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Alexander Gerst: Aufbruch zur ISS

Es ist soweit: Heute Mittag startet der deutsche Astronaut Alexander Gerst ins Weltall. Nach Ankunft im Orbit wird Gerst ein halbes Jahr lang auf der Internationalen Raumstation leben und arbeiten. Für den Astronauten ist es bereits der zweite Aufenthalt auf der ISS – diesmal wird er sogar einige Zeit Kommandant der Raumstation sein. Hauptziel der Mission "Horizons" aber ist die Forschung: Die Astronauten führen zahlreiche wissenschaftliche Experimente durch – und werden dabei von einem robotischen Crewmitglied unterstützt.
NPO, 06.06.2018

Im Rahmen der Mission "Horizons" wird der deutsche ESA-Astronaut Gerst voraussichtlich 187 Tage lang auf der ISS leben und arbeiten.

NASA

Nach monatelanger Vorbereitung und hartem Training ist es endlich soweit: Für den deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst geht es heute zum zweiten Mal ins All. Heute Mittag um 13:12 Uhr unserer Zeit wird er gemeinsam mit einem russischen und einem US-Kollegen vom Weltraumbahnhof Baikonur aus in den Orbit starten. In ihrer Soyuz-Kapsel werden die Astronauten zunächst 34 Erdumrundungen durchführen, bis sie sich der ISS angenähert haben und das Andockmanöver starten kann. Am 8. Juni gegen 17:00 Uhr heißt es dann: Luke auf und hineingeschwebt in die Internationale Raumstation ISS.

Was passiert in den letzten Tagen und Stunden vor dem Start? Alexander Gerst über Raumfahrt-Traditionen kurz vor dem Flug zur ISS.

Außenposten der Menschheit

Für Gerst und seine Kollegen beginnt damit ihre Zeit auf einem ganz besonderen Außenposten der Menschheit. Die Raumstation fliegt rund 400 Kilometer über der Erdoberfläche und umrundet unseren Planeten dabei so schnell, dass vor ihren Fenstern alle 90 Minuten die Sonne auf- und wieder untergeht.

Doch die Internationale Raumstation ISS ist mehr als nur eine Wohngemeinschaft im Orbit, sie ist ein Projekt der Superlative: "Die ISS ist die komplexeste Maschine, die jemals von Menschen gebaut wurde", erklärt Alexander Gerst. "Dieser unglaubliche Ort wurde von mehr als 100.000 Menschen in 500 Produktionsstätten auf der ganzen Welt gebaut und im Orbit mit millimetergenauer Präzision montiert."

Der deutsche ESA-Astronaut ist nicht zum ersten Mal im Orbit: Ab August 2014 war Gerst bereits als Bordingenieur für die Mission "Blue Dot" auf der ISS. Sechs Monate lang führte er gemeinsam mit russischen und amerikanischen Kollegen an Bord der Raumstation zahlreiche Experimente durch. Auch einen Außeneinsatz absolvierte der Astronaut während seiner 165 Tage im All.

Für den Geophysiker ist die Arbeit als Astronaut ein Kindheitstraum: "Als ich ein kleiner Junge war, habe ich viele Starts des Space-Shuttle gesehen. Jedes Mal klebte ich förmlich am Fernseher und schaute die Astronauten an, die da nach oben flogen und wissenschaftliche Experimente machten", erzählt er. Heute ist er selbst einer dieser forschenden Weltraumfahrer.

Pflicht vor Kür: Täglich zwei bis drei Stunden müssen die Besatzungsmitglieder der ISS ihr Herz-Kreislaufsystem und die Muskeln trainieren.

ESA / NASA

Der erste deutsche Kommandant der ISS

Bei der aktuellen Mission "horizons" wird der deutsche ESA-Astronaut voraussichtlich 187 Tage lang auf der ISS leben und arbeiten. Das Besondere diesmal:  Während der zweiten Hälfte seines Aufenthalts im Orbit wird er Kommandant der ISS sein – als erster Deutscher. In dieser Rolle ist Gerst für die Sicherheit der Crew an Bord verantwortlich, hilft, Konflikte zu lösen und arbeitet intensiv mit dem Flugdirektor am Boden zusammen. Im Notfall entscheidet er über Rettungsmaßnahmen bis hin zum Missionsabbruch und eine vorzeitige Rückkehr zur Erde.

Um diese besonders verantwortungsvolle Aufgabe erfolgreich zu meistern, hat Gerst in den letzten Monaten intensiv trainiert – unter anderem im russischen Trainingszentrum nahe Moskau und im Johnson Space Center der US-Raumfahrtbehörde NASA.  Doch während seiner Mission ist Alexander Gerst nicht nur Kommandant - er ist auch Forscher, Handwerker, "Hafenmeister" und Lehrer. Schon vor seinem Aufbruch zur Raumstation wurden seine Aufgaben festgelegt und die entsprechenden Handgriffe trainiert. So lernte er zum Beispiel, was bei den Experimenten zu tun ist, wie man Wasserkreisläufe und Ventile prüft und bei Bedarf wechselt und wie man Versorgungsraumschiffe andockt.

Was wird geforscht?

Die 67 europäischen Experimente der Mission sollen viele offene Fragen der Wissenschaft klären. So wird Gerst das Verhalten von verschiedenen Materialien in der Schwerelosigkeit untersuchen, aber auch das Verhalten lebender Zellen unter diesen Bedingungen. Medizinische Tests sollen zudem klären, wie unser Körper und Immunsystem auf das Leben im All reagieren.

Das liefert wertvolle Erkenntnisse für künftige Flüge zum Mars, aber auch für die irdische Medizin: "Dank dieser Forschung lernen wir zum Beispiel, Krankheiten wie Krebs, Immunschwäche oder Muskel- und Knochenschwund besser zu verstehen. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich dann innovative Medikamente und Therapieansätze entwickeln, die unser Leben auf der Erde verbessern", erklärt Markus Braun vom DLR Raumfahrtmanagement.

Doch auch Umwelt- und Klimabedingungen lassen sich von der ISS aus erforschen. Tiere haben beispielsweise ein sehr gutes Gespür für Klimaveränderungen und einen "siebten Sinn" für nahe bevorstehende Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche und Erdbeben. Das könnte sich für die Erforschung und Vorhersage solche Phänomene nutzen lassen. Ob das funktioniert, testen Forscher mit Unterstützung der ISS-Besatzung im Projekt Icarus. Dafür wurden in den letzten Wochen zahlreiche Tiere, darunter Vögel und Fledermäuse, mit Sendern ausgerüstet. Diese funken dann Daten über das Wanderverhalten ihrer Träger zur ISS.

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