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Heizen mit grünem Wasserstoff: Irrweg oder Chance?

Was kommt nach dem Heizen mit fossilen Brennstoffen? Womit werden wir in Zukunft unsere Gebäude warm bekommen? Klar scheint: Gas- und Ölheizungen haben aufgrund hoher Betriebskosten und ihrer Klimaschädlichkeit keine Zukunft. Deshalb müssen nichtfossile Lösungen her. Dafür wird neben den vieldiskutierten Wärmepumpen auch das Heizen mit grünem Wasserstoff propagiert. Doch wie machbar und realistisch ist das? Und lohnt sich das überhaupt?
AMA, 14.07.2023

© style-photography, GettyImages

Die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes sieht vor, dass neue Heizungen zukünftig zu einem festen Prozentsatz mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Irgendwann könnten Öl- und Erdgasheizungen sogar komplett verboten sein. In einem Gesetzesentwurf war hierfür mal das Jahr 2045 vorgesehen. Als Alternative zum Heizen mit Erdgas wird immer wieder grüner Wasserstoff als Brennstoff ins Spiel gebracht, doch Fachleute sehen den Hype kritisch.

Warum lohnt sich keine neue Gasheizung mehr?

Wer gerade baut oder die alte Heizung durch eine neue ersetzen will, sollte sich ganz genau überlegen, für welche Heizvariante er sich entscheidet. Neben dem Faktor, dass das Heizen mit fossilen Brennstoffen in wenigen Jahrzehnten wohl nicht mehr erlaubt sein wird, ist der Betrieb einer Gasheizung auch nicht gerade billig. Das werden Verbraucher wahrscheinlich besonders ab Ende April 2024 zu spüren bekommen, denn dann läuft die aktuell geltende Gaspreisbremse aus. Weitere finanzielle Unterstützungen sind unwahrscheinlich.

Hinzu kommt, dass sich ab 2024 auch die deutsche CO2-Bepreisung erhöht. Bei Erdgas steigen die Kosten dann von 0,65 Cent pro Kilowattstunde auf 0,76 Cent. Im Jahr 2025 werden die Kosten bereits bei 0,98 Cent liegen und immer so weiter. Je mehr Leute aufgrund steigender Kosten und politischer Regulierungen aus dem Erdgasnetz aussteigen, desto teurer wird es im Laufe der Zeit auch für die verbliebenen Nutzer. Allein aufgrund der hohen Betriebskosten lohnt es sich also nicht, jetzt noch eine neue Gasheizung zu installieren oder allzu lange bei der bereits vorhandenen zu bleiben.

Wie funktioniert das Heizen mit grünem Wasserstoff?

Als mögliche Erdgas-Alternative wird aktuell grüner Wasserstoff gehandelt. Er kann durch die Elektrolyse von Wasser gewonnen werden. Mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien werden die Wassermoleküle dabei in ihre beiden Bestandteile – Sauerstoff und Wasserstoff – zerlegt. Auch durch die solare Wasserspaltung nach Vorbild der Photosynthese ist eine Wasserstoffherstellung möglich. Der resultierende gasförmige Wasserstoff ließe sich dann ähnlich wie Erdgas in einer Heizungsanlage verbrennen, was wiederum für warme Räume und warmes Wasser sorgt.

Wird das Wasserstoffgas nicht wie bisher üblich aus fossilen Energieträgern, sondern über solche "grünen" Technologien gewonnen,  ist sowohl die Erzeugung als auch die Verbrennung von Wasserstoff emissionsfrei – einer der größten Vorteile des Energieträgers.  Außerdem enthält Wasserstoff im Vergleich zu Erdgas oder Öl deutlich mehr Energie pro Kilogramm. Das Gas kann zur direkten Verbrennung genutzt werden, als Chemie- Rohstoff oder um Brennstoffzellen beispielsweise in Wasserstofffahrzeugen anzutreiben.

Kein geeignetes, flächendeckendes Netz

Momentan ist grüner Wasserstoff vor allem in Verbindung mit dem Heizen in die Diskussion geraten. Da Wasserstoff gasförmig ist, könnte man ihn theoretisch durch dieselben Leitungen transportieren wie Erdgas und auch dieselben Speicherstätten verwenden. Experten zufolge eignen sich bis zu 96  Prozent der bereits bestehenden Erdgasleitungen und -speicher genauso gut für Wasserstoff. Doch ganz so einfach wäre eine Umstellung nicht, wie das staatlich geförderte Informationsprogramm Zukunft Altbau zu bedenken gibt.

Wenn die Leitungen flächendeckend auf einmal von reinem Erdgas auf eine Mischung mit Wasserstoff umgestellt würden, müsste theoretisch jeder einzelne angeschlossene Haushalt bereit sein, Wasserstoff zu nutzen. Doch das ist noch lange nicht der Fall. Zwar gibt es bereits sogenannte H₂-Ready-Heizungen, die ein gewisses Maß an Wasserstoff vertragen und später auf 100 Prozent Wasserstoff umgerüstet werden können, doch die besitzt längst nicht jeder Haushalt, der aktuell noch Erdgas bezieht. Experten gehen daher davon aus, dass Wasserstoff erst einmal nicht flächendeckend zum Heizen eingesetzt werden kann, sondern lediglich an wenigen Knotenpunkten eines künftigen Wasserstoffnetzes verfügbar sein wird.

Das Problem der Verfügbarkeit

„Verfügbar“ ist tatsächlich ein weiteres Stichwort, das dem Heizen mit Wasserstoff aktuell noch im Wege steht. Denn im Prinzip gibt es momentan keinen grünen Wasserstoff, der zum Heizen genutzt werden könnte – das Energiegas ist weltweit Mangelware. Denn noch gibt es kaum größere Anlagen, die Wasserstoff mittels Elektrolyse herstellen. Schätzungen zufolge könnte Deutschland zudem zwar einen Teil des benötigten grünen Wasserstoffs im eigenen Land herstellen – beispielsweise durch Elektrolyseanlagen an Wind- und Solarparks. Aber der Großteil des Gases wird auch in absehbarer Zukunft aus dem Ausland kommen müssen – beispielsweise aus dem sonnenreichen Nordafrika.

Doch selbst wenn die Produktion des Energieträgers in den nächsten Jahren steigt, wird dieser Wasserstoff erst einmal von der Industrie benötigt. Denn dort gibt es viele Prozesse, die nur mit Wasserstoff funktionieren, darunter die CO2-arme Stahlproduktion. „Für den Gebäudesektor werden voraussichtlich keine relevanten Mengen zur Verfügung stehen“, so Martin Pehnt vom Institut für Energie- und Umweltforschung. „Und diese werden relativ teuer sein.“

Nicht so effizient wie eine Wärmepumpe

Darüber hinaus mag Wasserstoff zwar eine höhere Energiedichte als Öl und Erdgas haben, aber das macht ihn noch lange nicht effizient. Aktuell sehen Experten in der Installation einer Wärmepumpe die deutlich bessere Alternative. Wärmepumpen entziehen der Umwelt Energie in Form von Wärme und nutzen diese zum Heizen. Sie machen sich dabei Temperaturunterschiede zunutze, wie sie beispielsweise zwischen dem Untergrund und der Oberfläche oder zwischen Außenluft und Gebäude bestehen. Genauso wie die Herstellung von Wasserstoff verbraucht auch der Betrieb einer Wärmepumpe Strom, doch ihr Wärmeertrag ist höher.

„Eine Faustregel besagt: Wärmepumpen machen aus einer Kilowattstunde Strom rund drei Kilowattstunden Wärme, die Wasserstoff-Gasheizung aus zwei Kilowattstunden Strom aufgrund der Umwandlungsverluste nur eine Kilowattstunde Wärme“, erklärt Frank Hettler von Zukunft Altbau. „Um eine Kilowattstunde Wärme aus Wasserstoff zu erzeugen, müssen also rund sechsmal mehr Windenergie- und Photovoltaikanlagen errichtet werden, als wenn der Strom direkt eine Wärmepumpe antreibt – volkswirtschaftlich ist das ein Unding.“

Fazit

Klimaneutraler Wasserstoff ist enorm wichtig für die Energiewende, doch beim Beheizen von Gebäuden wird er wahrscheinlich keine große Rolle spielen. „Die Wasserstoff-Option im Heizungskeller ist Zukunftsmusik und wird es aller Voraussicht nach auch bleiben“, so Hettler. Er empfiehlt Hauseigentümern mit Gasheizung stattdessen, diese nach Möglichkeit noch ein paar Jahre weiterzunutzen und das Haus in der Zwischenzeit fit für eine Wärmepumpe oder ein Wärmenetz zu machen. Die Umstellung kann dann schrittweise oder mit einem Mal erfolgen.

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