Lexikon
Zeitrechnung
auf Beobachtungen des Tages- und Jahresablaufs beruhende, von einem willkürlich festgelegten Zeitpunkt ausgehende Berechnung des Zeitablaufs; war je nach dem Zeitgefühl, der Fähigkeit zur Himmelsbeobachtung und dem Ausgangspunkt der Zählung bei den Völkern des Altertums und des Mittelalters außerordentlich verschieden.
Im alten Ägypten war eine von einem festen Zeitpunkt aus durchgehende Jahreszählung unbekannt. Man berechnete zunächst die Zeit nach bedeutenden Ereignissen, später nach einer alle zwei Jahre stattfindenden Steuererhebung oder nach den Regierungsjahren der Pharaonen, wobei bei jedem Regierungsantritt wieder mit der Zahl 1 begonnen wurde. Die Dynastieeinteilung des Priesters Manetho stammt erst aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.
Einige Völker rechneten nach der Erschaffung der Welt, die sie zu verschiedenen Zeitpunkten festsetzten. So beginnt umgerechnet auf die christliche Ära die Zeitrechnung der Juden mit dem Jahr 3761 v. Chr.
Kalender der Völker
Kalender der | Urheber / Geltungsdauer | Kalenderberechnung | Schaltverfahren |
Ägypter | seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. | reines Sonnenjahr zu 365 Tagen; 12 Monate zu je 30 Tagen + 5 Zusatztage | keine Schalttage; Jahresanfang durchläuft in 1461 ägyptischen Jahren das ganze Jahr |
238 v. Chr. | reines Sonnenjahr zu 365 1/4 Tagen | vermutlich in jedem 4. Jahr 1 Schalttag | |
Babylonier | bis zum 6. Jh. v. Chr. | Mondjahr zu 354 Tagen; 12 Monate, abwechselnd 30 und 29 Tage | bei Abweichung vom Sonnenstand willkürlich ein Monat ein- oder ausgeschaltet |
vom 6. Jh. an | zyklische (auf Rechnung beruhende) Schaltungsweise | ||
Griechen | seit 383 v. Chr. | 7 Schaltmonate für 19 Jahre | |
7. Jh. v. Chr. | Oktaeteris-Zyklus von 2992 Tagen; 8 Sonnenjahre = 99 Mondmonate | ||
Solon (594 v. Chr.) | Oktaeteris, verbessert auf 2923 1/2 Tage | ||
Meton (432 v. Chr.) | Mond-Sonnenjahr zu 12 und 13 Monaten | 19-jähriger Zyklus von 235 Monaten, Schaltjahre sind die Jahre 3, 5, 8, 11, 13, 16, 19 in diesem Zyklus | |
Kalippos (330 v. Chr.) | verbesserter Meton-Zyklus; vier solcher Zyklen = 76 Jahre um einen Tag vermindert, unabhängig davon 10-tägige Woche | ||
Römer | 8. und 7. Jh. v. Chr. und auch später | Mondjahr zu 10, seit dem König Numa (715 v. Chr.) zu 12 Monaten | unregelmäßig |
Julius Cäsar (julianischer Kalender): 46 v. Chr.; in den griechisch-orthodoxen Ländern bis 1923 | reines Sonnenjahr zu 365 1/4 Tagen | jedes 4. Jahr ein Schalttag | |
Moslems | seit 16. Juli 622 (Hedschra) | reines Mondjahr | 30-jähriger Zyklus, in dem 11-mal je ein Tag eingeschaltet wird; unabhängig davon 7-tägige Woche; Tage beginnen mit Sonnenuntergang |
Türken | vor dem islamischen Kalender | reines Mondjahr zu 354 Tagen | 8-jähriger Zyklus, davon das 2., 5. und 7. Jahr zu 355 Tagen |
seit 1677 | reines Sonnenjahr | ||
seit 1916: gregorianischer Kalender | |||
Juden | bis Beginn unserer Zeitrechnung; Reform (vielleicht Rabbi Samuel 338) | bei Bedarf ein ganzer Monat eingeschaltet; Monate abwechselnd 29 und 30 Tage | |
Mond-Sonnenjahr | 19-jähriger Zyklus; Jahreslängen mit 353, 354 oder 355 Tagen; Schaltjahre mit 383, 384 oder 385 Tagen; Schaltjahre sind die Jahre 3, 6, 8, 11, 14, 17, 19 des Zyklus | ||
Inder | Zeit des Veda | Mond-Sonnenjahr; 12 Monate zu je 30 Tagen | ursprünglich nur Mondjahr, durch willkürliche Schaltung eines 13. Monats mit der Sonne in Einklang gebracht |
Zeit des Siddhânta (4. bis 6. Jh.) | 60-jährig (5 Jupiterumläufe) und 12-jährig (1 Umlauf) | Rechnung nach Sonnenmonaten | |
