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Die Inquisition: Verfolgung im Namen Gottes

Was war die Inquisition?

Die Inquisition im engeren Sinne war eine Behörde der römisch-katholischen Kirche, die 1232 von Papst Gregor IX. eingeführt wurde. Sie sollte Abweichler von der kirchlichen Lehre aufspüren und bestrafen. Eine führende Rolle bei der Organisation und Durchführung der Inquisition spielten die Franziskaner und insbesondere auch die Dominikaner.

Die Inquisition führte die Untersuchung und den Prozess, die Bestrafung der Ketzer wurde hingegen der weltlichen Gewalt übertragen. Auf eine solche weltliche Macht, auf Friedrich II., der aus politischen Gründen die Häretiker in Oberitalien bekämpfte, geht die Einführung des Scheiterhaufens (1224) zurück. Gregor IX. übernahm die Hinrichtungsmethode in den so genannten Ketzerdekreten von 1231 mit der Begründung, dass durch das Verbrennen des Leibes zumindest die Seele durch Fürbittgebete gerettet werden könne. Gregors Nachfolger Innozenz IV. genehmigte 1252 ausdrücklich die Folter bei Inquisitionsprozessen.

Wurden Andersgläubige schon immer verfolgt?

Nein. Die Inquisition brachte etwas völlig Neues in die Geschichte des christlichen Abendlandes, denn systematische Verfolgungen Andersdenkender hatte es zuvor nur kurze Zeit in der spätantiken Kirche gegeben, als das Christentum im 4. Jahrhundert gerade zur offiziellen Staatsreligion des Römischen Reiches geworden war.

Danach sah man im christlichen Abendland für fast ein Jahrtausend von der gewaltsamen Verfolgung Andersgläubiger ab, zumal es sie in größeren Gruppen gar nicht gab. Zwar wurden gegen einzelne Abweichler manchmal Kirchenstrafen verhängt, die zumeist aus Bußübungen bestanden, höchstens aus Verbannung, und spontaner Volkszorn führte immer wieder vereinzelt zur Tötung religiöser Abweichler. Doch wurden solche Auswüchse zunächst von der staatlichen und kirchlichen Obrigkeit abgelehnt. Diese relative Toleranz fand im 12. Jahrhundert mit dem Kampf gegen die Waldenser und die Katharer ein Ende. Die Inquisition wurde für Jahrhunderte zur ständigen Begleiterin der Kirche, aber auch viele weltliche Herrscher gebärdeten sich als eifrige Ketzerverfolger. Der Lohn, der nach einer erfolgreichen Verurteilung winkte, war immerhin der Einzug aller Güter und Ämter des der Ketzerei Überführten.

Die Inquisition konnte im Christentum einen so großen Raum einnehmen, weil der Universalitätsanspruch der Kirche, der sich auf den so genannten Tauf- und Missionsbefehl des Matthäusevangeliums stützt (»Gehet hin in alle Welt und machet zu Jüngern alle Völker«), als unvereinbar mit dem Gedanken eines friedlichen Nebeneinanders verschiedener Auffassungen angesehen wurde.

Wo waren die Zentren der Verfolgung?

Ende des 15. Jahrhunderts wütete die organisierte Verfolgung Andersgläubiger in Spanien. König Ferdinand, genannt »der Katholische«, räumte dem Großinquisitor Tomás de Torquemada große Macht ein. Zwischen 1483 und 1498 fielen ihm zahllose Menschen zum Opfer, meist ehemalige Juden oder muslimische Mauren, denen man ihre Bekehrung zum Christentum nicht glaubte und die man verdächtigte, heimlich noch dem alten Glauben anzuhängen. Oft hatte man es vor allem auf das Hab und Gut der Verfolgten abgesehen oder neidete den zum Christentum Übergetretenen ihren gesellschaftlichen Aufstieg.

Mitte des 16. Jahrhunderts richtete sich die Inquisition in Italien, Portugal und Spanien mit unbarmherziger Härte gegen alle, die sich den Ideen der Reformation gegenüber aufgeschlossen zeigten. Papst Paul III. richtete im Jahr 1542 in Rom eine Inquisitionszentrale für die ganze Welt ein. Die heilige Versammlung der weltweiten Inquisition (»Sacra Congregatio Universalis Inquisitionis«) richtete 1559 einen Index für verbotene Bücher ein, der in abgeschwächter Form bis heute Bestand hat. Auch wurden Wissenschaftler wie Giordano Bruno (1592) und Galileo Galilei (1633) von der Inquisition angeklagt. Sie sollten ihre astronomischen Erkenntnisse widerrufen, nach denen sich die Erde um die Sonne drehe. Bruno weigerte sich und wurde 1600 öffentlich verbrannt. Galilei kam zwar mit dem Leben davon, stand aber den Rest seines Lebens unter strikter Beobachtung und Hausarrest.

Wie liefen die Prozesse ab?

In den Prozessen der Inquisition wurden grundlegende Regeln der Rechtsprechung auf den Kopf gestellt. Dieselbe Instanz erhob Anklage, leitete die Untersuchung und sprach das Urteil. Angeklagt wurde aufgrund von Denunziation, zwei Zeugenaussagen galten oft schon als Beweis und Geständnisse wurden durch Folter erpresst. Erst die Aufklärung mit ihrer Trennung von religiöser und staatlicher Gewalt erschwerte solche Willkürakte.

Existiert die Inquisition noch?

In einigen Ländern (Spanien, Portugal, Italien, Vatikanstaat) bestand die Inquisition bis ins 19. Jahrhundert. Nach dem zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), auf dem sich die römisch-katholische Kirche vielen Aspekten der Moderne öffnete, wurde die Inquisitionsbehörde in »Heilige Kongregation für die Glaubenslehre« umbenannt, die bis heute die Lehren der römisch-katholischen Kirche prüft. Erst 1992 gab die katholische Kirche offiziell ihren Irrtum zu und rehabilitierte Galilei und sein heliozentrisches Weltbild.

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