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Psycho-Trick überbrückt Geschlechterunterschied
Frauen und Männer verhalten sich in Wettbewerbssituationen meist unterschiedlich: Während sich die Herren der Schöpfung typischerweise gerne Konkurrenzkämpfen stellen, scheut das weibliche Geschlecht den Wettbewerb eher. Studien zeigen, dass sich diese Unterschiede unter anderem in der Arbeitswelt spürbar auswirken. Der Umgang mit Konkurrenzsituationen ist demnach ein wesentlicher Faktor für die Benachteiligung von Frauen im Berufsleben. Er führt dazu, dass weibliche Angestellte noch immer geringere Löhne beziehen und niedrigere Positionen besetzen.
Unbewusste Manipulation
Politische Maßnahmen wie Quotenregelungen sollen diese Diskrepanzen ausgleichen - doch womöglich geht es auch einfacher. Denn wie Wissenschaftler um Matthias Sutter vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern herausgefunden haben, lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit von Männern und Frauen schon durch einen simplen psychologischen Trick angleichen: mithilfe des sogenannten Primings.
Unter Priming verstehen Psychologen die unbewusste Beeinflussung des Denkens und Handelns, indem Menschen auf ein bestimmtes Reiz-Reaktions-Schema vorbereitet werden. Wird zum Beispiel ein Bankangestellter gefragt, wie lange er schon in einer Bank arbeitet, welche Aufgabe er dort hat und so weiter, reagiert er in Folge in der Rolle des Bankers. Spricht man dieselbe Person dagegen auf private Dinge wie Hobbys an, ist sie auf ihre Rolle als Privatperson in der Freizeit "geprimt".
Rechnen unter Druck
"In unserem Fall haben wir Priming verwendet, um einem Teil unserer Studienteilnehmer eine Situation vor Augen zu führen, in der sie Einfluss hatten", erklärt Sutter das Experiment. "Zum Vergleich ließen wir einen anderen Teil eine Situation nachvollziehen, in der sie von anderen abhängig waren und eine dritte Gruppe wurde gar nicht mittels Priming manipuliert."
In einem Test mit mehr als 400 Probanden untersuchten die Forscher, ob sich diese Form des Primings auf das Verhalten in Konkurrenzsituationen auswirkte. In Gruppen aus jeweils zwei Männern und zwei Frauen sollten die Teilnehmer so viele zweistellige Zahlen wie möglich addieren. Dabei erhielten sie in einem ersten Durchgang für jede richtige Rechnung einen Euro. Beim zweiten Durchlauf standen die Gruppenmitglieder in Konkurrenz zueinander: Die Person, die die meisten Aufgaben lösen konnte, erhielt vier Euro pro korrekter Antwort. Alle anderen gingen leer aus.
Wettstreit oder Soloauftritt?
Beim dritten und entscheidenden Durchgang durften die teilnehmenden Personen schließlich zwischen den Bezahlverfahren aus Durchgang eins und zwei wählen. Wofür würden sie sich entscheiden? Das Ergebnis: In der nicht geprimten Gruppe zeigte sich das geschlechtstypische Muster: 40 Prozent der Männer, aber nur vierzehn Prozent der Frauen entschieden sich für den Wettbewerb. Waren die Probanden zuvor mit einer Abhängigkeitssituation konfrontiert worden, war die Verteilung ähnlich.
Nicht so bei den Teilnehmern, denen beim Priming zuvor ein Machtgefühl in Erinnerung gerufen worden war: Bei den Männern wählten in dieser Gruppe nur noch 28 Prozent die Konkurrenzsituation. Bei den Frauen dagegen zeigte sich ein gegenteiliger Effekt - sie entschieden sich mit 20 Prozent etwas häufiger als in der neutralen Gruppe dazu, mit anderen in den Wettbewerb zu treten.
Angleichender Effekt
Wie lässt sich dieses Phänomen erklären? Die Forscher glauben: Die Erinnerung an eine einflussreiche Situation ermöglicht allen Personen eine realistischere Einschätzung der eigenen Fähigkeiten. Während dies bei Frauen teilweise das Selbstbewusstsein stärkt, hält es Männer eher davon ab, sich selbst zu überschätzen und ein unnötiges Risiko einzugehen. Schlussendlich führen diese Effekte dazu, dass sich beide Geschlechter in ihrem Wettbewerbsverhalten einander annähern.
Diese Erkenntnis könnte in Zukunft dabei helfen, Geschlechterunterschieden im Berufsumfeld entgegenzuwirken. Sutter und seine Kollegen sehen für ihre Methode beispielsweise Anwendungsmöglichkeiten in Schul- oder Fortbildungsbereichen. "Langfristig könnte Power-Priming zu einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen in Führungspositionen beitragen, in denen der Wettbewerb um attraktive Arbeitsplätze ein Muss ist. Die Ergebnisse erfordern jedoch noch mehr Forschung, gerade zur Umsetzung und Wirkungsbewertung in der Praxis", so ihr Fazit.