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April, April – das Biowetter im Frühling

Regenschauer, Graupeln und Sonne – vielen Menschen machen die im April typischen Wetterkapriolen zu schaffen. Aber: Was ist die berühmte Wetterfühligkeit? Und: Lohnt es sich wirklich, den Biowetterbericht zu lesen?
Theresia Blattmann

Neckartal im Frühling
Fotolia.com/Ulrike Steinbrenner

Dass viele Menschen auf bestimmte Wetterlagen mit eingeschränktem Wohlbefinden reagieren, gilt seit einem Jahrzehnt als belegt. Diese Wetterfühligkeit ist bei weitem kein Randphänomen: Laut einer Studie der Münchener Universitätsklinik und des Instituts für Demoskopie Allensbach bezeichnen sich sogar 54 Prozent aller Deutschen als wetterfühlig. „Häufig leiden wetterfühlige Menschen unter Kopfschmerzen, Narbenschmerzen, Schlaflosigkeit, Gelenkbeschwerden, Niedergeschlagenheit oder Müdigkeit“, fasst Dr. Eva Wanka, Medizinmeteorologin an der Universität München zusammen. „Allerdings ist immer noch relativ unklar, ob einzelne Faktoren einen Einfluss auf den Körper haben, oder ob der Gesamtzustand der Atmosphäre betrachtet werden muss“, so die Meteorologin. Das liegt vor allem auch daran, dass sich das Wetter aus verschiedenen Teilbereichen zusammensetzt, die aber als Ganzes auf den Körper wirken: So definiert die Deutsche Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin Wetter als Zustand der Atmosphäre, der durch Faktoren wie Temperatur, Feuchtigkeit, Luftdruck, Wind, Niederschlag und elektrische Eigenschaften charakterisiert wird. Welches dieser Elemente nun welchen Einfluss auf das Befinden hat, ist bislang kaum zu belegen. 

 

Sferics und Luftdruck

Im Verdacht, wetterabhängige Beschwerden auszulösen, stehen vor allem zwei dieser Faktoren: Die so genannten „Sferics“, elektromagnetische Wellen in der Erdatmosphäre, und der Luftdruck. Eine gängige These besagt etwa, dass elektromagnetische Wellen, wie sie beispielsweise bei Gewittern entstehen, ursächlich für die Wetterfühligkeit sind. Obwohl einzelne Probanden in Studien auf diese Sferics sensibel reagierten, konnte die Hypothese bislang wissenschaftlich nicht eindeutig belegt werden. 

Wanka geht in ihren Untersuchungen vor allem den Auswirkungen von Luftdruck auf den menschlichen Körper nach. „Tagebuchaufzeichnungen von subjektiv Wetterfühligen haben gezeigt, dass deren Beschwerden auftreten oder verstärkt werden, wenn sich der Luftdruck - und damit das Wetter - stark ändert“. Die Forscher nehmen an, dass spezielle Druckrezeptoren, die Blutdruck und Herzfrequenz im Körper beeinflussen, auf Luftdruckschwankungen reagieren. „Die Beschwerden treten besonders im Frühjahr und im Herbst auf, wenn sich das Wetter häufig und rasch ändert“, so Wanka. „Wetterabhängige Beschwerden sind jedoch von Mensch zu Mensch unterschiedlich“. Deshalb rät die Meteorologin Betroffenen zunächst, selbst zu beobachten, wie sie sich bei welcher Wetterlage fühlen.

 

Wetterfühlig oder wetterempfindlich?

Wichtig sei zudem, zwischen „Wetterfühligkeit“ und „Wetterempfindlichkeit“ zu unterscheiden. Wetterfühlige Menschen reagieren auf Wetterwechsel mit Beschwerden, ohne dabei unter einer spezifischen Erkrankung zu leiden. Zur Gruppe der wetterempfindlichen Menschen werden hingegen Personen gezählt, die unter einer Erkrankung leiden, deren Symptome durch Wetterphänomene verstärkt werden kann. So wird Asthma zum Beispiel auch durch die Wetterlage beeinflusst: Betroffene leiden besonders dann unter Atemnot, wenn das Wetter kalt, trocken oder neblig ist. Als wetterempfindlich gelten außerdem Menschen mit Herz- Kreislauferkrankungen oder Rheuma.

 

Das Biowetter

Viele Menschen lesen deshalb aufmerksam den Biowetterbericht. Meist beinhalten die kurzen Texte neben Informationen zur Ozon- und Allergenbelastung auch Hinweise auf Temperatur, Luftdruck, Feuchtigkeit und Wind. Auch wenn es sinnvoll sein mag, dass chronisch Kranke den Biowetterbericht für ihre Tagesplanung nutzen, warnen viele Mediziner davor, das Biowetter als Gesundheitsprognose zu verstehen. „Wettervorhersagen sollten immer im individuellen Kontext gedeutet werden“, betont auch Wanka. „Sonst gerät der Biowetterbericht schnell zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung.“

Windspiel
istockphoto.com

Wetterfühlig – was tun?

Ob wetterfühlig oder wetterempfindlich – letztlich stellt sich allen Betroffenen die Frage, wie sie den Beschwerden konkret begegnen können. Die Medizinmeteorologin Wanka hält die Wetterfühligkeit vor allem für ein Anpassungsphänomen: „Viele Menschen halten sich hauptsächlich in geschlossenen Räumen auf und sind es nicht mehr gewohnt, verschiedenen Wetterlagen ausgesetzt zu sein.“ Auch wenn einige meteorologische Parameter nahezu ungehindert in Innenräume eindringen können, lautet die Empfehlung der Medizinmeteorologin deshalb zu Bewegung an der frischen Luft, „und zwar bei jedem Wetter“. Die Anpassungsfähigkeit des Organismus lässt sich auch durch Saunagänge oder Wechselduschen trainieren. Zudem rät die Wissenschaftlerin dazu, auf eine gesunde Lebensführung zu achten: „Je weniger der Körper andere Dinge verarbeiten muss, desto besser kann er sich auf das Wetter und seine Änderungen einstellen“. 

Die Deutsche Gesellschaft für Umwelt- und Arbeitsmedizin rät wetterempfindlichen und chronisch kranken Menschen jedoch, auf Wetterreize mit Vorsicht zu reagieren und zum Beispiel anstrengende Tätigkeiten bei Risikowetter zu vermeiden. Und wenn das Wetter im April wieder Kapriolen schlägt, denken Sie einfach daran, was schon der Schriftsteller Mark Twain vor über 100 Jahren bemerkte: „Alle reden vom Wetter, aber keiner tut etwas dagegen.“

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