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Aerogel – das Leichtgewicht unter den Hightech-Materialien

Aerogel zählt zu den extremsten Materialien der Welt – und das zu recht. Denn dieses Material besteht zu mehr als 95 Prozent aus Hohlräumen, besitzt aber zahlreiche nützliche Eigenschaften. Im Guinness-Buch der Rekorde ist es mit 14 Einträgen erwähnt, unter anderem als Feststoff mit der geringsten Dichte und als bester Isolator. Anwendungen des porösen Silizium-Materials finden sich in vielen Bereichen: von Zigarettenfiltern über Wärmedämmstoffe bis zu Kollektoren in der Raumfahrt.
SRE, 11.02.2020

Aerogel zählt zu den leichtesten Stoffen, die technisch herstellbar sind.

NASA / JPL-Caltech

Material der Rekorde

Was ist das Interessanteste an Aerogelen? Genaugenommen nichts – denn das Faszinierende an diesem Hightech-Material ist, dass es zu mehr als 95 Prozent aus Hohlräumen – also nichts -  besteht. Das Material zählt zu den leichtesten Stoffen, die technisch überhaupt herstellbar sind. Auch die anderen Eigenschaften von Aerogelen sind einzigartig und bescherten ihnen gleich 14 Einträge ins Guinness Buch der Rekorde.

Demnach ist das Aerogel nicht nur zu der Feststoff mit der geringsten Dichte, sondern auch der beste Isolator. Auch die inneren Oberflächen der hochporösen Substanz sind rekordverdächtig. Denn die Fläche eines Gramms Aerogel entspricht etwa der Fläche eines Fußballfeldes. Möglich werden all diese Eigenschaften durch extrem kleine Poren im Nanometer-Maßstab – also Größen im Bereich von einem Millionstel Millimeter.

Die Poren des Aerogels werden durch ein  weit verzweigtes Netzwerk aus Silizium-Bausteinen gebildet. Siliziumdioxid-Tetraeder bilden das Grundgerüst dieses Netzwerks. Chemisch gesehen besteht das Material damit aus denselben Bausteinen wie Quarzsand. Doch seine extrem poröse Struktur gibt dem Material seine so ganz anderen, faszinierenden Eigenschaften.

Ein 2,5 Kilogramm schwerer Backstein lastet auf einer zwei Gramm schweren Unterlage aus Aerogel.

NASA / JPL-Caltech

Überkritisch getrocknetes Gel

Allerdings ist es ein ziemliches Prozedere, ein Aerogel mit Hilfe des sogenannten Sol-Gel-Prozesses herzustellen. Als Ausgangsbasis für das Material dient eine Silizium-Quelle wie Kieselsäure (H2SiO4) oder Tetramethylorthosilicat (TMOS), welches sich unter sauren Bedingungen zu Kieselsäure zersetzt. Durch Zugabe eines Katalysators geben die Kieselsäure-Moleküle Wasser ab und vernetzen sich dann allmählich zu einem verzweigten Polymer – einem netzartigen Gebilde von miteinander verknüpften Silziumdioxid-Molekülen.

Anschließend muss das so entstandene Gel mit Methanol ausgewaschen und unter speziellen Bedingungen getrocknet werden. Erst dadurch werden die Poren im Material frei von Restflüssigkeit und füllen sich mit Luft. Diese Trocknung ist jedoch im Falle des Silikat-Aerogels relativ aufwändig und erfordert Temperaturen von über 240 Grad und Drücke über 81 bar.

Durch die hohe Porosität besitzen Aerogele eine geringe Wärmeleitfähigkeit und eine ausgezeichnete Dämmwirkung.

NASA / JPL

Kometenstaub in der Wärmedämmung

Durch den aufwendigen Trocknungsprozess war die Verwendung von Aerogel lange Zeit sehr kostspielig. Anwendungen fanden sich vor allem in der Luftfahrttechnik und der Raumfahrt. Zu den bekanntesten Einsatzgebieten zählten die Kollektoren der NASA-Raumsonde Stardust. Das poröse Aerogel, aus denen die Beschichtung ihrer paddelförmigen Probensammler bestand, war ideal geeignet, den Kometenstaub beim  Flug durch das Weltall einzufangen. Zur Erde zurückgebracht, konnten Wissenschaftler diesen kosmischen Staub dann später analysieren.

Beliebt ist auch der Einsatz in der Wärmedämmung. Durch ihre hohe Porosität besitzen Aerogele eine geringe Wärmeleitfähigkeit und eine ausgezeichnete Dämmwirkung, die man sich beispielsweise als transparente Füllung bei Isoliergläsern zunutze macht. Auch hier ist das Material teuer, aber gerade bei solchen speziellen Anwendungen lohnt sich der Aufwand.

Weitere Anwendungsgebiete finden sich in der Reinigung von Gasen und Abwässern, oder als Trennmittel. Da die Herstellung von Aerogelen jedoch sehr aufwendig ist, beschränkt sich die Anwendung auf Spezialbereiche. Für einfachere Anwendungen werden oft Xerogele, die weit  weniger porösen Verwandten der Aerogele verwendet, wie zum Beispiel in Filtern von E-Zigaretten und Verdampfern.

Staubkollektor der Stardust-Sonde (l.) und Spuren eingefangener Partikel in Aerogel (r.).

NASA / JPL

Graphen-Aerogel aus dem 3D-Drucker

Aus diesem Grund war es einige Zeit recht still geworden um das leichteste Material der Welt. Doch im Jahr 2017 tauchte der Begriff Aerogel in den Medien wieder häufiger auf. Diesmal basierte der hochporöse Feststoff jedoch nicht auf Silikaten, sondern auf Graphen. Und die Herstellung des Materials war nun auch wesentlich einfacher – dank eines 3D-Druckers. Das von Forschern der Zhejiang-Universität entwickelte Verfahren nutzte einen Tintenstrahldrucker mit zwei Düsen, der eine Graphenoxid-Wassermischung bei minus 20 Grad auf eine Unterlage druckte.

Die Eiskristalle verleihen dem Graphenoxid in dieser Mischung eine dreidimensional vernetzte Struktur und lassen Hohlräume entstehen. Von der 3D-Struktur aus Eis und Graphenoxid, die so entsteht, muss nun das Eis durch Gefriertrocknung entfernt werden. Das so entstehende Graphen-Aerogel zählt zu den leichtesten Strukturen, die man mit einem 3D-Drucker erzeugen kann.

Da sich bei Graphen-Aerogel auch die elektrischen Eigenschaften beeinflussen lassen, ist das neue Verfahren besonders für Anwendungsbereiche in der Elektronik und für Energiespeicher interessant.

Vielleicht vereinfacht sich bald die Herstellung und Aerogele finden in naher Zukunft ihre Anwendung im Alltag. Trotz – oder vielmehr wegen- seiner zahlreichen Hohlräume hat das Material interessante Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten. Für die meisten Menschen wären diese auf jeden Fall ihren Preis wert – zumindest mehr als bei Luflee-Schokolade mit mehr als 95 Prozent Luftanteil.

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