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Wie funktioniert Gebärdensprache?
Gebärdensprache gilt als visuelle Sprache, bei der man die Worte mithilfe der Hand- und Mundbewegung und der Mimik bildet und so sichtbar macht. Weltweit können etwa 70 Millionen Menschen Gebärdensprache sprechen. Je nach Land unterscheidet sich diese: Laut der Zeitschrift „Ethnologue“ gibt es weltweit über 100 verschiedene Gebärdensprachen und zusätzlich regionale Dialekte. Ungefähr bis zu 300.000 Menschen benutzen die Deutsche Gebärdensprache (DGS).
Woher kommt die Sprache?
Erste Formen der Gebärdensprache haben sich zunächst ganz spontan unter Gehörlosen gebildet, die sich nur so miteinander unterhalten konnten. Während kleine Gruppen ihre eigene Wörter bildeten und kommunizierten, wurde 1550 erstmals versucht, tauben Kindern eine für alle gültige Gebärdensprache beizubringen. 1755 eröffnete schließlich in Paris die erste öffentliche Schule für gehörlose Kinder. Acht Jahre später gründete Samuel Heinicke eine solche Schule in Leipzig. Anfang des 19. Jahrhunderts entstand in Amerika schließlich die englische Gebärdensprache, die American Sign Language (ASL).
Doch kurze Zeit später setzte es sich durch, gehörlose Kinder zur Lautsprache zu erziehen und die Gebärdensprache zu verbieten. Diese wurde als „Affensprache“ hingestellt und in fast allen Schulen aller Länder verboten. Obwohl es für die Kinder mühsam war, die Aussprache der für sie nicht hörbaren Worte immer und immer üben zu müssen, sollte dies dazu beitragen, sie an die Normen anzugleichen – oft mit wenig Erfolg. Zudem nahm es ihnen die Chance, sich trotz ihrer Gehörlosigkeit uneingeschränkt untereinander und mit anderen zu verständigen.
Dennoch wurde die Gebärdensprache lange aus den Schulen und öffentlichen Fördereinrichtungen verbannt. In Frankreich wurde erst 1991 das Gebärdenverbot in Schulen für taube Kinder gesetzlich aufgehoben. In Deutschland ist die Gebärdensprache seit 2002 gesetzlich als eigene Sprache anerkannt und hat je nach Bundesland sogar ihren eigenen Gebärdendialekt. Mittlerweile gibt es weltweit unter anderem auch die Chinesische, Amerikanische, Französische und Thailändische Gebärdensprache. Wie die verschiedenen Lautsprachen sind auch alle Gebärdensprachen unterschiedlich.
Wie funktioniert die Gebärdensprache?
Gebärdensprachler setzen zum Sprechen ihre Hände, die Mimik, verschiedene Kopf- und Körperhaltungen sowie Mundbewegungen ein. Für die Gebärden mit der Hand wählen sie immer die dominante Seite - also mit der sie auch schreiben - oder beide Hände. Mithilfe des Gesichtsausdruck oder der Stellung der Augenbrauen können Gehörlose zusätzlich Stimmungen zeigen. So unterscheidet sich die Mimik zum Beispiel, wenn man eine Frage mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet.
DIe Gesten der Gebärdensprache besitzen wie die Lautsprache eine Grammatik, die es erlaubt, komplexe Sachverhalte auszudrücken. Die Grammatik der Gebärdensprache unterscheidet sich von der der Lautsprache hauptsächlich in ihrem Satzbau. So kommen Ort- und Zeitangaben an erster Stelle, gefolgt von Subjekt, Objekt und dem Verb. Statt also zu sagen „Du gehst heute ins Theater“ heißt es: "Heute du Theater gehst".
Für fast jedes beliebige Wort gibt es eine eigene Gebärde, sogar für den eigenen Vornamen besitzen Gehörlose eine bestimmte Gebärde: Diese erhält jeder in der Gebärdensprachgemeinschaft und bleibt meist ein Leben lang. Die Namensgebärde wird häufig von anderen Gehörlosen ausgewählt und wird nach einem typischen, oft äußerlichen Merkmal des Menschen ausgewählt.
Ein eigenes Alphabet
Während es für die meisten Wörter eine bestimmte Gebärde gibt, kommt es auch vor, dass zum Beispiel für einen Fachausdruck oder einen neuen Namen keine spezifische Bewegung bekannt ist oder jemand etwas buchstabieren möchte, wie etwa eine Abkürzung. Dann nutzen Gehörlose das sogenannte Fingeralphabet. Damit lässt sich jeder Buchstabe und auch jede Zahl von eins bis zehn visuell mit den Fingern darstellen.
Wie manche Gebärden ist auch dieses Alphabet nicht in allen Länder der Welt das gleiche. Das liegt daran, dass einige Länder, wie beispielsweise Russland, mit einer anderen Schrift arbeiten und daher auch andere Symbole nutzen. Die einzigen Zeichen, die alle Gebärdensprachler weltweit kennen, sind die Buchstaben I-L-Y. Sie stehen für "I love You" und werden unter Gehörlosen als Gruß und Solidaritätszeichen verwendet, um sich zu zeigen, dass man zusammengehört.
Gebärdensprache als Muttersprache
Für Kleinkinder ist der Spracherwerb entscheidend. Das Erlernen der sprachlichen Strukturen und Logik prägt und fördert die geistige Entwicklung und Kommunikationsfähigkeit. Entsprecht wichtig ist es, dass auch gehörlose Kinder von Beginn an eine echte Sprache lernen – in ihrem Fall die Gebärdensprache.
Aus dem Grund empfehlen Experten, dass man Kinder bereits in den ersten zwei Lebensjahren ganz natürlich mit der Gebärdensprache anspricht. So können sie früh etwa bei den Eltern beobachten, wie sie sich mit den Gebärden verständigen und diese abschauen und imitieren. Dadurch können sie mit der Zeit ihr Sprechen weiterentwickeln und sich stetig verbessern – wie es auch hörende Kinder machen. Im Laufe des Lebens können sie dann auch Fremdsprachen und die regionalen Dialekte der Gebärdensprache lernen und sich bald weltweit mit Gehörlosen verständigen.