wissen.de Artikel

Neurodermitis: Wenn Juckreiz das Leben bestimmt

Gerötete, trockene Haut und quälender Juckreiz: Das ist Neurodermitis. Schätzungsweise zehn bis 20 Prozent aller Kinder und zwei bis fünf Prozent der Erwachsenen sind von der Hauterkrankung betroffen. Während eines Schubes juckt ihre Haut stellenweise so sehr, dass sie sich sogar blutig kratzen. Doch wie genau entsteht Neurodermitis überhaupt? Wieso sind immer mehr Menschen von der Hauterkrankung betroffen? Und was lässt sich gegen das Jucken tun?
AMA, 14.09.2023
Neurodermitis

© Aamulya, GettyImages

Neurodermitis – auch atopische Dermatitis genannt – ist eine chronische, aber nicht ansteckende Erkrankung der Haut. Sie verläuft in Schüben. Die mit ihr einhergehenden Beschwerden sind also mal stärker und mal schwächer ausgeprägt. Während eines Schubes kommt es zu akutem Ausschlag an verschiedenen Stellen. Die Haut ist dann entzündet, gerötet, trocken und rissig. Sie juckt stark und kann auch nässende Bläschen bilden.

Betroffenen erschwert jedoch nicht nur der Juckreiz an sich den Alltag, sondern auch seine Folgen, darunter Schlaf- und Konzentrationsprobleme. Es kommt außerdem vor, dass sie aufgrund ihrer rissigen, schuppigen Haut ausgegrenzt oder gemieden werden, weil andere dahinter etwas Ansteckendes oder mangelnde Körperhygiene vermuten.

Neurodermitis beginnt früh im Leben

Meist zeigt sich die Krankheit schon in den ersten beiden Lebensjahren, am häufigsten zwischen dem dritten und sechsten Monat. Ein erstes Anzeichen kann verkrustete Haut auf dem Kopf des Babys sein, umgangssprachlich auch Milchschorf genannt. Kinder, die bereits so früh im Leben erkranken, haben allerdings den großen Vorteil, dass die Krankheit bei ihnen meist verhältnismäßig schnell wieder verschwindet. Nach drei Jahren hat nur noch jedes zweite von ihnen mit ihr zu tun.

Wer hingegen erst im Alter von zwei bis fünf Jahren eine Neurodermitis entwickelt, braucht rund zehn Jahre, bevor sie als abgeklungen gilt. Bei manchen bleibt sie allerdings auch ein Leben lang oder kehrt irgendwann im Erwachsenenalter plötzlich zurück. Insgesamt sind circa zehn bis 20 Prozent der Kinder und zwei bis fünf Prozent der Erwachsenen von Neurodermitis betroffen.

Das Alter, in dem man die Symptome (noch) hat, wirkt sich außerdem darauf aus, an welchen Hautstellen die Beschwerden auftreten. Während bei Kindern und Jugendlichen meist die Innenseiten der Knie- und Ellenbogengelenke betroffen sind, zeigt sich die Neurodermitis bei Erwachsenen oft zusätzlich an Gesicht, Hals, Nacken und Händen.

Füße eines Säuglings mit Neurodermitis
Atopisches Ekzem bei einem Kleinkind. Oft vermindern sich die Symptome mit dem Älterwerden und verschwinden mit Beginn der Pubertät.

© LucaLorenzelli, GettyImages

Genetik und Allergien als Auslöser

Doch wie entsteht eine Neurodermitis überhaupt? Es gibt starke Hinweise darauf, dass die Krankheit zumindest zu einem gewissen Teil erblich bedingt ist. Bei Menschen mit Neurodermitis ist häufig das sogenannte FLG-Gen verändert, was zu einem Mangel an Filaggrin führt. Ohne dieses Protein setzen sich die Fette in der äußersten Hautschicht anders zusammen, die Haut verliert an Feuchtigkeit und neigt zu trockenen, juckenden Ausschlägen. Dadurch kann sie uns wiederum nicht mehr so gut vor äußeren Einflüssen wie Keimen schützen. Dringen diese ungehindert in die Haut ein, können sie dort zu schweren Infektionen führen. Das Aufkratzen juckender Haut hat einen ähnlichen Effekt.

Bei 30 bis 40 Prozent der Betroffenen nimmt die Neurodermitis außerdem eine allergische Form an. Ihr Immunsystem reagiert überempfindlich auf Allergene wie Pollen, Hausstaub-Milben oder Tierhaare und bekämpft diese so, als seien es Krankheitserreger oder Keime. Die Antikörper, die es in diesem übertriebenen Kampf bildet, führen dann zu Entzündungen in der Haut und den Symptomen der Neurodermitis. Aufgrund ihres empfindlichen Immunsystems haben Betroffene häufig weitere allergiebedingte Krankheiten wie Heuschnupfen oder allergisches Asthma.

Interessanterweise sind immer mehr Menschen von dieser allergischen Form der Neurodermitis betroffen. Experten erklären sich dieses Phänomen mit der sogenannten Hygiene-Theorie. Diese besagt, dass Kinder, die schon früh verschiedenen Keimen ausgesetzt sind, resistenter gegen Allergien sind. Unter anderem der Kontakt zu Geschwistern, Gleichaltrigen, Tieren oder der Natur hilft demnach dabei, das Immunsystem zu trainieren. Da wir jedoch immer „behüteter“ vor Keimen aufwachsen, ist unser Immunsystem oft nicht mehr so fit und reagiert daher schnell überempfindlich.

Wie lässt sich eine Neurodermitis behandeln?

Als chronische Krankheit ist Neurodermitis zwar nicht heilbar, lässt sich aber mit verschiedenen Methoden in der Regel gut behandeln. Die Grundlage einer Neurodermitis-Therapie bilden feuchtigkeitsspendende Salben, auch Emollentien genannt. Wenn Betroffene diese mehrmals täglich auf die Haut auftragen, lindert das den Juckreiz, schützt vor dem Eindringen schädlicher Keime und beugt weiteren Krankheitsschüben vor.

Gleichzeitig wird Erkrankten geraten, potenzielle Reizstoffe wie raue Wolle, extreme Kälte oder Wärme sowie Allergene wie Pollen und Hausstaub zu meiden. All das kann die Haut weiter strapazieren und die Symptome verschlimmern. Auch die Ernährung kann eine Rolle dafür spielen, wie häufig und wie stark sich die Neurodermitis manifestiert.

Ist die Neurodermitis stärker ausgeprägt, kommen zusätzlich zur Feuchtigkeitstherapie meist auch entzündungshemmende Kortisonsalben oder solche mit den Medikamenten Pimecrolimus und Tacrolimus zum Einsatz. Wenn selbst das die Symptome nicht ausreichend lindert, greifen Mediziner außerdem auf eine Bestrahlung mit UV-Licht und spezielle Tabletten zurück, die die Reaktion des Immunsystems unterdrücken und so die juckenden Entzündungen in der Haut zurückgehen lassen.

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus dem Großes Wörterbuch der deutschen Sprache

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon