Woran erkennen wir, dass Sommer ist? Nun, in unseren meteorologisch unsicheren Breiten vor allem an den Schlagzeilen: Ob Reptilienalarm, Killerinsekten, Sexskandal oder Nazivergleich – dafür zu sorgen, dass Sie als Leser oder Hörer nicht ins Sommerloch fallen, ist oberste Journalistenpflicht. Und der kommen wir heute einmal als Chronisten nach. In unserem Beitrag „Sie wollen Hitler klonen!“ vereinen wir die schönsten Sommerlöcher der letzten Jahre. Viel Spaß!
2003
Beginnen wir mit unseren Lieblingen. Den Politikern Im Sommer 2003 verbrachten die Bundeskanzlers – damals die Schröders - die Ferien ausnahmsweise nicht wie sonst bei ihren italienischen Freunden, sondern blieben daheim. Aus gutem Grund. Aber wer nun glaubt, Schröder wäre zusammen mit Müntefering auf Heuschreckenjagd gegangen, täuscht sich. Vielmehr hatte der italienische Tourismus-Staatssekretär Stefano Stefani mit einer öffentlichen Bemerkung neue Maßstäbe in Sachen politischer Selbstmord gesetzt hatte: Er verunglimpfte die deutschen Touristen als "einförmige, supernationalistische Blonde, die lärmend über unsere Strände herfallen,".Hätte er nicht einfach sagen können, dass er in Zukunft mehr Zeit für Frau und Kinder haben will? Da musste unser Gerd doch solidarisch reagieren und daheim im Reihenhaus urlauben.
Ebenfalls im Sommer 2003 zog ein im Ausland lebender Sozialhilfeempfänger den Neid der Daheimgebliebenen auf sich. Berühmt wurde er unter dem Namen Mallorca-Rudi, Ibiza-Ede, Mauritius-Kalle? Nichts davon. Die für investigativen Journalismus bekannte BILD-Zeitung hatte den in Miami lebenden Arbeitslosen Rolf J. aufgespürt, der seine "Stütze" von Deutschland bezog. "Florida-Rolf" wurde zur hauseigenen Schlachtbank des Populismus geführt und mit dem nächsten Billigflieger zurückgeholt. Aber damit nicht genug: In Rekordzeit änderte man das Gesetz, um derartiges Sozialschmarotzertum künftig im Keim zu ersticken. Dass lediglich ein paar hundert Sozialhilfeempfänger im Ausland leben, spielte dabei keine Rolle. Immerhin konnte sich Rolf J. nun rühmen, gesetzgebende Kraft zu sein. Und heute heißt das ja nicht mehr „Sozialhilfeempfänger“...
In deutschen Lehrerzimmern ereiferte man sich 2003, dem Jahr des „ersten Jahrhundertsommers“ vielmehr über bauchfreie Tops. Es war für Deutschlands Lehrer schon extrem hart: Neben den hohen Temperaturen machte ihnen die allzu luftige Oberbekleidung vornehmlich wohlproportionierter Schülerinnen zu schaffen. Dass nämlich die Generation H&M gerne bauchfrei trägt, erzürnte nicht nur sittenstrenge Religionslehrerinnen. Das ist also der Stoff, aus dem die Lehrerträume sind? Klar, dass Algebra und Wilhelm Tell da keine Chance haben! Also, Mädels, habt wenigstens dieses Jahr Mitleid mit den geplagten Pädagogen und schmeißt euch in Sackleinen, ok?
2004
Erinnern Sie sich noch, welche Weltmeisterschaft im Sommer 2004 zum ersten Mal stattfand? Wir hätten da folgende Vorschläge: Handyweitwurf, Gartenmöbelstapeln. Wet-T-Shirt oder Arschbomben. Richtig, im fränkischen Bayreuth fand im Sommer 2004 die erste Arschbomben-WM statt. Sieger wurde der 19-jährige Bayreuther Christian Guth. Die Jury bewertet die klassische Arschbombe, die vom 10-Meter-Turm gesprungen wird, nach folgenden Kriterien: Lautstärke des Einschlags ins Wasser, Volumen der aufsteigenden Wassersäule, Haltung und Gesichtsausdruck während der Arschbombe sowie Applaus am Beckenrand.
Im Sommer 2004 trugen die Medien dann ein deutsches Kulturgut zu Grabe. Das Arschgeweih. Hausfrauen, Arzthelferinnen, Studentinnen - quer durch die Damenwelt zog sich bis zum Sommer 2004 der Trend, sich raumfüllende, hirschgeweihförmige Verzierungen ins Steißbein gravieren zu lassen. Dank tiefer gelegter Hosenbünde war die Botschaft für jeden Hintermann sichtbar: "Nimm mich! Mach mir den Hirsch!" Doch dann geschah es: Jemand brachte das Wort vom "Arschgeweih" in Umlauf, und fortan wurde das Naserümpfen über Arschgeweihe und ihre Trägerinnen zum gesellschaftlichen Konsens. Die Folge: Dicke Narben auf Steiß und Seele.
2005
Im Mai 2005 – also noch vor dem eigentlichen Sommerloch - ersteigerte ein texanisches Online Casino für 188.938 Euro und 88 Cent einen gebrauchten VW Golf. Ein eher ungewöhnlicher Preis für einen deutschen Kleinwagen, der sich nach Ansicht des neues Besitzers mit dem berühmte Vorbesitzer rechtfertigen ließ: Papst Benedikt XVI, der als Golffahrer noch Joseph Ratzinger hieß. Ein Zivi aus Olpe dürfte sich ganz besonders über das "Habemus Papam" gefreut haben. Der metallic-graue VW-Golf, den der 21-jährige Benjamin Halbe im Januar 2005 bei einem VW-Händler erstand, hatte zuvor Kardinal Joseph Ratzinger in Rom als Privatwagen gedient. Kaum war der neuer Papst gewählt, versteigerte Halbe den Wagen für knapp 200.000 Euro an das texanische Online-Casino "Golden Palace".
Der Mai 2005 war ein guter Monat – für Sommerlöcher und Partyluder. Paris Hilton hielt Hof in Deutschland. Brutal ging es da zu im ach so kühlen Norden! Von hanseatischer Zurückhaltung war beim Besuch Paris Hiltons in einer Hamburger Parfümerie wenig zu spüren. Als sich Hilton samt zehnköpfiger Entourage den Weg in die Parfümerie bahnte, brach Chaos aus. Ein Strom aus Schaulustigen und Reportern überflutete den Laden, Regale wurden umgerissen, Flakons flogen durch die Luft. Die Hotelerbin flüchtete wenig professionell in den Keller. "Paris kriegt Platzangst", wurde über Lautsprecher gemeldet. Nachdem sich der "Tsunami namens Paris" (so ein Douglas-Mitarbeiter) gelegt hatte, schenkte Miss Hilton Fans und Presse doch noch ein gequältes Lächeln.
Im Sommer 2005 warnten die Medien dringend vor "Eichenprozessionsspinnern". Doch mitnichten verbargen sich hinter diesem schönen Namen die Mitglieder einer radikalen Freikirche, ein mafiöser Bestattungsunternehmer oder aufständische Arbeiter aus der Textilindustrie. Nein, der Eichenprozessionsspinner ist ein unscheinbarer Schmetterling. Seine Raupen dagegen wahre Monster! Sie fressen ganze Eichen kahl, beim Menschen verursachen ihre "Gifthaare" Juckreiz, Hautausschlag und Asthma. "Raupenalarm!" wurde ausgerufen, das Plantschen im Baggersee - ein unkalkulierbares Risiko!
Der Abgesang
Trotz Partyludern, Mallorca-Rolf und Arschgeweihen - mein absolutes Sommerloch-Highlight der vergangen Jahren ist immer noch eine Meldung aus dem Jahr 2001. Eine kanadische Ufo-Sekte hatte damals Großes vor und machte damit Schlagzeilen. Wer sich daran noch erinnern kann, ist gut! Wir helfen und stellen vier Antwortmöglichkeiten vor. A) Die Sekte wollte beweisen, dass Elvis Presley in Meckpomm lebt B) Sie wollte ihren Hauptsitz auf den Mond verlegen C) Sie wollte das weiße Haus weglasern D) Sie wollte Adolf Hitler aus dessen Knochen klonen
Die richtige Antwort lautet: Sie wollte Hitler klonen. Hätten Sie’s gewusst. Im Sommer 2001 sorgte eine aberwitzige Meldung für transatlantischen Wirbel: Eine gewisse "Raelianer"-Sekte aus Kanada, für die alle Menschen ihr Dasein den Klon-Aktivitäten von Außerirdischen verdanken, habe vor, Adolf Hitler zu klonen, um ihn für seine Kriegsverbrechen vor Gericht zu stellen. Überreste von Hitlers verkohltem Leichnam - die Schädeldecke und Teile seines Kiefers - lagern seit Jahrzehnten im Moskauer Staatsarchiv. Wenn das der "Führer" wüsste!
Jörg Peter Urbach, wissen.de-Redaktion