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Rappbodetalsperre – die höchste Talsperre Deutschlands
Grundsätzlich ist eine Talsperre ein Bauwerk, wie zum Beispiel eine Staumauer, die das in Flüssen fließende Wasser zu Stauseen aufstauen kann. Solche Talsperren haben eine ganze Reihe wichtiger Funktionen. Sie sorgen vor allem für eine Speicherung des Wassers und damit eine mögliche Anpassung des Wasserangebots an den Wasserbedarf. Fällt beispielsweise viel Regen, führen die Flüsse viel Wasser und der Stausee füllt sich. Das Wasser kann nun so lange gespeichert werden, bis es zum Beispiel bei Trockenheit wieder benötigt und aus dem Stausee abgelassen wird.
Häufig wird das gespeicherte Wasser dann zu Trinkwasser aufbereitet, es kann aber auch als sogenanntes Brauchwasser beispielsweise von Industrien oder manchmal zur Bewässerung in der Landwirtschaft genutzt werden. Beim Ablassen des Wassers können Talsperren zudem der Stromerzeugung dienen. Das Wasser, das aus dem Stausee nach unten hin abfließt, treibt mit seiner Energie Turbinen an, die Strom erzeugen. Genauso sorgen Talsperren aber auch für einen Schutz vor Hochwasser, da der Stausee große Regenmengen auffangen und dosiert wieder abfließen lassen kann.
Talsperre beeindruckender Ausmaße
Auch Deutschlands höchste Talsperre, die Rappbode-Talsperre im Harz, erfüllt diese Aufgaben. Ihre Staumauer ist beeindruckende 106 Meter hoch und 415 Meter lang und erstreckt sich quer durch das Bett des Flusses die Rappbode. Dadurch staut ie Talsperre etwa 113 Millionen Kubikmeter Wasser zur Trinkwasserversorgung, Stromerzeugung und Schutz vor Hochwasser auf.
Das Wasservolumen im Rappbode-Stausee entspricht knapp 600 Millionen Badewannen voll. Mit dieser gewaltigen Wassermenge stellt die Talsperre zum größten Teil Trinkwasser für fast eine Millionen Menschen aus der Region bereit. Daneben kann die Talsperre mithilfe der Turbinen aber auch bis zu 5,5 Megawatt Strom erzeugen, so viel wie etwa 5.000 Wasserkocher verbrauchen. Mit einer solchen Leistung können im Schnitt etwa 4.000 Haushalte mit Strom versorgt werden. Aber auch der volle Stausee weist beeindruckende Maße auf: Er ist acht Kilometer lang und 500 Meter breit.
Ein großes System
Doch die Rappbode-Talsperre ist Teil eines noch viel größeren Netzwerks. Sie bildet das Herzstück eines ganzes Talsperrensystems, in welchem ihr fünf weitere Talsperren vor- oder nachgeschaltet sind. Zu diesem System gehören dabei zwei sogenannte Vorsperren, die schon im Vorhinein mögliche Verunreinigungen wie Baumstämme, Geröll oder Öl aus dem Wasser filtern und daher wichtig für die Trinkwassererzeugung weiter stromabwärts sind.
Ebenfalls der Rappbode-Talsperre vorgeschaltet ist eine sogenannte Überleitungssperre, die einen anderen Fluss, die Bode, staut und einen Teil ihres Wassers in die Rappbode-Talsperre ableitet. Außerdem zählen zwei weitere Talsperren zu dem System, von denen eine besonders auf Hochwasserschutz und die andere auf Stromerzeugung ausgelegt ist. Bis zu 80 Megawatt Strom können dort erzeugt werden. Letztere stellt das Endstück des gesamten Systems dar. Sie dient nicht der Trinkwassererzeugung und so können Touristen ihren Stausee zur Naherholung nutzen und beispielsweise baden oder Boote ausleihen.
Touristen-Attraktion: Wallrunning und Doppelseilrutsche
Die Rappbodetalsperre ist ein beliebtes Touristenziel im Harz. Die Staumauer mit ihren beeindruckenden Maßen ist dabei nicht nur Sehenswürdigkeit, sondern kann aktiv genutzt und betreten werden. Touristen genießen die schöne Aussicht, wenn sie einem der vielen Wanderwege folgen oder seilen sich beim „Wallrunning“ gut gesichert aus schwindelerregender Höhe ab.
Einen weiteren Adrenalinkick verspricht auch die längste Doppelseilrutsche Europas, in der man gut verschnürt und an einem Seil hängend aus 120 Metern Höhe mit einer Geschwindigkeit von bis zu 80 Stundenkilometern über das Wasser rast. Diese Seilrutsche startet oberhalb der Staumauer und überspannt die Rappbode-Talsperre. Schwindelfrei sollte man aber auch für ein weiteres Touristenziel sein: die längste Hängebrücke Deutschlands. Sie verläuft parallel zur Staumauer und nur etwa 50 Meter von ihr entfernt und überspannt den tief unten liegenden Ausfluss der Talsperre. Wer sich einmal überwunden hat, die frei hängende Brücke zu betreten, kann auf diesen 485 Metern eine wundervolle Aussicht genießen.
… und Ingenieure
Aber die Rappbodetalsperre ist nicht nur für Touristen eine Attraktion. Neben ihren außergewöhnlichen Maßen weist sie weitere bauliche Besonderheiten auf, die sie von anderen Talsperren unterscheidet und dadurch auch auch technisch zu einer Attraktion macht.
Dazu zählen beispielsweise ganz spezielle Fugen. Fugen entstehen immer zwischen zwei aneinander liegenden Bauteilen, wie zwei Steinen im Mauerwerk, und können dort entstehende Bewegungen ausgleichen - zum Beispiel, wenn sich Materialien durch Wärme ausdehnen oder großem Druck ausgesetzt sind, wie es beispielsweise Staumauern sind.
Die besonderen Feldfugen der Rappbode-Talsperre ermöglichen diesem großen und starren Bauwerk eine Beweglichkeit, die die Entstehung von Rissen verhindern soll. Ebenso zählt auch ein ausgeklügeltes Gangsystem im Inneren der Staumauer für deren Überwachung, zu den Besonderheiten der Rappbode-Talsperre. Wahrscheinlich auch dank dieser durchdachten Konstruktion ist es möglich, dass die Staumauer nun seit über 60 Jahren steht und ihre Aufgaben erfüllt.
Daher wurde die Rappbodetalsperre in diesem Jahr von der Bundesingenieurkammer als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ ausgezeichnet. „Mit der Rappbode-Talsperre haben Ingenieurinnen und Ingenieure auf eindrucksvolle Weise gezeigt, was sie technisch und von der konstruktiven Gestaltung her möglich machen können", erklärt Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer. "Bis heute leistet das Bauwerk einen wichtigen Beitrag zum Schutz und zur Versorgung der dort lebenden Menschen.“