wie Forscher festgestellt haben, beschleunigt sich die Rate, mit der die Pegel steigen, pro Jahr um 0,1 Millimeter.
Dieser Anstieg macht sich allerdings nicht an allen Küsten gleich stark bemerkbar. Besonders stark steigen die Pegel am Nordatlantik entlang der US-Ostküste und in Norwegen. Aber auch der Pazifik entlang der ohnehin tiefliegenden Küsten Süd- und Südostasiens, darunter auch in Bangladesch, gilt als ein Gebiet mit überdurchschnittlich hohem Meeresspiegelanstieg. Eher gemäßigt ist dagegen die Entwicklung an der deutschen Nordseeküste.
Grund 1: Das Meerwasser dehnt sich aus
Aber warum steigen die Pegel überhaupt? Und was hat das mit dem Klima zu tun? Ein Grund für den Meeresspiegelanstieg ist eine physikalische Reaktion des Wassers auf die Erwärmung: Wird es wärmer, nehmen die Wassermoleküle mehr Raum ein. Als Folge nimmt das Volumen des Wassers zu. Diesen Effekt macht man sich bei klassischen Thermometern zunutze: Die blau gefärbte Wassersäule – oder bei alten Thermometern das Quecksilber – steigt im Röhrchen an, je wärmer es wird.
Der gleiche Effekt kommt auch in den Ozeanen zum Tragen – und sie reagieren sehr sensibel schon auf kleinste Temperaturveränderungen. Schon eine Erwärmung des Meerwassers um wenige Zehntelgrad bewirkt daher eine deutliche Zunahme des Wasservolumens – und dadurch stiegen die Pegel. Forscher schätzen, dass rund ein Drittel des Meeresspiegelanstiegs im 20. Jahrhundert auf diese thermische Ausdehnung des Meerwassers zurückgeht.
Grund 2: Schmelzwasser strömt ins Meer
Doch das ist nicht der einzige Weg, auf dem das Klima die Meeresspiegel beeinflusst. Zusätzlich sorgt die zunehmende Schmelze der Gletscher dafür, dass immer mehr Schmelzwasser in die Ozeane fließt. Schnee, Gebirgsgletscher und die polaren Eiskappen Grönlands und der Antarktis sind die größten Wasserspeicher unseres Planeten. In diesen eisigen Reservoiren sind gut zwei Drittel allen Süßwassers der Erde gebunden.
Wenn nun diese Reservoire abtauen, wird dieses Wasser frei und strömt an den Küsten der Polargebiete oder über die Flüsse ins Meer. Als Folge vermehrt sich die Wassermenge in den Ozeanen und der Meeresspiegel steigt. Während der Anteil des Schmelzwassers am Meeresspiegelanstieg im letzten Jahrhundert noch geringer war als der der thermischen Ausdehnung, hat sich dies inzwischen geändert: Klimaforscher schätzen, dass mittlerweile knapp zwei Drittel des globalen Meeresspiegelanstiegs auf das Schmelzen von Küstengletschern, Gebirgsgletschern und polaren Eiskappen zurückgehen.
Was aber bedeutet dies für die Zukunft?
Auch wenn ein Anstieg der Pegel um weniger als 20 Zentimeter nicht sehr viel klingt – schon jetzt machen sich die ersten Folgen des Meeresspiegelanstiegs bemerkbar. So kommt es unter anderem in den ohnehin flachen Küstengebieten Südostasiens, aber auch an der Ostküste der USA immer häufiger zu Überschwemmungen, weil die Fluten höher auflaufen. Hinzu kommt, dass sich auch das Hochwasser bei Stürmen verstärkt. Kurzfristig können Küstenschutz-Maßnahmen wie Sperrwerke oder Deiche die Bedrohung aufhalten. Aber gerade vielen ärmeren Regionen fehlt dafür das Geld.
Das Problem: Gerade die Küstengebiete sind weltweit besonders dicht besiedelt, viele große Ballungsräume vor allem in Asien und Amerika liegen in Meeresnähe. Sie sind daher besonders stark durch die steigenden Pegel gefährdet. "Mehr als 600 Millionen Menschen leben in tiefliegenden Küstenregionen, die sich weniger als zehn Meter über dem Meeresspiegel befinden", sagt Svetlana Jevrejeva vom National Oceanographic Centre in Southampton. "Der Anstieg des Meeresspiegels ist einer der zerstörerischsten Aspekte des wärmer werdenden Klimas."
Klimaforscher prognostizieren, dass bei wirksamem Klimaschutz und einer Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber präindustriellen Werten die Meeresspiegel im Schnitt um 52 Zentimeter ansteigen werden. Dies wäre zwar deutlich mehr als bisher, aber noch immer halbwegs beherrschbar. Deutlich anders sieht die Lage dagegen aus, wenn der Klimawandel nahezu ungebremst weiter fortschreitet. Dann könnten die Pegel um bis zu 1,80 Meter ansteigen. Für viele Küstengebiete wäre das fatal – vielen Bewohner solcher Regionen bliebe dann nur der Rückzug in höhergelegene Gebiete.