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Die Zukunft gehört den Mutanten

Richard Steiger

Doping & Co.

Doping! Kaum eine Olympiaberichterstattung, in der das böse Wort nicht auftaucht. Wie eine unheilvolle Vorahnung schwebt dieses Schreckgespenst über den sportlichen Großveranstaltungen der Welt. Warum eigentlich das immense Aufheben, die moralische Entrüstung über diese "Seuche" des Hochleistungssports?
Denn eins muss klar gesagt werden: So alt wie die Menschheit ist der Traum künstlicher Leistungssteigerung! Prominentester Fall der Historie ist ein kleiner Gallier namens Asterix, der dank des Wunderelixiers eines Druiden und der Hilfe seines Kumpels Obelix (ein hoffnungsloser Fall von Überdoping im Kindesalter) im schönen Aremorica für eine römerfreie Zone sorgte. Moralische Zweifel überkommen einen kaum angesichts der guten Sache, für welche dieses mysteriöse "Anabolika der Antike" eingesetzt wurde.

Und das 21. Jahrhundert? Tranquilizer im Staatsexamen, Glückspillen gegen die Herbstdepression und Viagra für die Standfestigkeit! Dass aber der Sport nicht besser ist als die Gesellschaft, von der er lebt, mit dieser Erkenntnis tun sich dennoch die meisten Zeitgenossen schwer. Dabei hat schon Bert Brecht erkannt, dass dort, wo der große Sport beginnt, er aufhört, gesund zu sein.
Die Dopingproblematik ist folglich logischer Auswuchs der modernen Leistungsgesellschaft. Wo die sportliche Höchstleistung zur Geschäftsgrundlage, ja zur existentiellen Bedingung umfunktioniert wird, muss dem Athleten jedes Mittel recht sein, um die geforderte Höchstleistung zu erbringen. Im sportlichen Event, dem Circus Maximus des nächsten Jahrtausends, soll der Sportler Rekorde und Sensationen auf Knopfdruck produzieren.

Dass die Verteidigung, sprich die Dopingbekämpfung, dem Einsatz neuer Waffensysteme, namentlich den modernsten Erzeugnissen der Pharmaindustrie, stets hinterherhinkt, liegt in der Natur der Sache. So war bei Olympischen Spielen das Doping sogar lange Zeit nicht ausdrücklich verboten. Der olympische Marathonsieger von 1904, Tom Hicks, hatte sich den Sieg mit einer Mischung aus Brandy und Strychnin erschlichen: Er landete daraufhin zwar im Krankenhaus, sein 1. Platz wurde aber nicht in Frage gestellt.

Seit wenigen Jahren geistern auch die Horrorvisionen eines genmanipulierten Athleten durch die Medien, der der Konkurrenz dank perfekter Klonierung weit enteilt. Kein Problem, sagte sich "Die Zeit" und forderte die Einrichtung einer Mutantenolympiade, bei der endlich körperlicher wie moralischer Ausbeutung keine Schranken mehr gesetzt seien. O Tempora, O Mores!

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