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Refugien der Nacht: Wo kann man in Deutschland noch die Sterne sehen?
Noch vor wenigen hundert Jahren traten die Sterne am nächtlichen Himmel deutlich hervor und auch das helle Band der Milchstraße war von überall aus gut zu erkennen. Das jedoch hat sich inzwischen geändert: Durch die Beleuchtung von Straßen, Gebäuden und Industrieanlagen wird es vielerorts selbst nachts nicht mehr dunkel. Das Streulicht der unzähligen Lampen überstrahlt das Licht der Sterne und macht es vielerorts fast unmöglich, selbst die hellsten Sterne am Himmel zu erkennen.
Lichtverschmutzung auch in Deutschland
Die Lichtverschmutzung hat dazu geführt, dass heute mehr als 80 Prozent der Weltbevölkerung unter einem anomal hellen Nachthimmel leben. Ein Drittel der Menschheit hat keine Chance, die Milchstraße zu sehen – im dicht besiedelten Europa sind es sogar 60 Prozent, wie kürzlich eine Studie belegte. "Obwohl künstliches Licht viele Vorteile mit sich bringt, hat es auch einen deutlichen Nachteil: Immer seltener befinden wir uns in vollständiger Dunkelheit", erklärt der Astronom Harald Bardenhagen. "Dies kann unter anderem dazu führen, dass unsere innere Uhr, die unseren Wach- und Schlafrhythmus regelt, gestört wird."
Auch in Deutschland gibt es kaum mehr Orte, an denen die Nächte noch richtig dunkel sind. Denn auch hierzulande nimmt die Lichtverschmutzung weiterhin zu, wie Wissenschaftler im Jahr 2018 festgestellt haben. Allerdings: Im internationalen Vergleich steht Deutschland trotz seiner hohen Bevölkerungsdichte sogar noch relativ gut da: "Insgesamt sind deutsche Gebiete sparsamer mit Licht als die meisten europäischen Länder oder die USA", erklärt der Geoinformatiker Christopher Kyba. "Pro Einwohner gerechnet ist Lichtverschmutzung in den USA drei bis fünfmal so hoch."
Refugien der Nacht
Doch es gibt letzte Refugien der Nacht – auch in Deutschland. Wer die Milchstraße und einen prachtvollen Sternenhimmel genießen oder fotografieren möchte, der muss nicht nach Zentralafrika, Grönland oder in eine entlegenen Wüstengegen fahren. Denn auch bei uns gibt es einige Gebiete, in denen sich die Lichtverschmutzung noch weitgehend in Grenzen hält. Eine Karte mit den besten Standorten zur Sternenbeobachtung haben Harald Bardenhagen und Christopher Kyba nun zusammengestellt.
Wir stellen acht Standorte in Deutschland vor, in denen man noch die Sterne mit dem bloßen Auge sehen kann. Einige dieser Orte sind offiziell von der International Dark-Sky Association als Sternenparks ausgezeichnet worden, während andere sich noch im Bewerbungsprozess finden.
Vier Sternenparks – von der Alm bis in die Eifel
Der erste Tipp ist der Sternenpark Winklmoosalm in den Chiemgauer Alpen. Dieses Almgebiet nahe Reit im Winkl gehört zu den dunkelsten Orten in Bayern und wurde wegen seines ungestörten Blicks auf den Himmel im Jahr 2018 von der International Dark-Sky Association offiziell zum "International Dark-Sky Park" ernannt. Von der Winklmoosalm aus kann man in klaren Nächten rund 3.000 Sternen am Nachthimmel sehen. Weil die Alm 1.200 Meter über dem Meeresspiegel liegt, ist der Himmel hier zudem besonders klar und man hat einen beeindruckenden Rundumblick.
Ein weiteres Refugium der Nacht liegt im Nordosten Deutschlands – der Sternenpark Westhavelland in Brandenburg. Dieses 1.380 Quadratkilometer große Gebiet wurde schon im Jahr 2014 zum ersten Sternenpark Deutschlands ernannt. Weil die Gegend nur dünn besiedelt ist und inmitten des Naturparks Westhavelland liegt, gibt es hier kaum Lichtverschmutzung. Trotzdem ist dieser Sternenpark sogar per Regionalexpress von Berlin aus gut zu erreichen.
