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Umweltschutz in cool

Umweltschutz hat immer mit Einschränkung zu tun? Damit, sich etwas verkneifen zu müssen, um Mutter Natur was Gutes zu tun? Manchmal ist das wirklich so. Aber längst nicht immer. Denn was Spaß macht, tun die meisten Menschen doch ein bisschen lieber als das, was sie sich selbst abringen müssen. Das zeigen die folgenden Projekte. Sie alle machen aus Altem Neues – aber eben mit Startup-Power und einer Menge Spaß und Kreativität dahinter.

Klar kann man alte Bälle und Schuhe bepflanzen – echtes Upcycling stellt jedoch einen richtigen Mehrwert dar.

fotolia.com, avizzara

Recycling – Upcycling?

Zunächst aber ein bisschen Wissen. Denn der Unterschied zwischen Re- und Upcycling mag so manchem nicht ganz klar sein, aber eigentlich ist es ziemlich einfach.

  • Beim Recycling wird Müll in seine Grundbestandteile zerlegt und daraus etwas Neues gemacht. Bestes Beispiel: Die Einwegflasche. Nachdem man die in den Pfandautomaten gesteckt hat, wird sie geschreddert und das so gewonnene Kunststoffgranulat verwendet, um neue Flaschen (oder andere Kunststoff-Sachen) damit herzustellen.
  • Beim Upcycling umgeht man die Rohstoff-Stufe und benutzt das weggeworfene Material direkt, um etwas Neues damit zu machen. Wer also an einer alten Jeans die Beine abschneidet, die Löcher zunäht, oben einen Gurt und einen Reißverschluss ergänzt, um so eine Handtasche herzustellen, der betreibt ebenso Upcycling wie jemand, der sich seine zerschlissene Lederjacke zum Portemonnaie umschneidert.

Also: Beim Recycling wird bis auf den Grundstoff zerlegt, beim Upcycling wird gleich aus dem Ausgangsprodukt Neues erschaffen.

1. Mehr Schlauch, bitte

Der beinharte Feuerwehralltag zerschleißt irgendwann jeden Schlauch. Dann aber ist er immer noch perfekt für Firewear geeignet.

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Schon mal über Feuerwehrschläuche nachgedacht? Nein? Schade, denn eigentlich sind die kleine technische Wunderwerke, die mit ihren, in Gärten werkelnden Verwandten nur noch den Namen gemein haben. Außen eine Schicht dichtgewebter Kunstfaser, der selbst zerbrochene Fenster nichts anhaben können, drinnen ein Spezialgummi, der höchste Drücke aushält.

Doch selbst der beste Feuerwehrschlauch hat irgendwann ausgedient, denn das Auf und Ab von mehreren Bar Druck, das ständige Ein- und Abrollen macht ihn mürbe. Den Schlauch aber zu schreddern, wäre aufgrund der buchstäblich bombensicheren Konstruktion aber eine Schande – das zumindest dachten sich zwei Brüder aus Köln. Sie gründeten das Unternehmen Feuerwear und tun dort nichts anderes, als Upcycling zu betreiben. Und zwar ausschließlich mit Feuerwehrschläuchen als Ausgangsprodukt. Vom Rucksack über die Handyhülle bis hin zum wahrhaft reißfesten Hosengürtel geht die Palette – und die haben alle Attribute, die auch der Schlauch besitzt. 

2. Ist ja bannerhart!

Wetterfest, wasserdicht und mega-stabil. Dank diesen Attributen wird Bannerstoff zum perfekten Ausgangsmaterial für Comebags.

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Banner fristen oft ein schnelllebiges, trauriges Dasein. Sie werden nach allen Regeln der Kreativität gestaltet, bedruckt und wenn dann das darauf angekündigte Event beendet ist, flattern sie noch ein paar Tage im Wind, bevor auch sie im Müll landen – auch das eigentlich eine Verschwendung erster Güte, denn was das Material anbelangt, sind solche Banner nicht minder robust als die Feuerwehrschläuche und dazu ebenfalls absolut wasserdicht verwebt.

Auftritt Comebags. Das ist ein Unternehmen, das den Upcycling-Gedanken von der anderen Seite aus angeht. Denn die Firma aus Bruchsal wartet nicht nur darauf, dass sie gebrauchte Banner bekommt, sondern arbeitet direkt mit deren Produzenten zusammen. Denn bei der Herstellung fällt eben auch eine Menge Verschnitt an – und der ist für das Comebags-Geschäftsmodell ebenso gut geeignet, wie LKW-Planen und ähnliche Stoffe der Güteklasse „Mega-robust“. Comebags reinigt das Material, bedruckt es nach Kundenwünschen und fertigt dann daraus Rucksäcke und Taschen, die wiederum im B2B-Bereich weiterverkauft werden. Und ganz nebenbei sind auch noch Menschen mit Behinderungen eingebunden – sie sind nämlich die Künstler, die den dicken Stoff an der Nähmaschine in Taschen verwandeln.

3. Ziemlich aufgeblasen

Das Nylon-6,6 für Airbags ist federleicht aber trotzdem extrem reißfest. Das nutzt Kar-Bags für seine Taschen und Säcke.

