wissen.de Artikel

US-Wahlkampf: Personenkult um Donald Trump

Bei den US-Wahlen am 5. November wird auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump erneut um die Präsidentschaft kandidieren. Trotz einer ellenlangen Liste von Straftaten und -verfahren hat er zahlreiche treue Anhänger. Wie ist das möglich? Unterscheiden sich die Charakterzüge der extremen Trump-Loyalisten von anderen Menschen? Und wie hängen diese Eigenschaften mit dem Personenkult um den Präsidentschaftskandidaten zusammen?
THE, 30.10.2024
Donald Trump im Strahlenkanz

© Donald Trump (cropped): Gage Skidmore via flickr / CC BY-SA 2.0; Strahlenkranz: GeorgePeters, iStock

Die Liste der Skandale des Ex-US-Präsidenten und aktuellen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump ist beinahe so lang wie ein Telefonbuch – unter anderem zahlte er der Pornodarstellerin Stormy Daniels Schweigegeld, damit sie ihre gemeinsame Affäre verschweigt, boykottierte nach seiner Wahlniederlage die Amtsübergabe an seinen Nachfolger Joe Biden und ist zudem wegen sexuellen Missbrauchs, Finanzbetrug und illegaler Wahlbeeinflussung angeklagt. 

Loyalität zu Trump – trotz allem

Doch obwohl sich der Immobilienunternehmer und ehemalige TV-Host immer wieder massive politische Fauxpas leistet, scheinen der Loyalität vieler Republikaner gegenüber Donald Trump kaum Grenzen gesetzt. Als Trump nach seiner Wahlniederlage gegen Joe Biden beispielsweise immer wieder behauptete, dass dieser die Wahl gefälscht hätte, glaubten ihm laut einer Umfrage der Quinnipiac University rund drei Viertel der Republikaner. Und das, obwohl zahlreiche US-amerikanische Gerichte und Institutionen diese Behauptungen zurückwiesen.

Und auch, als die Moderatoren bei einer Fernsehdebatte im US-Sender Fox News acht republikanische Kandidaten fragten, ob sie Trump auch als verurteilten Straftäter noch als Präsidentschaftskandidaten unterstützen würden, hoben sieben von ihnen bestätigend die Hand. „Seine Anhänger vertrauen Trump mehr als Gerichten oder anderen Institutionen“, erklärt der US-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama gegenüber der ZEIT.

MAGA-Anhänger teilen bestimmte Persönlichkeitsmerkmale

Doch warum sind die Republikaner gegenüber Trump derartig loyal? Was prägt die nach Trumps Slogan "Make America Great Again" auch als MAGA-Anhänger bezeichneten Menschen? Grund für dieses Phänomen könnten bestimmte Charakterzüge sein, die die Trump-Ultras miteinander teilen, vermuten die Politikwissenschaftler Benjamin Goldsmith und Lars Moen. Deshalb befragten sie über 1.000 US-Amerikaner zu ihren politischen Positionen, sowie zu ihren individuellen Charakterzügen.

Um als wahre Trump-Anhänger zu gelten, mussten die Befragten dabei drei Ansichten vertreten: Sie mussten an Trumps Führungsqualitäten glauben, ihn trotz des offiziellen Siegs von Biden als den rechtmäßigen Sieger der Präsidentschaftswahl 2020 sehen und zudem denken, dass Trump einen überlegenen Status hat, welchen ihm die Massenmedien häufig nicht zugestehen – diese Ansichten teilen immerhin rund zehn Prozent der US-Amerikaner.

Die persönlichen Eigenschaften der „Hardcore“-Trump-Fans ermittelten Goldsmith und Moen anhand der Big 5, eines Persönlichkeitstests, der die Eigenschaften von Menschen in fünf Kategorien einteilt – Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, soziale Verträglichkeit und Neurotizismus. Jede der fünf Eigenschaften bewegt sich dabei auf einer Skala zwischen zwei Extremen, wobei die meisten Menschen irgendwo im Mittelfeld liegen.

