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Brasilien beim Nervenspiel glücklicher
In den USA holte Brasilien zum vierten Mal nach 1958, 1962 und 1970 den Titel und wurde damit alleiniger Rekord-Weltmeister. Das südamerikanische Land fiel in einen Freudentaumel, auch wenn das Team spielerisch vieles schuldig blieb.
Enttäuschendes Finale
Spielerisch war das Finale eine Enttäuschung, weil sich beide Mannschaften taktische Fesseln anlegten. Torszenen blieben Mangelware, sodass es auch nach der Verlängerung 0:0 stand. Um so spannender verlief das Elfmeterschießen. Italiens Libero Franco Baresi verfehlte schon beim ersten Versuch das Gehäuse. Dann hielt der italienische Schlussmann Gianluca Pagliuca den Schuss von Marcio Santos. Nach Toren von Demetrio Albertini und Alberigo Evani für Italien sowie Romario und Branco für Brasilien stand es 2:2. Brasiliens Schlussmann Taffarel wehrte einen Schuss von Daniele Massaro ab. Anschließend verwandelte Carlos Dunga zum 3:2. Schließlich lief Roberto Baggio an, der Italien mit fünf Treffern ins Finale geschossen hatte: Er jagte den Ball über den Kasten.
Brasilien ließ in sechs WM-Spielen insgesamt nur drei Gegentore zu und stellte mit dem fünffachen Torschützen Romario einen der großen Stars der 15. Weltmeisterschaft.
Um das Offensivspiel zu fördern, gab es in der Vorrunde erstmals drei Punkte für einen Sieg. Nur drei Spiele endeten nach dem Schlusspfiff torlos. Auch andere Neuerungen wirkten sich positiv aus: Die Schiedsrichter waren gehalten, Fouls strenger zu ahnden sowie Verzögerungen durch Nachspielzeit auszugleichen. Um Verletzungspausen abzukürzen und den Spielfluss aufrecht zu erhalten, wurden verletzte Spieler mit einer Trage vom Platz gebracht. Außerdem durften zwei Feldspieler und der Torwart ausgewechselt werden.
Zu den Schattenseiten des Turniers gehörte der "Fall Maradona". Nach dem 2:1 über Nigeria am 25. Juni wurde der argentinische Weltstar Diego Maradona, der den Zenit seines Könnens ohnehin überschritten hatte, des Dopings überführt und vom weiteren Verlauf des Turniers ausgeschlossen. Am 2. Juli wurde der kolumbianische Nationalspieler Andres Escobar in seiner Heimatstadt Medellín erschossen. Ihm war beim 1:2 gegen die USA ein Eigentor unterlaufen. Die zweite Niederlage bedeutete für Kolumbien das Aus nach der Vorrunde. Ein Augenzeuge will bei dem wahrscheinlich vom kolumbianischen Drogenkartell in Auftrag gegebenen Mord im Restaurant "Las Palmas" die Worte "Danke für das Eigentor" vernommen haben.
Überraschend rückten die international nur als zweitklassig eingestuften US-Boys in das Achtelfinale ein. Zum Star der Gastgeber, von dessen 22 Spielern 15 beim US-Fußballverband angestellt sind, wurde der Verteidiger Alexi Lalas mit seinem feuerroten Wuschelkopf. Am 4. Juli, ihrem Nationalfeiertag, scheiterten die USA auf dem Weg ins Viertelfinale mit 0:1 an Brasilien.
Zahlenmäßig war die Weltmeisterschaft 1994 ein Turnier der Superlative. 3.650.326 Zuschauer in 52 Begegnungen (70.199 pro Spiel) bedeuteten Rekord. Insgesamt wurden 141 Tore erzielt, pro Spiel im Schnitt 2,71. Der Russe Oleg Salenko und der Bulgare Hristo Stoitchkov teilen sich mit jeweils sechs Treffern die WM-Torjägerkrone. Am 28. Juni schoss Salenko beim 6:1-Sieg der Russen gegen Kamerun in San Francisco allein fünf Tore. Dies bedeutete ebenfalls WM-Rekord: So oft hatte noch kein anderer Spieler bei einer Fußball-Weltmeisterschaft in einem Spiel ins Schwarze getroffen.