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Was macht Lachgas mit dem Körper?
Einfach einen Luftballon über eine Sprühsahne-Kapsel stülpen, das Gas in den Ballon entweichen lassen, die Öffnung an die Lippen halten, tief einatmen – und enthemmt loskichern. Das war lange Zeit die wohl niedrigschwelligste Art, Lachgas einzunehmen. Doch mittlerweile ist das farblose Gas mit süßlichem Geruch sogar in Kartuschen am Kiosk erhältlich, denn in Deutschland sind Verkauf und Konsum des Narkosemittels nicht verboten – unter Jugendlichen hat sich das Distickstoffoxid N2O deshalb mittlerweile zur beliebten Partydroge entwickelt.
Lachgas-Trend unter Jugendlichen
Das Narkosegas wird zunehmend genutzt, um die Stimmung aufzuhellen und Glücksgefühle und Halluzinationen zu erzeugen. Die berauschende Wirkung der Droge hat sich schnell in den sozialen Medien herumgesprochen, weshalb der Konsum insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen steigt: Von 2022 bis 2023 hat sich beispielsweise in Nordrhein-Westfalen die Zahl der dem Landeskriminalamt bekannten Missbrauchsfälle mehr als verdreifacht.
Viele Menschen fordern deshalb starke Einschränkungen der Partydroge. „Das Problem ist, dass es unterschätzt wird“, erklärt etwa Volker Limmroth, Chefarzt der Klinik für Neurologie in Köln-Merheim, im ARD-„Morgenmagazin“. „Selbst am Kiosk neben jeder Schule haben sie das inzwischen. Und das muss aufhören. Die Verfügbarkeit muss unterbrochen werden“, sagte er. „Ein Narkosemittel gehört nicht in den allgemeinen Verkauf, sondern das gehört in die Hände von Ärzten. Und nicht zwischen Gummibärchen.“
Billiger, aber hochgefährlicher Spaß
Grund für die besorgten und kritischen Stimmen sind vor allem die möglichen Auswirkungen des Narkosemittels auf den Körper: Zum einen kann Lachgas-Konsum schwere Verletzungen von Mund und Fingern zur Folge haben, denn bei der Verwendung werden die Gaskartuschen extrem kalt: Bis zu minus 55 Grad Celsius erreichen die leeren Kartuschen durch den innen herrschenden Unterdruck.
Zum anderen schädigt das regelmäßige Inhalieren aus den Sahne-Kapseln langfristig das Nervensystem. Der Grund: Häufig entsteht durch Lachgas-Konsum ein Vitamin-B12-Mangel, da die im Gas enthaltenen Stoffe die Funktion des Vitamins deaktivieren. Der resultierende B12-Mangel führt in extremen Fällen sogar zum Abbau der Myelinscheiden, den isolierenden Hüllschichten, die die Nervenfasern umgeben. Das erschwert die Reizweiterleitung in den Nervenfasern – im schlimmsten Fall treten auf Dauer Lähmungen, wie die Unfähigkeit zu Laufen, auf.
Auch neurologische Ausfälle durch Sauerstoffunterversorgung können aus dem Vitamin-B12-Mangel folgen, da das Vitamin essenziell für die Produktion von roten Blutkörperchen ist. Ein B12-Mangel kann dazu führen, dass die roten Blutkörperchen an Effektivität verlieren und Blut deshalb entsprechend schlechter Sauerstoff durch den Körper und in das Gehirn transportiert. Für die Lachgas-Langzeitkonsumenten bedeutet das im schlimmsten Fall Depression, Gedächtnisverlust oder Sehstörungen.

Rechtzeitige Erkennung wichitg
Doch nicht immer werden die Ursachen für diese Schäden korrekt identifiziert. „Wir sehen in der Klinik immer mehr Menschen, die mit neurologischen Akut-, Subakut- oder Spätfolgen ärztlichen Rat suchen. Den Lachgaskonsum erwähnen sie in der Regel bei Erstvorstellung nicht, wohl auch, weil die meisten gar keinen Zusammenhang herstellen, erst recht, wenn es sich um Spätfolgen handelt“, erklärte Gereon Fink, Vorstandsmitglied der Deutschen Hirnstiftung.
Dabei sei die Offenheit der Patienten von besonderer Wichtigkeit für eine schnelle Diagnose, da der Vitamin-B12-Mangel meistens nicht direkt im Blut nachweisbar ist und erst bei konkreten Untersuchungen auffällt. „Je früher die Diagnose bekannt ist und eine Therapie begonnen werden kann, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass keine Schäden bleiben“, so der Experte. Rechtzeitig eingeleitet sei die Therapie dann relativ einfach: Sie besteht in der hochdosierten Vitamin-B12-Gabe, doch im schlimmsten Fall sind die Schäden zu schwer und deshalb unumkehrbar.
Verbot oder Einschränkung der Partydroge?
Deshalb sorgen sich auch Politiker wie der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach um die Zunahme der Trenddroge Lachgas. Anders als in Deutschland ist das Narkosemittel beispielsweise in den Niederlanden oder Großbritannien bereits als Droge eingestuft, in Frankreich ist zumindest der Verkauf an Minderjährige verboten. Laut Lauterbach könne man Lachgas beispielsweise in die Liste von psychoaktiven Stoffen aufzunehmen, mit dann sehr strengen Regeln für den Verkauf. "Dann wäre der Zugang für Kinder und Jugendliche sehr schwer, und dann würde das als Partydroge wahrscheinlich verschwinden", so der Politiker.
Bis dahin ist wichtig, dass Eltern und Lehrer ihre Kinder vor dem Konsum der Partydroge warnen, so Peter Berlit, Generalsekretär Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Denn der Name der Droge klingt zwar wenig bedrohlich, doch die Folgen bleiben verheerend. „Es ist an der Zeit, großangelegte Informationskampagnen zu starten, um auf die Gefahren von Lachgas hinzuweisen und gerade die junge Bevölkerung zu sensibilisieren“, erklärt er.