Chinesen und Japaner | 3. Jahrtausend v. Chr. (wohl um 2258 v. Chr. | Jahr zu 360; Tagen Mond-Sonnenjahr | von je 19 Jahren 12 Gemeinjahre zu 12 und 7 Schaltjahre zu 13 Monaten; Jahresanfang veränderlich |
Japaner | Seit 1873: gregorianischer Kalender | ||
Altgermanische Völker | unvollkommenes Mond-Sonnenjahr | Schaltweise durch ganze Mondmonate nach Bedarf | |
Isländer und Norweger | bis Einführung des Christentums | Jahr zu 364 Tagen, 7-tägige Woche | 6 Winter- und 6 Sommermonate zu 30 Tagen, im 3. Sommermonat 4 Ergänzungstage; 5-mal in 28 Jahren eine Schaltwoche im 3. Sommermonat |
Neuzeit | Papst Gregor XIII. (gregorianischer Kalender): in den katholischen Ländern seit 15. Oktober 1582, im protestantischen Deutschland 1. März 1700, England 1752, Schweden 1753, Japan 1873, Bulgarien und Türkei 1916, Russland 1918, Rumänien 1919, Griechenland 1923, China 1949 | reines Sonnenjahr zu 365 Tagen | bei Ersteinführung folgte auf den 4. Oktober 1582 des seitherigen julianischen Kalenders sofort der 15. Oktober 1582. Der Frühlingsanfang wurde auf den 21. März gelegt; jedes 4. Jahr zu 366 Tagen, mit Ausnahme der durch 400 nicht teilbaren Jahrhunderte. Jahreslänge: 365 Tage 5 Stunden 49 Minuten 12 Sekunden: d. h. das Jahr ist um 26 Sekunden länger als die jetzige Jahreslänge |
Neuer orientalischer Kalender: 14. Oktober 1923 von der griechisch-orthodoxen Kirche angenommen | |||
Französischer Revolutionskalender seit dem 14. Juli 1790 schrittweise eingeführt; endgültige Fassung seit dem 5. Oktober 1793; abgeschafft Ende 1805 | 12 Monate zu je 30 Tagen + 5 „jours complémentaires“ | Jahresbeginn z. Zt. des Herbstanfangs. Jahr I (1792) bis XIV (1805), Schaltjahre waren das 3., 7. und 11. Jahr (Revolutionstag). Monate teilweise in 3 Dekaden eingeteilt |
Die Zeitrechnung der Byzantiner beginnt dagegen mit dem Jahr 5509 v. Chr.; die byzantinische Zeitrechnung war in Russland bis zu ihrer Beseitigung durch Peter den Großen (1. 1. 1700) in Gebrauch.
Den Griechen fehlte eine gemeinsame Zeitrechnung. Die einzelnen Städte führten gesondert Listen ihrer Oberbeamten, Könige, Priester oder Wettkampfsieger. Später wurde die Datierung nach den Olympiaden üblich (ab 776 v. Chr.). Das Zeitalter des Hellenismus zählte vom Todesjahr Alexanders des Großen (323 v. Chr.) oder, meist, vom Regierungsantritt des Seleukos (312 v. Chr.) an.
Die römische Zeitrechnung beginnt mit der Gründung Roms (ab urbe condita), die der Schriftsteller Marcus Terentius Varro in das Jahr 753 v. Chr. legte.
Mit dem Todesjahr Buddhas (483 v. Chr.) beginnen die Buddhisten ihre Zeitrechnung.
Die Muslime zählen von der Übersiedlung Mohammeds von Mekka nach Medina (Hedschra, 622 n. Chr.) an.
Die christliche Zeitrechnung wurde durch den Abt Dionysius Exiguus festgelegt, der bei der Aufstellung der Ostertafeln (532) das „Jahr von der Menschwerdung des Herrn“ als Ausgangspunkt annahm. Wie wir heute wissen, wurde Jesus jedoch 3–7 Jahre vor dem angenommenen Datum geboren. Chronologie, Datierung, Kalender.
Wissenschaft
»Das Standardmodell der Kosmologie muss korrigiert werden«
Die Physikerin Jenny Wagner über die aktuellen Schwierigkeiten, unser Universum zu verstehen. Das Gespräch führte RÜDIGER VAAS Frau Dr. Wagner, Sie sind Hauptautorin eines umfangreichen Übersichtsartikels in der renommierten Fachzeitschrift Classical and Quantum Gravity. Darin geht es um zahlreiche Beobachtungen, die im...

Wissenschaft
Rechnen mit dem Reservoir
Das sogenannte Reservoir-Computing nutzt analoge Systeme, um Daten zu verarbeiten. Das könnte den Energieverbrauch von Rechenzentren drastisch reduzieren. von DIRK EIDEMÜLLER Hallo Computer, schreibe mir zum Valentinstag bitte ein Liebesgedicht im Stil von Hölderlin!“ „Hallo Mensch, wie lang soll es denn sein? Und welche...