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Die beiden bisherigen Unternehmen nutzen für ihre Produkte schwere, superrobuste Stoffe. Einen ähnlichen, aber filigraneren Weg geht der Dritte im Bunde. Denn was passiert eigentlich mit Airbags, wenn sie ausgebaut werden? Etwa weil ein elektronisches Bauteil versagt hat oder das Auto in die Presse soll? Normalerweise werden sie dann in ausgelöst und dann – sie bestehen ja zum Großteil aus Kunststoff – dem Recycling-Kreislauf zugeführt.

Eigentlich schade, denn der Airbag selbst, also das, was sich im Notfall aufbläst, besteht aus Nylon-6,6 – ein echter Wunderstoff: leicht, wetterbeständig, ziemlich weich und äußerst reißfest. Und wie könnte es anders sein, haben sich auch dafür clevere Köpfe eine Nachverwendung einfallen lassen. Die Firma Kar-Bag besorgt sich solche Alt-Airbags (aus Pietät aber keine aus Unfallfahrzeugen), trennt das wertvolle Nylon ab und macht daraus kleine Taschen und Accessoires. Und wenn das Unternehmen aus Oer-Erkenschwick schon bei der Altauto-Verwertung zugange ist, findet auch ein weiteres Sicherheits-Feature eine Zweitverwendung: Die Sicherheitsgurte nämlich, die sich wegen ihrer extremen Reißfestigkeit und dem guten Hautgefühl perfekt als Tragegurte für die Air-Bags eignen.

4. Wellen-Reiten

Ihre Robustheit macht herrenlose Fischernetze zum langjährigen Problem für die Meeresfauna – und zum Super-Rohstoff für Bueros langlebige Skateboards.

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Das erste ausländische Unternehmen dieses Artikels und gleichzeitig auch der erste Recycler macht sich ein echtes Umweltproblem zunutze. Denn Jahr für Jahr verlieren Fischerboote Netze. Meist deshalb, weil diese sich am Grund in irgendetwas verfangen und das Schiff nur noch durch Kappen der Schleppleinen freizubekommen ist. Oft aber auch, weil „Versenken“ die günstigste Methode ist, ein altes, nicht mehr reparaturwürdiges Netz zu entsorgen.

Für die maritime Flora und Fauna ist das natürlich ein Problem, ein gewaltiges sogar, das geschätzt zehn Prozent der Kunststoffverschmutzung der Ozeane ausmacht. Denn die Netze bestehen aus äußerst robustem Plastik, sie verrotten nicht und treiben als Geisternetze oft noch jahrzehntelang durch die Weltmeere. In der Ostsee hat sich mittlerweile der WWF der Sache angenommen – auf der anderen Seite des Globus, vor Chile, geht man indes mit pazifischer Lässigkeit an das Problem heran. Dort arbeitet nämlich die Firma Buero. Und Buero macht zwei Dinge: Erstens animiert das Unternehmen die örtlichen Fischer, nicht einfach alte Netze über Bord zu werfen, sondern der Firma zur Verfügung zu stellen. Zweitens vergibt Buero „Sammelpunkte“ für Seefahrer und Privatleute, die auf eigene Faust herrenlose Netze aus dem Meer fischen.

Und jetzt kommt das Lässige: Buero zerkleinert die Netze und macht sie zu Kunststoffgranulat. Doch daraus entstehen keine langweiligen Becher und Brotdosen, sondern Skateboards, Frisbees und Sonnenbrillen. Und die sind wegen des fischigen Ausgangsmaterials nicht minder robust als die Netze – aber weitaus weniger gefährlich für die Meeresfauna.

5. Aus dem Kaffee in den Kaffee

Kaffeepulver, Wasser und Zucker. Daraus entsteht nicht nur ein guter Espresso, sondern lässt sich tatsächlich auch eine haltbare Kaffeetasse pressen.

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Was Kreativität anbelangt, verdient Punkt 5 unserer Liste definitiv einen Ehrenplatz. Denn hier ist buchstäblich alles Kalter Kaffee. Doch der Reihe nach. Was passiert mit Kaffeesatz, wenn heißes Wasser ihm seine Aromen entzogen hat? Genau, er landet im Müll oder bestenfalls auf dem Kompost.

Da aber allein in Deutschland jährlich pro Kopf rund 162 Liter des schwarzen Gebräus getrunken werden, sind das buchstäblich Tonnen von Kaffeesatz. Mit der Jahresproduktion könnte Deutschland jeden Wahrsager auf der Welt bis an sein Lebensende mit Material versorgen – oder aber den Kaffeesatz zur Kaffeetasse machen. Das zumindest dachte sich Produktdesigner Julian Lechner. Er, der im Studium literweise davon trank, überlegte mehrere Jahre lang, wie er aus dem Kaffeesatz etwas Nützliches machen könnte. Bis er darauf verfiel, das Pulver zu trocknen und mit karamellisiertem Zucker zu vermischen. Heraus kommt ein Material, das nicht nur spülmaschinenfest, sondern essbar ist – und sich zu einem holzartig anmutenden, kunststoffgleichen Gebilde pressen lässt. Kaffee Form war geboren. In Berlin nahm Julian Lechner direkt eine Reihe von Cafés rund um seinen Firmenstandort mit ins Boot – in der Hauptstadt der Hipster reißt ihm so der Nachschub garantiert nicht ab. Und so entstehen dort Kaffeetassen und Untertassen aus Kaffee und Zucker – der vielleicht kürzeste Recycling-Kreislauf, den man sich vorstellen kann.

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