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Skurriler Trend: Bitte keine Kröten ablecken!

Sie gehört in Zaubertränke, ziert Hexenkessel und Gruseldekorationen – die Kröte gilt seit Jahrhunderten als Sinnbild des Unheimlichen. Doch während sie hierzulande bestenfalls Schauder auslöst, sorgt sie anderswo gerade für Kopfschütteln: Immer mehr Menschen versuchen, sich mit Krötengift in einen Rausch zu versetzen. Was steckt hinter dem bizarren Trend? Welche Substanzen verleihen dem Krötenschleim seine psychoaktiven Eigenschaften? Und wie gefährlich ist der Konsum?
AMA, 27.10.2025
Krötenschlecken

© Hintergrund: vkulieva, iStock, Kröte: Watcha, iStock

Die Redensart „Eine Kröte schlucken müssen“ steht für das Hinnehmen von Unangenehmem. Es gibt jedoch auch Menschen, die den Spruch wörtlich nehmen. In Australien, den USA und inzwischen auch in Europa machen Berichte über sogenannte „Krötenschlecker“ die Runde. Dabei geht es nicht um harmlose Mutproben, sondern um den Versuch, durch das Ablecken bestimmter Krötenarten halluzinogene Effekte zu erzeugen.

Was nach einem Internet-Gag klingt, hat tatsächlich einen ernsten Hintergrund: Bestimmte Amphibien sondern über ihre Haut ein Sekret ab, das hochpotente Gifte und psychoaktive Stoffe enthält. Diese Substanzen – vor allem Bufotoxine und Bufotenin – dienen den Tieren als Schutz vor Fressfeinden, können beim Menschen aber eine gefährliche Wirkung entfalten. „Krötenschleim enthält Toxine, die auf das Herz wirken, vergleichbar mit den bekannten Digitalis-Giften des Fingerhutes“, erklärt Pharmakologe und Toxikologe Holger Barth vom Universitätsklinikum Ulm.

LSD-ähnlicher Rausch mit Lebensgefahr

In Australien, wo der Trend seinen Ursprung hat, wird vor allem die riesige Aga-Kröte (Bufo marinus) „genutzt“. Ihre gifthaltige Haut wird getrocknet und zu einem berauschenden Sud verkocht oder sogar geraucht. In den USA ist die Colorado-Kröte (Bufo alvarius) beliebt. Sie sondert im Nacken ein weißliches Sekret ab, das entweder direkt abgeleckt oder getrocknet konsumiert wird. Beide Arten enthalten neben den herzwirksamen Bufotoxinen auch halluzinogene Tryptamine wie Bufotenin, Dimethyltryptamin (DMT) und 5-Methoxy-DMT – Substanzen, die chemisch mit LSD verwandt sind.

Etwa 30 Minuten nach dem „Konsum“ treten die ersten Symptome auf: Euphorie, bunte Lichtmuster, Enthemmung – aber auch Schwindel, Übelkeit und Erbrechen. Weil die Konzentration der Wirkstoffe im Sekret stark schwankt, ist das Risiko einer Überdosierung enorm. „Es kann daher zu Vergiftungen mit lebensbedrohlichen Komplikationen wie starkem Blutdruckanstieg und Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand kommen“, warnt Barth.

 Abwehrverhalten einer Erdkröte
Im Abschreckungsarsenal der heimischen Erdkröte findet sich neben Giftsekreten auch ein ausgefeiltes Imponiergehabe: Bei der Annäherung von Fressfeinden bläst sie ihren Körper auf und stemmt sich dabei mit den Beinen hoch, um größer zu wirken.

© Łukasz Olszewski ImreKiss / CC BY 3.0

Kein Stoff für Selbstversuche

Während der Besitz und Konsum des Krötengifts in den USA inzwischen verboten ist, bleibt die Rechtslage in Deutschland diffus. Der Handel mit lebenden Kröten oder ihren Sekreten fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetz – deshalb sind die Tiere legal erhältlich. Fachleute wie Barth sehen das mit Sorge: „Der Gebrauch tierischer Halluzinogene ist eine gefährliche Angelegenheit. Vom Konsum ist dringend abzuraten.“

Neben den gesundheitlichen Risiken spielt auch der Tierschutz eine Rolle. Die betroffenen Amphibien werden durch den Umgang oft verletzt oder getötet. Bedrohte Arten könnten durch den Trend zusätzlich unter Druck geraten.

Natürliche Drogen mit Risiko

Kröten sind jedoch längst nicht die einzigen Tiere, deren Gifte missbräuchlich konsumiert werden. Schon länger bekannt ist der sogenannte „Fischrausch“ durch bestimmte tropische Arten, deren Muskeln natürliche Halluzinogene enthalten – vermutlich eine Folge ihrer algengesättigten Ernährung.

Noch verbreiteter ist der Griff zu pflanzlichen „Naturdrogen“ wie dem Stechapfel, dem Mescalin-haltigen Peyote-Kaktus oder der südamerikanischen Ayahuasca-Liane. All diese Substanzen können tiefe Bewusstseinsveränderungen hervorrufen – genauso gut aber auch gefährliche Kreislaufreaktionen, Psychosen oder Vergiftungen. „Natürlich“ bedeutet also keineswegs ungefährlich: Wer an unbekannten Naturstoffen experimentiert, spielt buchstäblich mit seinem Leben.

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