Trump-Loyalisten sind diszipliniert und verschlossen

Trump-Anhänger scheinen laut der Studie besonders bei zwei Persönlichkeitsmerkmalen besondere Werte zu erzielen, wie die Analysen ergaben: Zum einen sind sie psychologisch gesehen besonders gewissenhaft. „Gewissenhaften Personen wird zugeschrieben, überlegt und genau, zuverlässig, ordnungsliebend und selbstdiszipliniert zu sein“, erklären Goldsmith und Moen. „Bei näherer Betrachtung unserer Daten zeigte sich, dass Trump-Anhänger in der Dimension der Gewissenhaftigkeit vor allem bei der Facette Selbstdisziplin auffällig hohe Werte erzielten. Selbstdisziplin bedeutet, konzentriert, zuverlässig und ausdauernd zu sein.“

Auf den ersten Blick scheint dies dem teilweise impulsiven Verhalten vieler MAGA-Anhänger zu widersprechen. Doch wie Goldsmith und Moen erklären, zeigt sich die Zuverlässigkeit und Ausdauer der Trump-Republikaner vor allem in Bezug auf ihre Beziehung zu ihrem Vorbild und Anführer Trump: Sie erweisen Trump kontinuierliche und disziplinierte Folgsamkeit, etwa indem sie sich selbst während seinen Strafprozessen nicht von ihm abwenden. Im Unterschied zu klassischen Konservativen stehen bei ihnen zudem soziale Stabilität und Ordnung nicht an erster Stelle – daher sind sie auch zu destabilisierenden Handlungen wie dem Sturm auf das Kapitol bereit.

Trump-Fans sind der psychologischen Studie zufolge aber auch weniger offen als die „Durchschnittsamerikaner“ – sie sind neuen, anderen Ideen gegenüber weniger aufgeschlossen und auch ihr intellektueller Horizont ist meist begrenzter. Eine Eigenschaft, die dazu führen kann, dass Menschen nicht hinterfragen, ob ihr Anführer gute und richtige Entscheidungen trifft und ihm stattdessen unkritische Loyalität erweisen.

Trumps Selbstinszenierung als starker Anführer

In mancher Hinsicht ähneln Trump-Fans damit den Anhängern eines Kults oder einer Sekte. Gemäß der Definition der American Psychological Association zeigen Anhänger solcher Organisationen „eine übertriebene Verehrung einer charismatischen politischen, religiösen oder sonstigen Führungsperson, oft geschürt von autoritären Persönlichkeiten oder Regimen als Mittel zur Machterhaltung“, wie Goldsmith und Moen erklären. Auch MAGA-Anhänger zeigen häufig eine solche unkritische Loyalität und Gehorsamkeit und denken, dass Trump als einziger die Gesellschaft vor bestimmten Bedrohungen schützen kann. „Die MAGA-Anhänger sehen in Trump den Erlöser“, erklärt Ben-Ghiat in einem Interview mit dem CNN.

Über seinen Sonderstatus ist sich Trump allerdings durchaus bewusst. „Ich könnte mitten auf der Fifth Avenue stehen und jemanden erschießen, und ich würde keine Wähler verlieren, okay?“, bemerkte er beispielsweise im Jahr 2016 auf einer Wahlkampfveranstaltung. „Es ist unglaublich.“

Erfolgsgeheimnis Medienerfahrung

Dieses Bild von sich bestärkt Trump laut der Historikerin auch kontinuierlich selbst – etwa, wenn er bei einer seiner Wahlkampfveranstaltungen deklariert, dass „er allein die Probleme lösen“ kann. Als sein Erfolgsgeheimnis sieht sie dabei, dass der ehemalige US-Präsident ursprünglich aus dem Reality-TV stammt: Durch seine Fernseherfahrungen und zahlreichen öffentlichen Auftritte sammelte er Erfahrung darin, eine bestimmte Version von sich in den Medien darzustellen. Auch das Gespür für schlagkräftige, publikumswirksame Parolen wurde durch diese Vorerfahrungen gestärkt.

Laut Ben-Ghiat reiht er sich damit in eine lange Reihe von medienerfahrenen Autokraten ein. „Die charismatischsten starken Männer stammen oft aus der Kommunikationsbranche oder der Unterhaltungsindustrie“, erklärt die Historikerin gegenüber der Neuen Züricher Zeitung. „Die wissen genau, wie sie mit den Menschen sprechen müssen, um ihnen das Gefühl zu geben, dass sie sich um sie sorgen.“ Beispielsweise war der einstige italienische Diktator Benito Mussolini ebenfalls in der Medienbranche – er war Journalist.

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon