wissen.de Artikel

Warum sich Schüler während Prüfungen langweilen

„Hefte raus, wir schreiben eine Arbeit!“ Der Herzschlag wird schneller, die Füße sind plötzlich eiskalt und die Hände schwitzig. Doch offenbar nicht bei jedem, wie eine neue Studie zeigt. Demnach sind einige Schüler beim Schreiben einer Prüfung eher gelangweilt statt nervös und das längst nicht nur, wenn sie sich unterfordert fühlen. Doch woher kommt diese Prüfungslangeweile? Wen betrifft sie? Und wie wirkt sie sich auf die Ergebnisse aus?
AMA, 08.09.2023
Lehrer und Schüler während einer Klausur
Bei Langeweile denkt man an so manche Situation – aber im Normalfall nicht an Prüfungen.

© monkeybusinessimages, GettyImage

Was genau Langeweile ist und wie sie uns beeinflusst, ist aktuell eines der Top-Themen in der psychologischen Forschung. Längst gilt die Definition, dass wir uns nur langweilen, wenn wir gerade nicht zu tun haben, als überholt. Stattdessen definieren Psychologen Langeweile als Gefühl, das auftritt, wenn wir etwas tun, was uns nicht zufriedenstellt. Nichts zu tun, langweilt uns demnach nur, wenn wir eigentlich lieber etwas unternehmen würden.

Langeweile kann in vielen verschiedenen Situationen auftreten: während eines zähen Vortrags, bei Hausaufgaben, die uns nicht interessieren, oder beim Zimmeraufräumen, wenn wir uns eigentlich lieber mit Freunden treffen würden. Wir schweifen dann mit den Gedanken ab, können uns schlechter konzentrieren und haben das Gefühl, dass die Minuten in Zeitlupe verstreichen.

Wenn die Klausur langweilt

Auch wenn es auf den ersten Blick kontraintuitiv erscheinen mag, können wir uns auch während Prüfungen in der Schule langweilen. Ein Team um Thomas Götz von der Universität Wien hat dieses Phänomen nun erstmals untersucht und herausgefunden, wie es entsteht. Dafür ließen sie 1.820 Schüler aus den Jahrgangsstufen fünf bis zehn eine Mathe-Arbeit schreiben. Diese bestand zur Hälfte aus leichten und zur Hälfte aus schweren Aufgaben. Vor und nach dem Test sowie zwischen den Aufgabenblöcken mussten die Schüler in einem Fragebogen angeben, wie sehr sie sich langweilen, wie unter- beziehungsweise überfordert sie sind und wie relevant die Aufgaben sich für sie anfühlen.

Und tatsächlich: Einige Schüler hatten sich während der Prüfung gelangweilt und das zum Teil sogar recht stark. Erstaunlicherweise trat die Langeweile aber nicht nur in Situationen auf, in denen die Schüler sich unterfordert gefühlt hatten, so wie man vielleicht zunächst denken würde. Auch wenn die Schwere der Aufgaben sie überfordert hatte, langweilten sich einige Schüler.

Aber warum? Empfinden wir eine Prüfungsaufgabe als zu herausfordernd, dann haben wir das Gefühl, die Kontrolle über die aktuelle Situation zu verlieren. Unser Kopf schaltet dadurch in manchen Fällen in den „Langeweile-Modus“ und träumt sich an Orte, an denen wir mehr Macht über das Geschehen haben, erklären die Forschenden. Zu viel Kontrolle hingegen, wie wir sie etwa bei der Unterforderung mit einer Klausur erleben, löst ebenfalls Langeweile aus und schmälert dadurch unsere Motivation.

Schlechtere Noten durch Prüfungslangeweile

Doch die Prüfungslangeweile hat nicht nur Auswirkungen auf die Stimmung der Schüler, sondern auch auf ihre Noten. Götz und seine Kollegen haben festgestellt, dass insbesondere diejenigen, die sich wegen Überforderung gelangweilt hatten, schlechter abschnitten. Die Forschenden erklären sich das Phänomen damit, dass unsere geistigen Ressourcen in einer solchen Situation nicht mehr vollständig für die Mathe-Arbeit genutzt werden können. Ein erheblicher Teil unserer mentalen Kapazität fließt stattdessen in das Erleben der Langeweile, wodurch für das Durchrechnen der Aufgaben nicht mehr genügend Hirnleistung übrigbleibt und die Note somit schlechter ausfällt.

Bei Unterforderung hingegen reichen die geistigen Ressourcen selbst dann noch für die Mathe-Arbeit, wenn das Gefühl der Langeweile ein wenig davon abzwackt. Deshalb schnitten diejenigen, die sich aufgrund von Unterforderung gelangweilt hatten, im Schnitt immer noch gut ab. 

Alltagsnähere Aufgaben als Schlüssel

Eine Möglichkeit, die Langeweile während einer Klausur zu minimieren und somit die Leistung einiger Schüler zu verbessern, besteht darin, die Aufgaben interessanter zu gestalten. „Um die Prüfungslangeweile zu bekämpfen, sollten Lehrkräfte Prüfungsaufgaben so aufarbeiten, dass es darin Bezüge zur Lebensrealität von Schülern gibt. Außerdem sollten die Aufgaben nicht stark unter- oder überfordernd sein“, appelliert Götz. Wenn man in der Mathe-Arbeit also berechnen muss, wie teuer die monatlichen Raten für ein neues Smartphone sind oder wie viel Liter Farbe man braucht, um das eigene Zimmer aufzupimpen, dürfte bereits deutlich weniger Langeweile unter den Schülern aufkommen.

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus dem Großes Wörterbuch der deutschen Sprache

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon