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Die Juden im Mittelalter: Zwischen Duldung und Verfolgung

Wann kamen die Juden nach Europa?

Im Gefolge der Römer kamen Juden schon sehr früh in die Gebiete des einstigen römischen Weltreiches und damit auch nach Mittel- und Westeuropa. Sie ließen sich an den großen Flüssen und an den Küsten nieder, wo von jeher die bedeutenden Handelswege lagen. Marseille, Lyon, Orléans, Tours und Nantes in Frankreich sowie Köln, Speyer, Worms und Mainz entwickelten sich zu bedeutenden jüdischen Zentren.

Der fränkische König und römische Kaiser Karl der Große gewährte den Juden um das Jahr 800 umfangreiche Schutzprivilegien. Gegenleistung war die Judensteuer. Dieser königliche beziehungsweise kaiserliche Schutzstatus wurde von einigen seiner Nachfolger erneuert, teilweise verkauften die Kaiser die Juden aber auch an weltliche oder geistliche Fürsten, die dann die Judensteuer eintrieben, aber nicht mehr viel zum Schutz ihrer jüdischen Untertanen leisteten.

Welche Bedeutung erlangte das jüdische kulturelle Leben am Rhein?

Das kulturelle jüdische Leben am Rhein erreichte bald ein hohes Niveau. Berühmt wurde um das Jahr 1000 Rabbi Gerschom aus Mainz, der die Polygamie und die Ehescheidung ohne Einwilligung der Frau abschaffte. Er führte auch Bildungseinrichtungen für Mädchen ein. Im Gegensatz zur christlichen Bevölkerung war hier der allgemeine Bildungsgrad sehr hoch, jedes Kind lernte lesen. Die jüdischen Gelehrten am Rhein hatten bald solche Autorität, dass sie eine Zeit lang die Akademien in Babylonien als oberste Instanz des Judentums ablösten. Sehr angesehen war Rabbi Schlomo Ben Isaak (Raschi) aus Troyes, der in Worms und Mainz studiert hatte und später eine berühmte Talmudhochschule gründete. Seine Kommentare sind heute noch auf jeder Seite des Talmud zu finden.

Welche Einschränkungen gab es für die Juden?

Der kaiserliche Schutz half den Juden meist nur wenig gegen die starke christliche Ablehnung. Das Laterankonzil von 1215 erneuerte und verschärfte die alten byzantinischen Gesetze. Das Zusammenleben zwischen Juden und Christen wurde streng verboten und den Juden die Kennzeichnungspflicht auferlegt. Sie durften keine öffentlichen Ämter bekleiden und keine christlichen Angestellten beschäftigen. Die meisten Berufe wurden ihnen verwehrt. Das Handwerk, das sich zu christlichen Zünften zusammengeschlossen hatte, war ebenso wie die Landwirtschaft mit ihrem christlichen Lehenseid für Juden nicht mehr zugänglich. Ihnen blieb neben dem Handel nur noch das Zinsgeschäft, das den Christen verboten war.

Wie äußerte sich die Verfolgung durch die Christen?

Die jüdischen Gemeinden mussten vom 11. bis zum 14. Jahrhundert in mehreren Wellen blutige Pogrome ertragen. Ende des 11. Jahrhunderts nahmen die Kreuzfahrer den Kampf gegen die »Ungläubigen« im eigenen Lande auf. Auf dem Weg nach Palästina plünderten und verwüsteten sie die reichen jüdischen Gemeinden. Ab dem 12. Jahrhundert tauchte dann der Vorwurf des Ritualmordes auf. Das Gerücht bezichtigte Juden der Tötung christlicher Kinder für ihre Riten. Kaiser Friedrich II. sprach 1236 die Juden frei, doch hielt sich das Gerücht hartnäckig und tauchte bei passender Gelegenheit immer wieder auf. Im 14. Jahrhundert fielen weite Teile der europäischen Bevölkerung der Pest zum Opfer, und den jüdischen Gemeinden wurde vorgeworfen, die Brunnen vergiftet zu haben.

Wie kam es zu den Vertreibungen?

In England wurde die jüdische Bevölkerung schon im 13. Jahrhundert vertrieben, weil man ihrer wirtschaftlich nicht mehr bedurfte. In Frankreich kam es zwischen dem 12. und dem 14. Jahrhundert zu fünf öffentlichen Vertreibungen. Aus Deutschland wurden die Juden zwar nie völlig vertrieben, jedoch mussten sie im 14. und 15. Jahrhundert die Städte verlassen. Das Zinsverbot für Christen war erst gelockert, schließlich aufgehoben worden, damit wurde den Juden die Lebensgrundlage entzogen. Man benötigte sie nicht mehr und vertrieb sie. Viele ließen sich auf dem Land nieder und lebten als Hausierer oder Viehhändler, andere zogen nach Italien oder ins tolerante Osmanische Reich. Die Mehrheit der deutschen Juden wanderte jedoch nach Polen und Litauen aus, wo sich ab dem 15. Jahrhundert ein neues jüdisches Zentrum herausbildete.

Welche Rolle spielte die Kirche bei der Verfolgung?

Die Kirche hatte maßgeblich Anteil an der Intoleranz gegenüber den Juden und ihrer Verfolgung im Mittelalter. Die Kirchenoberen riefen zwar kaum zu Pogromen auf, doch predigte der Klerus die Schuld der Juden am Tod Christi und betonte immer wieder die erfolgreiche Überwindung des Judentums durch das Christentum. Symbol dafür ist das allegorische Figurenpaar Ecclesia und Synagoge in der christlichen Kunst. Man findet es vielfach in der sakralen Kleinkunst, am augenfälligsten allerdings als kirchliche Monumentalplastik, so im Dom zu Bamberg oder am Straßburger Münster. Die beiden Frauengestalten symbolisieren die siegreiche Kirche, Ecclesia, mit Krone und Zepter sowie das irregeleitete Judentum, Synagoge, häufig mit verbundenen Augen und zerbrochenem Stab. Wie sollte ein einfacher Christ anders über die Juden denken, wenn die geistliche Obrigkeit den Antijudaismus in dieser Deutlichkeit zum Ausdruck brachte?

Wussten Sie, dass …

Frankreich 1361, als es ein Lösegeld benötigte, um König Johann den Guten aus englischer Gefangenschaft freizukaufen, die zuvor vertriebenen Juden wieder ins Land holte?

man den Juden auch vorwarf, Hostien zu schänden?

der Erzbischof von Mainz, der Juden während des Kreuzzugs 1096 Zuflucht in seiner Residenz bot, mit diesen zusammen ermordet wurde?

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