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„Der Weiße Hai“ im Faktencheck

Ein Menschenfresser als Leinwandstar: Genau heute vor 50 Jahren, am 20. Juni 1975, kam Steven Spielbergs „Der Weiße Hai“ in die Kinos. Der Hollywood-Blockbuster schrieb Filmgeschichte und prägt bis heute unser Bild von dem mächtigen Jäger der Ozeane. Doch sind Weiße Haie wirklich die menschenfressenden Monster aus dem Film? Werden sie tatsächlich von unserem Blut angelockt? Und wie wahrscheinlich ist es, von einem Hai getötet zu werden?
AMA, 20.06.2025
Weißer Hai auf Robbenjagd

© Wirestock, iStock

Kaum ein Tier der Welt ist derart missverstanden wie der Weiße Hai. Seit Millionen Jahren durchstreift er die Weltmeere, perfekt angepasst an sein Leben als Spitzenprädator. Doch statt Bewunderung schlägt ihm bis heute oft Panik entgegen – ausgelöst von einem fiktiven Killer, der Menschen scheinbar aus Lust am Töten attackiert. Aber wie realistisch ist das Bild, das der Film „Der Weiße Hai“ vermittelt? Und wie gefährlich ist der Weiße Hai wirklich? Ein Faktencheck.

Eine reale Vorlage – aber mit viel Hollywood

Tatsächlich hat die Filmhandlung einen realen historischen Ursprung: Im Sommer 1916 kam es an der US-Ostküste innerhalb weniger Tage zu fünf tödlichen Haiangriffen. Die Panik war groß, die Medienaufmerksamkeit immens – und für Autor Peter Benchley genug Inspiration, um Jahrzehnte später seinen Bestseller „Jaws“ zu schreiben. Steven Spielbergs Verfilmung verschärfte die Geschichte weiter – mit dramatischer Musik, Kunstblut und einem Hai, der fast schon menschliche Boshaftigkeit ausstrahlt.

In Wirklichkeit verhalten sich Weiße Haie jedoch deutlich zurückhaltender. Sie greifen Menschen nicht gezielt an. Fast alle bekannten Angriffe lassen sich auf Verwechslungen oder Neugier zurückführen. Besonders Surfer und Schwimmer, die aus Hai-Perspektive wie Robben wirken, sind betroffen. Hin und wieder kommt es auch zu „Testbissen“, mit denen der Hai herausfinden will, ob wir genießbar sind oder nicht. Das hat zwar mitunter tödliche Folgen für uns, geschieht aber ohne Tötungsabsicht von Seiten des Hais.

Weißer Hai bei Gansbaai in Südafrika
Weiße Haie kommen bei de Robbenjagd oft mit gewaltigen Sprüngen vollständig aus dem Wasser.

Beeindruckende Beißkraft – aber kein Blutrausch

Dass Begegnungen mit Weißen Haien immer wieder tödlich enden, hat auch mit der enormen Größe und Beißkraft der Raubtiere zu tun. Zwar sind die Meeresräuber anders als im Film dargestellt keine acht, sondern „nur“ bis zu sechs oder vielleicht sogar sieben Meter lang, doch sie bringen es auf eine Beißkraft von umgerechnet bis zu 1,8 Tonnen – das ist Rekord im Tierreich.

Neben dem Biss der Weißen Haie ist auch ihr Geruchssinn stark ausgeprägt. Sie können damit selbst kleinste Blutmengen wahrnehmen. Entgegen gängiger Vorstellungen geraten Haie durch menschliches Blut aber nicht in Raserei. Nur Fischblut wirkt für sie anziehend. Die Gefahr für den Menschen ist entsprechend gering: Im Schnitt sterben weltweit nur fünf bis zehn Menschen pro Jahr durch Haiangriffe. Die Wahrscheinlichkeit, von einem Hai getötet zu werden, liegt somit bei rund eins zu vier Millionen. Zum Vergleich: Das Risiko, bei einem Flugzeugabsturz zu sterben, liegt bei ungefähr eins zu 5.000.

Guadalupe Island Great White Shark Underwater Tourism
Weißer Hai aus der Perspektive eines Haikäfigs.

Spielberg und das schlechte Gewissen

Die Panik, die „Der Weiße Hai“ ausgelöst hat, ist also weitgehend unberechtigt. Doch sie wirkt bis heute nach und hat für den Raubfisch ernste Konsequenzen. Denn nach dem Kinostart 1975 begannen viele Hobbyjäger, Weiße Haie gezielt zu töten – als Trophäen. Kiefer und Zähne wurden zu Statussymbolen, die bis heute hohe Preise auf dem Schwarzmarkt erzielen. Der Regisseur selbst zeigte sich später betroffen über diese Entwicklung. In einem BBC-Interview sagte Spielberg: „Ich bedaure bis heute aufrichtig die Dezimierung der Haipopulation aufgrund des Buchs und des Films.“

Unter anderem durch die Trophäenjagd steht der Weiße Hai heute auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion als „gefährdet“. Neben gezielter Bejagung bedrohen aber auch Umweltgifte den berühmten Meeresräuber. In den Organen junger Haie wurden teils Rekordwerte an Quecksilber, PCB und DDT gemessen – Stoffe, die das Immunsystem schwächen, die Fortpflanzung stören und langfristig die Bestände gefährden. Das ist besonders tragisch, da Weiße Haie ohnehin nur langsam wachsen, erst spät geschlechtsreif werden und insgesamt nur wenige Nachkommen bekommen.

V.l.n.r.: Jaws-Taschenbuchcover, Peter Benchley und Steven Spielberg
Den Menschenfresser-Stempel, den Autor Peter Benchley (m.) und Regisseur Steven Spielberg (r.) ihrem Hauptakteur aufdrücktee, ist er selbst heute noch immer nicht vollständig los. Bei äußerten sich später bedauernd, über die Folgen ihres Welterfolgs.

© Cover: Roger Kastel; P. Benchley: Alex Gotfryd; S. Spielberg: Gage Skidmore from Peoria, AZ / CC BY-SA 2.0

Hoffnung durch Schutz und Aufklärung

Doch es gibt Grund zur Hoffnung. Weltweit greifen inzwischen zahlreiche Schutzmaßnahmen, die den Weißen Hai vor weiterer Dezimierung bewahren sollen. Tatsächlich gehört er heute zu den am stärksten geschützten Haien der Welt. Doch die Schutzgesetze helfen nur, wenn auch das öffentliche Bild sich wandelt. Denn wer den Weißen Hai nur als blutrünstige Bestie sieht, verkennt seine zentrale Rolle im Ökosystem Meer. Als Spitzenprädator hält er Populationen im Gleichgewicht und sorgt indirekt für Artenvielfalt unter Fischen und Meeressäugern. Sein Verschwinden hätte weitreichende Folgen – nicht nur für das Meer, sondern auch für uns.

Fazit: Der Weiße Hai ist kein Monster – sondern ein faszinierendes, bedrohtes Tier, das Schutz und ein neues Image verdient.

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