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50 Jahre Ikea: Warum wir das Möbelhaus nie mit leeren Händen verlassen

50 Jahre schwedisches Möbelhaus in Deutschland: Am 17. Oktober 1974 öffnete die erste Ikea-Filiale in Deutschland ihre Pforten. Heute ist die Kette das beliebteste Möbelgeschäft der Deutschen und mit 54 Filialen befinden sich hier die meisten Standorte weltweit. Doch was ist das Geheimnis hinter dem Erfolg von Ikea? Auf welche Weise wirkt sich die Gestaltung der Geschäfte auf unsere Kaufbereitschaft aus? Und wie sah die erste Filiale in Deutschland aus?
SSC, 17.10.2024
IKEA-Fileale in Graz

© ermingut, iStock

Checkout-Bereich der Ikea-Filiale Uddevalla
Quengelware für Erwachsene im Checkout-Bereich

© W.carter / CC0

Viele Ikea-Besucher kennen die Situation: Eigentlich sollte es nur ein simples Regal werden, aber dann landen wie durch Zauberhand doch noch ein paar Kerzen und ein kleiner Kaktus im Einkaufswagen. Schon haben wir wieder mehr gekauft, als wir eigentlich wollten. Spätestens wenn das Regal dann aber fertig zusammengebaut in der Wohnung steht, sind diese ungeplanten Mehrausgaben meist vergessen und der stolzen Bewunderung für das selbst aufgebaute Möbelstück gewichen.

Tatsächlich hat dieses Phänomen sogar einen Namen: der Ikea-Effekt. Ja, so heißt er wirklich. Er beschreibt, dass wir einen Gegenstand mehr wertschätzen, wenn wir Anstrengung und Mühe – in dem Fall das Zusammenbauen der Möbel – in ihn investiert haben. Doch wie das Beispiel mit dem Kaktus und den Kerzen zeigt, ist der Ikea-Effekt längst nicht die einzige Strategie, mit der der schwedische Möbelgigant uns zum Kaufen verleitet. 

Ikea-Montageanleitung und Werkzeug
Klassische Montageanleitung – integraler Bestandteil des Ikea-Feelings. Mit dem neuen Stecksystem und der Faltkonstruktion wohl ein Auslaufmodell.

© robas, iStock

Kaufen oder nicht kaufen? – Ladengestaltung bei Ikea

Die subtile Beeinflussung fängt schon beim Ladenaufbau an. Auf unserer Shoppingtour können wir nur einem einzigen Gang folgen, der sich an allen fertig ausgestatteten Räumen der Filiale vorbeischlängelt. Dadurch müssen wir auch an der Wohn- und Schlafzimmerabteilung vorbei, selbst wenn wir eigentlich nur etwas für die Küche kaufen wollten, und bekommen so das ganze Sortiment zu sehen. Unterwegs zum eigentlichen Objekt der Begierde begegnet uns dann vielleicht der ein oder andere Artikel, der eigentlich nicht auf unserer Einkaufsliste stand, aber trotzdem im Einkaufswagen landet.

Hinzu kommt ein falsches Gefühl von Knappheit. Entdecken wir einen Artikel, der unser Interesse weckt, wissen wir nicht, ob wir ihm im weiteren Verlauf nochmal begegnen werden. Das führt dazu, dass wir den Artikel direkt mitnehmen und wahrscheinlich auch kaufen, wie Marketingstrategen erklären. Oft stehen an den Seiten des Ganges auch große Gitterboxen, die randvoll mit günstigen Produkten gefüllt sind. Solche Waren im Überfluss mit scheinbar niedrigen Preisen assoziieren wir mit Rabatten und Schnäppchen. Das fördert Impulskäufe. Für das Konzept hat Ikea sogar einen eigenen Namen: Bulla Bulla.

Köttbullar-Menü in der IKEA-Filiale Xihongmen
Seit 1985 im Angebot: Köttbullar. Jährlich gehen weltweit rund eine Milliarde dieser Fleischbällchen über den Tresen.

Aufs „Bauch“gefühl hören – Essen als Verkaufsstrategie

Selbst hinter der Kasse werden wir weiter zu ungeplanten Käufen animiert, denn dort erwartet uns das Ikea-Restaurant, in dem wir den Hunger vom langen Einkauf stillen können. Die Idee dazu stammt von Ikea-Gründer Ingvar Kamprad. Der bemerkte schon früh, dass die Kunden nach dem Bummel in seinem Geschäft häufig weiterzogen, um auswärts etwas zu essen. Daher beschloss Kamprad ab 1960, in den Filialen eigenes Essen und Getränke anzubieten, um die Kunden länger im Geschäft zu halten. „Oder wie wir gerne sagen, es fällt schwer, auf leeren Magen Geschäfte zu machen“, heißt es dazu auf der Website des schwedischen Möbelhauses.

Diese Strategie ist auch deshalb so erfolgreich, weil Ikea-Märkte meist etwas außerhalb der Stadt in Gewerbegebieten liegen und dadurch schwieriger zu erreichen sind. Wir neigen daher dazu, unseren Besuch im Einrichtungshaus im Voraus zu planen, anstatt spontan vorbeizuschauen, und berücksichtigen dabei auch schon die Essensplanung. Die Lage der Filialen hat aber noch einen weiteren psychologischen Effekt, der als „eskalierendes Commitment“ bezeichnet wird. Sobald wir den Aufwand für die Fahrt auf uns genommen haben, neigen wir dazu, mehr Geld im Laden auszugeben. Erst dann haben wir das Gefühl, dass sich unsere Reise gelohnt hat.

Ikea-Möbepackungen auf dem Dachgepäckträger eines VW-Käfers
Ikea-Filialen liegen fast immer außerhalb der Zentren. Kunden geben daher leichter viel Geld aus, damit sich der Aufwand auch wirklich lohnt.

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Ikeas Debüt in Deutschland

Dass Ikeas Strategien funktionieren, zeigt der große Erfolg des Möbelhauses in Deutschland. Seit die erste Filiale am 17. Oktober 1974 – vor genau 50 Jahren – hierzulande eröffnet hat, sind 53 weitere Standorte hinzugekommen – so viele wie in keinem anderen Land der Welt.

Die allererste Filiale steht in Eching, nördlich von München. Zu ihrer Eröffnung sah sie schon so aus, wie wir Ikea heute kennen, nur statt des dunklen Blaus kleidete sich das Möbelhaus früher noch in das firmentypische Gelb und an der Fassade glänzte der Slogan „das unmögliche Möbelhaus aus Schweden“. Mit 9.000 Quadratmetern war die Filiale in Eching außerdem vergleichsweise klein. Ein Bistro gab es allerdings schon: das „Restaurant zum Elch“. Die charakteristischen Köttbullar mit Kartoffelpüree kamen aber erst 1985 hinzu.

Auch interessant: Die Konkurrenz räumte der ersten Ikea-Filiale anfangs keine großen Erfolgschancen ein. „Das war für den deutschen Möbelhandel eine kleine Revolution und dementsprechend sagten die Mitbewerber dem neuen Stern am Möbelhimmel keine große Zukunft voraus“, sagte Peter Betzel, ehemaliger Geschäftsführer von Ikea Deutschland, 2014 in einer Pressekonferenz. Wie gründlich sich die Mitbewerber irren sollten, hätte damals aber wahrscheinlich niemand ahnen können.

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