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Unterwegs - Meeresschätze

Die Haut an meinen Füßen spannt. Ich mag das Gefühl nicht, das sich einstellt, nachdem ich den Strand entlang spaziert bin und Wellen gejagt habe. Salzwasserfüße. Schnellstmöglich folge ich dem Zwang, sie zu waschen: abspülen, einseifen, nochmals gründlich abspülen, trocken rubbeln, eincremen. Selbst dann noch dauert es eine Weile, bis sich meine Füße wieder anfühlen wie die Füße, die ich gewohnt bin.

Das Motel befindet sich unmittelbar am Meer. Das Zimmer ist schlicht, unbedeutend, detaillos. Ich werde mich später nicht mehr daran erinnern. Doch das Bad hat etwas Liebliches, Sorgfältiges. Die Tapete ist fein liniert. Wie von Hand gezeichnet; zittrige blaue Linien. Auf dem Duschvorhang ranken sich Blumen. Die Schale Potpourri, die auf dem Spülkasten der Toilette steht, verströmt einen dezenten, angenehmen Duft. Das hier fühlt sich nicht an wie ein Motelbad. Eher wie ein Badezimmer irgendwo daheim.

Ins Lavabo habe ich vorsichtig all meine Muscheln gelegt. Meine Meeresschätze. Ich lasse kaltes Wasser einlaufen, lasse die Muscheln durch meine Finger gleiten. Fühle ihre runden Formen, ihre teils scharfen Kanten, fühle die Rillen. Ich gebe mich ganz meiner Beschäftigung hin. Für eine Weile, bis Josh an die Badezimmertür klopft und mich zurückholt ins Hier. Ich lasse das Wasser ablaufen. Zurück bleiben die glänzenden Muscheln und ein wenig Sand.

Nachts im Bett, da werde ich wie letzte Nacht dem Ozean lauschen. Nur dass ihm heute ein paar Muscheln fehlen.

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