Der dritte Tipp ist der Sternenpark Rhön. Der dünn besiedelte Höhenzug der Rhön zieht sich von Thüringen über Bayern bis nach Hessen hinein. Auf den dunklen Höhen dieser Landschaft kann man nachts ebenfalls einige tausend Sterne, die Milchstraße und das schwache Schimmern des Zodiakallichts sehen. Die Rhön wurde 2014 von der UNESCO zum Internationalen Sternenpark ernannt. Im hessischen Teil des Sternenparks Rhön sind zudem fünf spezielle Himmelsschauplätze ausgewiesen, an denen Sternenkarten und Infotafeln die Orientierung am Nachthimmel erleichtern.
Im Westen Deutschlands liegt ein weiteres Refugium der Nacht: der Sternenpark Nationalpark Eifel. Dieses Gebiet ist im sonst dichtbesiedelten Nordrhein-Westfalen eine große Ausnahme. Denn die hügelige Landschaft der Eifel gehört zu den dunkelsten Regionen Deutschlands. Dafür sorgt der vor Lichtverschmutzung strikt geschützte Nationalpark und die ihn umgebende rund 15 Kilometer breite Pufferzone. Die Eifel ist seit 2014 ein offizieller Dark-Sky-Park und seit 2019 auch Internationaler Sternenpark. Auch hier gibt es spezielle Beobachtungsplätze und astronomische Sternführungen.
Drei Anwärter und eine "Sternenstadt"
Die nächsten Standorte sind noch keine offiziellen Sternenparks, bieten aber dennoch beeindruckende Anblicke des nächtlichen Sternenhimmels. Zu diesen gehören Teile des Nationalparks Harz in der Nähe der Stadt Braunlage. Hier ist der Nachhimmel ebenfalls dunkel genug, um die Milchstraße und tausende Sterne sehen zu können. Die Sternwarte Sankt Andreasberg bemüht sich zurzeit darum, dass der Nationalpark Harz in die Liste der Sternenparks aufgenommen wird.
Ebenfalls ein Anwärter auf den Titel Sternenpark ist die Schwäbische Alb. Dieses dünn besiedelte Mittelgebirge und Biosphärenreservat bietet ebenfalls einige Stellen mit noch fast ungestört dunklem Nachthimmel. Besonders dunkel ist es im Bereich des ehemaligen Truppenübungsplatzes Münsingen, aber auch nördlich des Ortes Ittenhausen und rund um den Zeltplatz Schachen bei Eglingen.
In Mecklenburg-Vorpommern bietet der Naturpark Nossentiner/ Schwinzer Heide eine Möglichkeit zur Himmelsbeobachtung. In diesem rund 335 Quadratkilometer großen Gebiet leben nur rund neun Menschen auf einem Quadratkilometer, entsprechend dunkel und ruhig ist diese waldreiche und von 60 Seen durchsetzte Gegend. Auch der Naturpark strebt eine Ernennung zum Sternenpark an. Schon jetzt gibt es regelmäßige "Sternguckerabende", bei denen Astronomiefans in Begleitung eines
Ein auf den ersten Blick ungewöhnlicher Ort zum Sternengucken ist die Stadt Fulda. Doch sie wurde im Januar 2019 von der International Dark-Sky Association zur ersten "Sternenstadt Deutschland" gekürt. Weltweit ist Fulda die zweitgrößte Stadt, die diesen Status erhalten hat. Den Titel bekommen Städte und Kommunen, die die Lichtverschmutzung aktiv bekämpfen, indem sie beispielsweise darauf achten, dass Straßen und Gehwege blendfrei und gerichtet beleuchtet werden. Alle Lampen sind zudem zur Seite und nach oben hin abgeschirmt um Streulicht zu vermeiden.
Quelle: lenstore.de