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Autofreie Stadt - Utopie oder umsetzbare Zukunftsidee?
Unter den Menschen findet ein Umdenken statt
War das eigene Auto einst Statussymbol und Mittel zur schier grenzenlosen Freiheit, hat sich dieses Bild in der jüngeren Vergangenheit gewandelt. Klassische Verbrennungsmotoren sind schädlich für die Umwelt und treiben den Klimawandel weiter voran. Zudem ist ein eigenes Fahrzeug teuer in Anschaffung und Unterhalt. In vielen Großstädten mangelt es zugleich an Parkplätzen, während die Infrastruktur öffentlicher Verkehrsmittel kontinuierlich ausgebaut und attraktiver gestaltet wird. Auch der Radverkehr erlebt nicht erst seit der Corona-Pandemie einen weiteren Aufschwung.
Innerhalb der Bundesrepublik gibt es zur IST-Situation durchaus Unterschiede: Während eine Großstadt wie München auf 0,45 Autos pro Kopf kommt, erreicht Berlin lediglich 0,33. In München hat also fast jeder Zweite ein Fahrzeug, in Berlin nur jeder Dritte - Tendenz sinkend. Ebenso ist München Deutschlands Stau-Hauptstadt: Pro Jahr stehen Autofahrer 49 Stunden im Stau, also mehr als eine volle Arbeitswoche.
Zeitgleich steigt die Zahl der Menschen, die sich lieber mit dem Rad oder über öffentliche Verkehrsmittel fortbewegen. Anders als beispielsweise in vielen Großstädten der USA findet sich in Deutschland eine mehr als solide Verkehrsinfrastruktur, angefangen bei Zügen, über Straßenbahnen und bis hin zu U-Bahnen. Dazu kommen Carsharing-Angebote, die das Fahrzeug effektiver auslasten - und damit die persönlichen Kosten und den individuellen CO2-Fußabruck optimieren.
Ohne Alternativen geht es nicht
Allein vom Umweltbewusstsein und einer positiven Haltung gegenüber einer autofreien Stadt wird eine solche Vision jedoch nicht zur Realität. Zwar sind deutsche Großstädte, wie beispielsweise Berlin, sehr gut aufgestellt in ihrer öffentlichen Infrastruktur, aber auch hier fehlt es teilweise noch an Flexibilität. Andere deutsche Städte, die nur U-Bahn oder lediglich Straßenbahn haben, statt beides, sind noch limitierter.
Erst wenn genügend Alternativen bereitstehen, kann aus einer Vision Realität werden. Neben den öffentlichen Verkehrsmitteln sind das beispielsweise auch die zahlreichen Miet-E-Scooter, die sich heute in jeder größeren Stadt finden. Aller Voraussicht nach, wird das aber nicht ausreichen. Eine weitere Möglichkeit könnten "Personal Rapid Transits" sein. Die Idee kam schon in den 70er-Jahren auf, seither wurden immer wieder Pilotprojekte gestartet: Heathrow, der Flughafen Londons, ist eines davon. In Schweden befinden sich solche "persönlichen Transportkabinen" bereits für einige Städte in Planung.
Ebenso wie das Flugauto oder Flugtaxi, das vor allem in den USA eine durchaus realisierbare Zukunftsvision gilt, ist die Idee aber längst nicht ausgereift genug. Experimentiert wird daher in mehreren Bereichen, mit unterschiedlichen Mobilitätslösungen - so beispielsweise den Selbstfahrer-ÖPNV-Angeboten, darunter das Pilotprojekt MyBus in Duisburg. Bis zu deren Reife bleiben Autos in deutschen Großstädten daher weiterhin präsent – auch wenn sie sich auf dem Rückzug befinden.