wissen.de Artikel

75-jähriges Jubiläum der Mikrowelle – Innovation dank Zufall

Ein Muss in jeder Küche: Soll es in der Mittagspause oder abends nach der Arbeit einmal schnell gehen, stellen wir unser Essen häufig kurz in die Mikrowelle und können schon nach wenigen Minuten eine warme Mahlzeit verspeisen. Hinter der praktischen Erfindung steckt eine kuriose Entdeckungsgeschichte. Ihr haben wir nicht nur die Zeitersparnis in der Küche zu verdanken, denn sie findet unter anderem auch Anwendung im Mobilfunk und in der Radartechnik.
ABO, 07.10.2020

Schnell und bequem: Fast drei Viertel aller deutschen Privathaushalte besitzen heute einen Mikrowellenherd.

iStock.com, frantic00

Mikrowellen entstehen wie andere elektromagnetische Wellen auch durch Schwingungen von Elektronen in Metallen. Sie liegen in einem Frequenzbereich von einem bis 300 Gigahertz, was einer Wellenlänge zwischen rund 30 Zentimetern und einem Millimeter entspricht. Aufgrund dieser Wellenlänge sind Mikrowellen besonders zum Anregen von Dipol- und Multipolschwingungen von Molekülen geeignet.

Das machen wir uns zu Nutze, um unser Essen zu erwärmen: Denn dabei reagieren die Wassermoleküle im Essen als Dipole auf das schnell wechselnde Mikrowellen-Feld, indem sie hin und herschwingen. Diese Bewegung verursacht die Wärme, die letztlich die Mahlzeit oder das Getränk von innen nach außen erhitzt. Daher wirken Mikrowellen auch am besten bei flüssigem Wasser.

Doch es gibt noch viele weitere Anwendungen für Mikrowellen wie zum Beispiel in drahtlosen Kommunikationssysteme wie Bluetooth, in Radaranlagen zur Ortung von Stürmen oder Leuchtmitteln.

Auf der Weltaustellung 1933 in Chicago wurden zu Demonstrationszwecken Sandwiches mit Hilfe eines 60 MHz-Kurwellensenders zubereitet.

Public Domain

Schokoriegel liefert technischen Grundstein

Aber wie wurden diese ungemein praktischen Wellen entdeckt? Hinter der Entdeckung der Mikrowellen steckt ein kurioser Zufall: In einem Forschungslabor der US-Firma Raytheon, die ursprünglich Kühlschränke und Transformatoren baute, tüftelten Wissenschaftler 1945 an elektromagnetischen Radarsystemen. Sie sollten damals die alliierten Truppen an der Kriegsfront zum Sieg führen.

Auch Percy Spencer – einer der Wissenschaftler – arbeitete an diesen Radarsystemen. Und machte bei einem Griff in seine Hosentasche eine erstaunliche Erkenntnis: Dort spürte er, dass sein Schokoladenriegel während seiner Arbeit ganz plötzlich zu einen klebrigen Klumpen verschmolzen war – und das, obwohl Spencer keinerlei Wärme wahrgenommen hatte.

Der Ursache für den klebrigen Vorfall kam der Erfinder schnell auf die Spur: Die Radarsysteme enthielten eine hocheffiziente Magnetfeldröhre – ein sogenanntes Magnetron. Die vom Magnetron abgestrahlten Mikrowellen erwiesen sich als Ursache der Schoko-Schmelze. Der US-amerikanische Ingenieur entdeckte auf diesem Wege, dass sich Nahrung per Mikrowellenstrahlung erwärmen ließ.

Frühes Radarange-Modell der Firma Raytheon
75 Jahre alt und es gibt sie noch immer

Spencer war nicht der erste, der dieses Phänomen bemerkte, aber der erste, der es näher untersuchte. Er beschloss, mit weiteren Nahrungsmitteln zu experimentieren: Popcorn war das erste Nahrungsmittel, das in der Forschung gezielt auf diese Weise zubereitet wurde, das zweite ein Ei - das vor den Augen der Forscher explodierte.

Spencer schuf schließlich den ersten echten Mikrowellenherd, indem er ein Magnetron an einem geschlossenen Metallkasten befestigte. Das Magnetron strahlte Mikrowellen in den Metallkasten, so dass keine Wellen mehr entwichen. Auf diese Weise konnte Spencer ungestört mit verschiedenen Nahrungsmitteln experimentieren und die Temperaturen regeln.

