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Eis geht auch ohne Zucker

Spätestens, wenn der Sommer in vollem Gange ist und die Temperaturen die 30-Grad-Marke knacken, findet man auch vor den Eisdielen wieder lange Schlangen. Während die kalte Leckerei vielleicht psychisch eine Erleichterung an heißen Tagen bringt, ist sie für den Körper jedoch alles andere als gesund, was auch mit dem meist hohen Zuckergehalt zusammenhängt. Forscher haben nun aber vielleicht einen passenden Ersatz gefunden.
JFL, 29.07.2022
Vanilleeis
Widersprüchliche Vorgaben: Der Zucker soll raus, aber das Eis soll trotzdem süß und fruchtig schmecken, cremig sein und ein wohliges Mundgefühl erzeugen – alles Dinge, die der Zuckergehalt beeinflusst.

Zakharova_Natalia, GettyImages

Sommer, Sonne, Eiscreme. Rund acht Liter Speiseeis konsumieren die Deutschen pro Kopf im Jahr. Der gute Geschmack der kalten Leckerei kommt dabei häufig aber nicht von irgendwo: Pro 100 Gramm enthält Eis zwischen 20 und 30 Gramm Zucker, wie Ernährungswissenschaftler kritisieren. Das kalte Dessert ist also eine wahre Zucker- und Kalorienbombe. Ein Ersatz des Zuckers scheitert häufig allerdings an der Akzeptanz der Konsumenten. Denn das Eis soll süß und fruchtig schmecken, cremig sein und ein wohliges Mundgefühl erzeugen.

Mehr als nur Süßungsmittel

Für all diese Eigenschaften ist der Zuckergehalt entscheidend. „Zucker süßt das Speiseeis nicht nur“, erklärt Stephan Drusch von der TU Berlin. „Er spielt darüber hinaus eine bedeutende technologische Rolle in der Herstellung und ist somit auch mitverantwortlich für dessen Struktur und Cremigkeit.“ Wenn man den Zuckergehalt im Eis reduziert, führt das demnach auch zu einer wahrnehmbaren Veränderung des Mundgefühls. Das Ziel, Speiseeis gesünder zu machen, steht daher in direkter Konkurrenz mit dem Genuss der Leckerei.

Ein Team unter der Leitung von Stephan Drusch und Mirko Bunzel, der am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) forscht, hat sich nun daran gemacht, dieses Problem zu lösen. Sie wollen aus faserreichen Nebenprodukten der Lebensmittelherstellung Ballaststoffe gewinnen, mit denen der Zucker im Eis ersetzt werden kann. Ein nützlicher Nebeneffekt dabei wäre, dass das Verfahren zur Vermeidung von Abfällen bei der Produktion von Lebensmitteln beitragen kann.

Komplexe Kohlenhydrate aus Fruchtresten

Konkret wollen die Wissenschaftler unlösliche Fasermaterialien von Erbsenschalen, Karottenfasern und Fruchtresten aus der Saftherstellung als Ausgangsstoff für den Zuckerersatz nutzen. Diese bestehen unter anderem aus Zellulose, Hemizellulosen und Pektin und enthalten komplexe Kohlenhydrate. Ziel des Teams ist es, diese Bestandteile durch biologische und physikalische Verfahren gezielt zu Mehrfachzuckern umzubauen, wodurch sich deren funktionelle Eigenschaften verändern. Diese auch als Oligosaccharide bezeichneten Stoffe bestehen aus zwei bis fünf Einfachzuckern, wie beispielsweise Traubenzucker beziehungsweise Glukose.

„Es ist bereits bekannt, dass derartige Materialien über eine verbesserte Wasserbindung die Struktur und das Mundgefühl verschiedener Lebensmittel positiv beeinflussen können. Auf diese Weise ermöglichen sie eine Reduktion von Zucker“, erklärt Stephan Drusch. „Aus ernährungsphysiologischer Sicht gelten sie wegen ihrer präbiotischen Wirkung, also ihres Gehalts an unverdaulichen Inhaltsstoffen, aber immer noch als Ballaststoffe.“

Komplexe Zusammensetzung erschwert Prozess

Trotz dieser grundlegenden Erkenntnisse liegt noch viel Arbeit vor den Wissenschaftlern und vor dem ersten Eisgenuss ohne schlechtes Gewissen. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass jedes Fasermaterial entsprechend seiner botanischen Herkunft ein unterschiedliches Kohlenhydratprofil besitzt. Der Herstellungsprozess der Oligosaccharide, der eine Kombination aus einer Enzymbehandlung und mechanischer Hochdruckbehandlung ist, muss deshalb immer spezifisch angepasst werden.

Laut der Arbeitsgruppe können die pflanzlichen Nebenprodukte demnach erst dann als Zuckerersatz herhalten, wenn die Forscher den Prozess vollständig und systematisch verstanden haben. In der heterogenen Zusammensetzung der Fasern sehen sie aber auch eine große Chance. Hierdurch entstünden demnach sehr unterschiedliche Oligosaccharide mit einer breiten präbiotischen Wirksamkeit.

Diese genauer zu charakterisieren, unterliegt Mirko Bunzels Team am KIT. „Es lohnt sich genauer hinzuschauen“, sagen die Wissenschaftler. „So können bestehende Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie nutzbar gemacht und auch Abfälle in der Herstellung vermieden werden. Außerdem wird das Eis gesünder, wenn der Zucker reduziert und durch Ballaststoffe ersetzt wird.“

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