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Warum Treppensteigen auch der Seele guttut

Sport hält uns nicht nur fit, er hebt auch die Stimmung. Allerdings ist es oft schwer, im stressigen Alltag etwa eine Laufrunde im Park oder ein Fußballspiel mit Freunden unterzubringen. Aber muss es immer direkt eine schweißtreibende Trainingseinheit sein? Neuste Untersuchungen zeigen, dass uns bereits Alltagsbewegungen wie das tägliche Treppensteigen neue Energie geben und uns sogar glücklicher machen können.
ABO, 02.12.2020

Wie wirkt sich moderate Bewegung auf das körperliche Wohlbefinden und die geistige Gesundheit aus?

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Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat schon eine halbe Stunde moderate Bewegung am Tag positive Auswirkungen auf unseren Körper und unsere Stimmung. Denn durch die Anstrengung beginnt das Herz schneller zu pumpen, sodass mehr Sauerstoff in unseren Körper und in unser Gehirn gelangt. Das sorgt dafür, dass Glückshormone ausgeschüttet werden, die unser Wohlbefinden steigern und Depressionen reduzieren können. Außerdem entstehen neue Vernetzungen im Kopf, die uns leistungsfähiger machen.

Gilt das auch für alltägliche Aktivitäten?

Aber bei welchen Bewegungen bekommen wir diese positiven Effekte? Gilt das auch schon für alltägliche Aktivitäten wie Treppensteigen, Spazierengehen oder Zur-Straßenbahn-Laufen? Genau das hat sich jetzt ein Forscherteam um Markus Reichert vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) genauer untersucht.

Dafür statteten die Forscher 67 Testpersonen mit Bewegungssensoren und einer Smartphone-App aus. Die App fragte das Wohlbefinden der Probanden ab, sobald sie sich im Alltag bewegten. Sieben Tage lang dokumentierten die Experten so die Wachheit und Energie der Studienteilnehmer. Zusätzlich beobachteten sie bei einer weiteren Gruppe von 83 Personen das Gehirn mit der sogenannten Magnetresonanztomografie - während alltäglicher Bewegungen. Dabei maßen die Wissenschaftler das Volumen der grauen Hirnsubstanz, um herauszufinden, welche Hirnareale für die Alltagsprozesse eine Rolle spielen.

Fahradpendler. Eine Viertelstunde morgens hin zur Arbeit und die gleiche Etappe abends zurück nach Hause hat bereits messbare Auswirkungen - nicht nur auf die Fitniss.

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Jeder Schritt macht glücklicher

Und tatsächlich: Bereits die alltäglichen Bewegungen taten den Probanden nach deren subjektivem Gefühl gut. Sie fühlten sich dadurch energiegeladener und auch positiver gestimmt. So gaben sie an, sich schon direkt nach ihren alltäglichen Aktivitäten besser zu fühlen. „Schon das alltägliche Treppensteigen kann helfen, sich wach und energiegeladen zu fühlen und damit das Wohlbefinden zu steigern“, erläutert Reichert die Ergebnisse. Und dieser Effektwirkt sich wiederum positiv auf die psychische Gesundheit aus.

Was steckt dahinter?

Aber was steckt dahinter? Mediziner haben schon früher herausgefunden, dass für das Zusammenspiel von Alltagsbewegung und Wohlbefinden ein bestimmter Bereich der Großhirnrinde - der sogenannte subgenuale Anteil des Anterioren Cingulären Cortex - wichtig ist. Diese Hinrnregion spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation von Emotionen und der Widerstandsfähigkeit gegenüber psychiatrischen Erkrankungen. Frühere Studien haben bereits festgestellt, dass Menschen, die in diesem Areal ein verringertes Volumen der grauen Hirnsubstanz haben, eher zu Depressionen und anderen psychiatrischen Krankheiten neigen.

Wie Reichert und seine Kollegen nun festgestellt haben, könnte gerade diesen Menschen die regelmäßige Bewegung im Alltag helfen.. „Personen, die ein geringeres Volumen an grauer Hirnsubstanz in dieser Region aufwiesen und ein erhöhtes Risiko haben, an psychiatrischen Erkrankungen zu leiden, fühlten sich einerseits weniger energiegeladen, wenn sie körperlich inaktiv waren, aber andererseits nach alltäglicher Bewegung deutlich energiegeladener als Personen mit größerem Hirnvolumen", beschreibt Reicherts Kollegin Heike Tost den Effekt.

Schon das alltägliche Treppensteigen kann helfen, sich wach und energiegeladen zu fühlen und damit das Wohlbefinden zu steigern.

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Besser durch die  Corona-Krise

„Die Ergebnisse weisen damit auf einen spezifischen Nutzen von körperlicher Aktivität im Alltag für das Wohlbefinden hin, insbesondere bei Menschen, die anfällig für psychiatrische Erkrankungen sind“, fasst Reicherts Kollege Andreas Meyer-Lindenberg zusammen. Ob Bewegung auch langfristig gegen diese Leiden hilft, muss aber noch durch weitere Studien überprüft werden.Das Forscherteam kann sich aber bereits jetzt vorstellen, dass es zukünftig eine auf dem Smartphone installierte App für ein besseres Wohlbefinden geben könnte: Diese könnte die Nutzer bei sinkender Energie daran erinnern, sich zu bewegen, um ihr Stimmung zu steigern.

Besonders relevant sind die Forschungsergebnisse auch gerade in der derzeitigen Situation, denn durch die Corona-Beschränkungen und den bevorstehenden Winter fühlen sich viele Menschen unwohl: „Aktuell leiden wir unter starken Einschränkungen des öffentlichen Lebens und unserer sozialen Kontakte, was sich auf unser Wohlbefinden niederschlagen kann“, erklärt Tost. „Da kann es helfen, öfter mal Treppen zu steigen, um sich besser zu fühlen.“

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