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Jugendliche im Entscheidungsdschungel

Den Abschluss in der Tasche und im nächsten Schritt mitten im Leben? Junge Erwachsene, die plötzlich zwar eine Abschlussnote in der Hand haben, aber keinen Plan, wie es weitergehen soll - heutzutage keine Seltenheit. Und unabhängig davon, wie viel Berufsvorbereitung eine Schule anbietet: Die Entscheidung, was man in der Zukunft macht, bleibt letztendlich in der Verantwortung jedes Einzelnen. Genau das stellt Jugendliche aber oft vor ungeahnte Herausforderungen. Pädagogen geben Hinweise.
ABO, 30.07.2020

Zu viele Möglichkeiten bereichern unser Leben oft nicht, sondern behindern uns in unseren Entscheidungen.

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Dass der Großteil der Jugendlichen in Deutschland weder Angst vor Hunger oder Krieg haben muss, stellt ein großes Privileg dar. Aber diese Freiheit birgt auch ihre Schattenseiten für viele junge Erwachsene. Die Möglichkeit zu tun, wonach man strebt, klingt verlockend. Schon 16-jährigen Schulabgängern steht nach ihrem Abschluss im Prinzip frei, welchen Karriereweg sie einschlagen. Durch die Schulreform G8 machen Jugendliche häufig schon vor ihrem 18. Geburtstag ihr Abitur und sollen dann auf eigenen Beinen stehen, ohne dass sie berechtigt sind selbstständig Formulare zu unterschreiben. Und dann folgt die Frage „Was tun?“.

Vorbereitung in allen Facetten

Sinnvoll ist es in jedem Falle, schon vor dem Tag der Zeugnisvergabe über seine Zukunft nach der Schule nachzudenken. So besuchen einige Jugendliche schon früh Bildungsmessen, Tage der offenen Tür und persönliche Beratungsgespräche – manchmal auch auf Drängen der Eltern. Wer ambitioniert ist, kann sich jedes Wochenende weiterbilden und informieren. Einige Jugendliche streben einen hohen Bildungsabschluss an und zeigen dabei großes Selbstmanagement, um sich für die Zukunft vorzubereiten.

Zusätzlich werden Tests im Internet angeboten, bei denen die Schulabgänger herausfinden können, was wirklich zu ihnen passt. Hierbei soll sich klären, wer man wirklich ist und was einen ausmacht. Aber bekommt man dadurch wirklich einen Überblick über alle Möglichkeiten? Vereinfacht diese Vorbereitung letztendlich die Entscheidung? Für Jugendforscher Klaus Hurrelmann reichen diese Hilfsmittel und Angebote nicht aus. Ihm fehlt bisher eine stabile Brücke zwischen Bildung und Beruf, denn Lehrkräfte und Unternehmer leben in zwei verschiedenen Welten. Und für angehende Schulabgänger oder Absolventen bedeutet dies, dass sie abrupt von einer in die andere "gestoßen" werden. 

Statt Übersicht noch mehr Verwirrung

Aber damit noch nicht genug: Weitere Unterstützung sollen Plattformen geben, die über Ausbildungsplätze und Studiengänge informieren. Fachhochschule oder Universität? Im Ausland oder in der Nähe? Hat sich der angehende Student zum Beispiel für das Fachgebiet Medizin entschieden, erscheinen über tausend Studiengänge und Fachrichtungen. Benannt und beschrieben werden sie oft mit Fachbegriffen, die keiner kennt und die für noch mehr Verwirrung sorgen statt aufzuklären. Sie klingen zwar professionell, verdeutlichen aber nicht, was hinter ihnen steckt.

In anderen Fachrichtungen oder Berufsbeschreibungen stößt man wiederum auf reichlich Anglizismen. Diese englischen Begriffe hören sich zwar exklusiv an, verraten aber ebenfalls nur bedingt, was sich hinter ihnen verbirgt. Für die Ratsuchenden bedeutet dies: Statt Orientierungshilfe nur noch mehr Verwirrung. Viele Schulabgänger sind von der schieren Flut an Informationen und Wahlmöglichkeiten schlicht überfordert.

Unentschlossen durchs Leben

Sich zu fragen, wer man ist und was man im Leben will, ist keine Frage, die erst in der modernen Welt entstanden ist. Allerdings war der Lebensweg vorheriger Generationen häufig bereits durch die Berufswahl der Eltern vorgegeben. War der Vater Malermeister, genoss der Sohn eine dortige Ausbildung. Erst um die Jahrhundertwende war es jungen Menschen möglich, eine Zeit der Selbstfindung, Orientierung und Freiheit zu erleben, wie der Pädagoge Klaus Hurrelmann erklärt.

Damit einhergehend steht jungen Menschen heute - und zumindest in unserer Gesellschaft - auch offen, welche Religion und Sexualität sie leben, welchen Beruf sie ergreifen oder wie sie mit ihren Mitmenschen umgehen. Die Gesellschaft bietet unzählige Möglichkeiten, gibt aber manchen dadurch zu wenig Halt und Orientierung . Die Fülle der Möglichkeiten und die möglicherweise fehlende soziale Verortung kann eine berufliche Entscheidung zusätzlich erschweren.

Hat der Jugendliche nun aber die freie Auswahl, kommt zwangsläufig die Frage auf, was man kann und möchte. Wer ist man also? Oft besteht eine Vielzahl an Interessen. Das Hobby vielleicht zum Beruf machen? Oder mehrere Interessen verknüpfen? Liegt mir das Künstlerische vielleicht doch mehr als das Handwerkliche? Was raten mir meine Lehrer, Eltern und Freunde? Irgendwann wissen viele Jugendliche nicht einmal mehr, ob sie eher ihrem eigenen Bauchgefühl oder den Ratschlägen der „Großen“ folgen sollen. Als Folge macht sich dann oft Unentschlossenheit breit.

Natürlich wäre es schön, das, was man liebt, zu seinem Beruf machen zu können…

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Wenn Google allein nicht mehr hilft

Aber liegt die Problematik wirklich nur an der unbegrenzten Freiheit? Oder spielen auch moderne Gewohnheiten eine Rolle? Jugendliche sind tagtäglich irreführenden Informationen und der Konsumindustrie ausgesetzt. Soziale Netzwerke bieten die Möglichkeit, sich weltweit zu vernetzen, gleichzeitig verstärken sie die Informationsflut. Und digitale Suchmaschinen geben zwar Antworten, - aber auch diese wollen sortiert und bewertet werden.

Manche Jugendliche sind inzwischen so stark auf digitale Medien und soziale Netzwerke bezogen, dass sie Gefahr laufen, den Bezug zur Realität zu verlieren. Sich in der oft eher "analogen Welt" der Berufsfindung und ihre Regeln zurechtzufinden, fällt ihnen dann schwer. Gerade, wenn keine Unterstützung mehr durch die digitale Welt zu erwarten ist, ist es deshalb ratsam auf die Hilfe von Eltern oder Bekannten zurückzugreifen. Zusätzlich kann es sich lohnen auch in einen persönlichen Austausch mit Menschen aus dem angestrebtem Berufsfeld zu kommen, um eigene Eindrücke sammeln zu können.

Bist du auch wirklich sicher?

Viele gerade junge Menschen sind es noch nicht gewohnt, schwierige Entscheidungen zu treffen. Umso größer ist die Herausforderung, wenn es nun gilt, die Weichen für den ganzen späteren Lebensweg zu stellen. Dadurch entstehen neue Ängste und Unsicherheiten.

Aber selbst wenn sich der Heranwachsende erstmal entschieden hat, können Zweifel der Eltern bereits reichen, um die ganze Grübelei von vorne beginnen zu lassen. Denn wer weiß jetzt schon, was mal der richtige Weg sein wird? Vielleicht würde es helfen, Jugendliche einfach mal machen zu lassen. Ratschläge, aber vor allem auch Zusprache von Mut können sie dabei unterstützen. Und auch wenn sich eine Entscheidung mal als Fehlschlag entpuppt - man ist doch noch so jung!

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