Für die Bundesrepublik ist 1951 ein entscheidendes Jahr der Einbindung in das westliche Lager und damit in den Ost-West-Gegensatz. Mit der Unterzeichnung des Vertrages zur Montanunion beginnt die europäische Einigung.
Für die Wirtschaft der Bundesrepublik ist 1951 ein Schwellenjahr. Auf sanften Druck der Westalliierten modifiziert Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard sein Konzept einer freien Marktwirtschaft: Er lässt staatliche Eingriffe in den ökonomischen Kreislauf zu. Der durch den Koreakrieg ausgelöste Boom auf den Weltmärkten kann in der Bundesrepublik Deutschland in der zweiten Hälfte des Jahres genutzt werden – der Schritt in das »Wirtschaftswunder« gelingt.
In Deutschland hebt sich zum ersten Mal nach dem Krieg der Vorhang für die »entrümpelten« Wagner-Festspiele in Bayreuth. Die Neuinszenierungen hinterlassen ein Publikum, das zwischen Euphorie und gnadenlosem Verriss schwankt. Als Kulturereignis von internationalem Rang und ständiger Stein des Anstoßes erobern sich die Festspiele im offiziellen Kulturbetrieb den Spitzenplatz zurück, den sie in den Köpfen eingefleischter Wagnerianer ohnehin immer hatten.
Sechs Jahre nach dem Krieg endet die sportliche Isolierung der Bundesrepublik: In der Schweiz tritt die deutsche Fußball-Nationalelf zu ihrem ersten Nachkriegsländerspiel im Ausland an. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1952 in Oslo und Helsinki rückt in greifbare Nähe. Die gescheiterten Verhandlungen zum Aufbau einer gesamtdeutschen Olympiaauswahl sind einige der wenigen Gelegenheiten, bei denen sich Delegierte beider deutscher Staaten an einem Tisch gegenübersitzen.
Ungeahnte Folgen hat der Wirtschaftsaufschwung für die gesellschaftliche und innenpolitische Entwicklung der Bundesrepublik. Die moralische Verpflichtung, die nationalsozialistische Vergangenheit aufzuarbeiten, wird ökonomischen Prioritäten untergeordnet – im privaten wie im öffentlichen Leben. Sechs Jahre nach dem Holocaust ist die »Trauerzeit« allem Anschein nach bereits beendet.
Was sonst noch geschieht: In Wiesbaden entsteht das Bundeskriminalamt. Da ist Musik drin: Die Deutsche-Grammophon-Gesellschaft stellt die erste deutsche Langspielplatte mit 33,3 Umdrehungen pro Minute vor. Und auch da ist Musik drin: Auf der ersten Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt stellt präsentiert Daimler Benz den Mercedes 300 – ein Auto der internationalen Extraklasse.
Mehr als eine Randnotiz: Der Spielfilm „Die Sünderin“ von Willi Forst löst u.a. wegen einer kurzen Nacktszene von Hildegard Knef eine heftige gesellschaftliche Moraldiskussion aus.
Hier hören Sie das Audio "Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1952"