Am 8. Oktober 1945 – vor 75 Jahren – meldete Percy Spencer dann das Patent für das Prinzip des Mikrowellenherds an. Im Jahr 1946 baute er den ersten Mikrowellenherd mit dem Namen „Radarange“. Dieser hatte mit etwa 1,80 Meter die Größe eines Gefrierschranks, wog 340 Kilogramm und kostete rund 5.000 US-Dollar. Er besaß eine Wasserkühlung und hatte eine Leistung von 3.000 Watt, etwa das Dreifache von heute üblichen Haushaltsgeräten. Es war die Geburtsstunde einer noch heute aktuellen Technologie.

Es dauerte allerdings noch einige Jahre, bis die „Mikrowelle“ kleiner, effizienter und für Normalverdiener bezahlbar wurde. 1954 hatten kommerzielle Mikrowellenherde immer noch eine Leistung von 1.600 Watt und kosteten zwischen 2.000 und 3.000 US-Dollar. Als gemeinsame Entwicklung mit Raytheon brachte das US-amerikanische Unternehmen Tappan 1955 den ersten Mikrowellenherd für den Heimgebrauch mit wohnraumtauglichen Maßen auf den Markt. Im Jahr 1967 wurden massentaugliche Mikrowellenofen schon für etwa 300 Dollar angeboten. Seitdem trat das Küchengerät auf der ganzen Welt seinen Siegeszug an.

1971 waren die Größen der Geräte soweit zusammengeschnurrt, dass sie kein Platzproblem mehr darstellten.

Eine revolutionäre Erfindung ohne Verdienst

Als die Preise für Mikrowellenherde in den 1970er-Jahren weiter rapide sanken, stiegen die Verkaufszahlen deutlich an. Wurden 1970 in den USA etwa 40.000 Geräte verkauft, waren es 1975 schon eine Million. 1997 besaßen 95 Prozent der US-amerikanischen Haushalte ein Mikrowellengerät, in Deutschland waren es 2016 immerhin 74 Prozent.

Und was hatte der Erfinder davon? Für seine Erfindung erhielt Spencer keine Honorare, sondern stattdessen eine einmalige Abfindung in Höhe von zwei Dollar –  die gleiche symbolische Zahlung, die das Unternehmen damals an alle Erfinder für Firmenpatente zahlte. Karrieremäßig zahlte sich Mikrowelle für ihn letztlich doch aus: Percy Spencer wurde schließlich Senior Vice President und Vorstandsmitglied des Technologiekonzerns Raytheon. Ein Gebäude im Raytheon Missile Defense Center seinen Namen und in der Lobby der Firmenzentrale steht ein altes Radarange-Modell.

Nicht ganz ungefährlich

In Verruf gerieten Mikrowellen, als Forscher ihre gesundheitlichen Risiken untersuchten: Leistungsstarke Mikrowellen, wie sie zum Kochen verwendet werden, können menschlichem Gewebe schaden und sind besonders für die Augen sehr gefährlich, da diese viel Wasser enthalten. Deshalb sind Mikrowellenherde heutzutage immer mit einem Metallgitter abgeschirmt, durch das keine Strahlung entweichen kann.

Aktuelle Messungen ergaben, dass bei einem intakten Mikrowellenherd die Leckstrahlung aufgrund der Abschirmung verhältnismäßig gering ist. Das Bundesamt für Strahlenschutz rät dennoch, dass sich Kinder und Schwangere grundsätzlich nicht während der Zubereitung des Essens unmittelbar vor oder neben dem Gerät aufhalten sollten. Die Annahme, der Umgang mit Mikrowellen erzeuge Krebs, ist dagegen wissenschaftlich nicht belegt.

Auch die Sorge, Mikrowellenherde würden den Nährstoffgehalt von Nahrungsmitteln stärker verringern als ein Erhitzen im Backofen oder auf der Kochplatte, ist nicht belegt. Eine tatsächliche Gefahr für die Nährstoffe stellt lediglich die Überhitzung von Nahrungsmitteln dar, da viele Nährstoffe bei hohen Temperaturen zerstört werden. Das trifft jedoch ebenso auf andere Zubereitungsmethoden zu. Da Mikrowellen das Essen ungleichmäßig erhitzen, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung aber, aus gesundheitlichen Gründen zum Beispiel kein Hähnchen oder Hackfleisch in Mikrowellenherden zu garen.

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Fremdwörterlexikon

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon