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500 Jahre Reformation: Luther und die 95 Thesen
Das Konzept des Ablasses blickte im Mittelalter bereits auf eine lange Tradition zurück. Die Idee, dass göttliche Sündenstrafen durch bestimmte Werke der Gläubigen gemildert oder ausgesetzt werden können, war schon in der Spätantike verbreitet. Ab dem 15. Jahrhundert begann die Kirche jedoch eine beispiellose Kapitalisierung dieses Konzepts: Sie verkaufte das Seelenheil gegen entsprechende finanzielle Spenden und stopfte auf diese Weise ihre Haushaltslöcher.
Im Zuge groß angelegter Kampagnen wurden mit der Angst vor dem Fegefeuer Geschäfte gemacht, um beispielsweise baufällige Kathedralen zu restaurieren. Auch der Petersdom in Rom sollte mithilfe solcher Einnahmen fertiggestellt werden. Das Konzept ging auf: Scharenweise erwarben Menschen nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre verstorbenen Angehörigen die heiß gehandelten Ablassbriefe - Gnadenpapiere für das Jenseits.
Die Thesen
Martin Luther gefielen diese Auswüchse seiner Kirche nicht - und er machte dies mehr als deutlich. So wetterte der Augustinermönch gegen die vom Klerus geschürte Sorge vor einem strafenden Gott uns insbesondere die Ablasspraktiken. Seine Kritik fasste er schließlich in insgesamt 95 Thesen zusammen. Die wohl revolutionärste Aussage darin: Vergebung der Sünden und ewiges Leben bekommen wir nicht durch gute Werke oder Geld, sondern allein durch den Glauben.
Darüber hinaus erklärte Luther in seinen Thesen, dass die Gläubigen den Papst und die vielen Kirchenversammlungen im Prinzip gar nicht brauchen. Allein die Bibel sei als Grundlage für den Glauben genug. In einer Zeit, zu der vollem Dogmen und Traditionen das kirchliche Leben prägten und nur der Klerus Zugang zur Bibel hatte, waren das aufsehenerregende Gedanken.
Gab es den Thesenanschlag wirklich?
Am 31. Oktober 1517 soll Luther seine Thesen an das Tor der Wittenberger Schlosskirche genagelt haben. So zumindest will es die Legende. Doch ob es diesen Thesenanschlag wirklich gegeben hat, ist unter Kirchenhistorikern umstritten. Zwar war es damals durchaus üblich, Ideen durch einen öffentlichen Aushang unter das Volk zu bringen und auf diese Weise eine Diskussion anzustoßen. Dass Luther dies auch mit seinen so gewagten Thesen machte, darf allerdings bezweifelt werden.
Denn Vieles spricht nach Meinung von Experten dafür, dass der Augustinermönch zunächst eine innerkirchliche Debatte anstoßen wollte - nicht aber eine breite Volksbewegung. Demzufolge hat er eine handschriftliche Fassung seiner Disputationsthesen wahrscheinlich lediglich als Rundschreiben an seine Vorgesetzten verschickt, darunter den Mainzer Erzbischof Albrecht.
Original in Latein
Von dort aus müssen sich Luthers Ideen jedoch rasant verbreitet haben. Abschriften kursierten unter seinen Kollegen an der Universität Wittenberg und gelangten schnell in die nächstgelegenen Großstädte. Ein offenbar von dem Autor selbst beauftragter Einblattdruck der Thesen erschien noch im selben Jahr in Leipzig - verfasst in lateinischer Sprache.
Auch das spricht gegen die Legende eines öffentlichen Anschlags für das Volk. Denn hätte Luther seinen Text von Anfang an allen Bürgern zugänglich machen wollen, hätte er ihn nicht in der Wissenschaftssprache Latein verfasst. Eine volkstümlichere, für die breite Masse verständliche Variante seiner Ausführungen wurde jedoch erst im März 1518 veröffentlicht.